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Berlin: Umzug geglückt, Imker entzückt

16 000 Bienen sind auf den Berliner Dom gezogen. In der neuen Heimat war es vor allem – kalt. Wie wohl der Honig schmeckt?

Heute bringen die Bienen ihren Chef in Verlegenheit. Von wegen aktives Völkchen, immer fleißig und vorbildlich. Als Imker Uwe Marth die Klappe des Holzkastens öffnet, in dem die Tiere zu Hause sind, verlässt den Bienenstock genau: eine. Sie lässt ein leises Summen hören, dreht eine schnelle Runde, dann ist der Ausflug vorbei, und die umstehenden Besucher sind enttäuscht. „Es ist einfach zu kalt“, sagt Marth und zuckt mit den Schultern.

Dabei dürfte dem Hobby-Imker, der an einer Grundschule Religion unterrichtet, die neue Heimat seines Bienenvolkes eigentlich zusagen: der Berliner Dom. Mit einer Sackkarre hievt Marth den 15 Kilo schweren Bienenkasten am Dienstagmorgen die heiligen Stufen hinauf. Es geht durch das Kirchenschiff, unter Orgelpfeifen hindurch, ab in den Fahrstuhl und rauf auf das Kupferdach in 29 Metern Höhe. Rund 16 000 Bienen gastieren hier nun mit Aussicht auf Museumsinsel und Fernsehturm. Läuft alles gut, wird sich die Anzahl bis zum Sommer verdoppeln.

Das Bienenvolk von Marth ist Teil des Ökoprojekts „Berlin summt“ vom Umweltforum für Aktion und Zusammenarbeit. „Wir werben für die Erhaltung einer intakten Stadtnatur“, sagt Initiator Cornelis Hemmer. 298 Wildbienenarten lebten in Berlin, viele von ihnen stünden auf der Roten Liste. Vor allem durch den Einsatz von Pestiziden hat sich der Bestand seit 1985 bundesweit halbiert.

Dabei ist die Biene das drittwichtigste Nutztier – nach Rindern und Schweinen. 80 Prozent aller Blüten werden von ihr bestäubt. Damit die Tiere ungestört arbeiten können, wurden auch am Naturkundemuseum, auf der Tempelhofer Freiheit, am Abgeordnetenhaus, dem Rathaus Marzahn und dem Planetarium am Insulaner Bienenkästen aufgestellt. 15 Orte sind es insgesamt.

In den Monaten Juni und Juli will Imker Marth den Honig der Dom-Bienen ernten. Seine Prognose: 25 Kilo, Geschmacksrichtung „Berliner Stadtmischung“. Die Zutaten dafür finden die Sammlerinnen vor allem auf der Flaniermeile „Unter den Linden“, aber auch Kastanien, Robinien und Ahornbäume hat Marth im direkten Umkreis gesichtet. „Lindenblütenhonig hat einen besonders kräftigen, herzhaften Geschmack“, sagt er. Die Ernte wird im Dom-Shop zu Geld gemacht.

Glaubt man Marth, müssen Kirchenbesucher und Spaziergänger keine Angst haben, im Sommer nahe dem Dom von Bienen attackiert zu werden: Marth hat für besonders zahme Dachbewohner gesorgt. Die österreichische Rasse „Carnica“ – Prädikat sanftmütig – sticht nur, wenn sie sich bedrängt fühlt. Im Herbst geht es für das Bienenvolk wieder zurück in Marths Garten nach Zehlendorf. Unter seiner Beobachtung haben die Bienen dort auch die Wintermonate verbracht.

Auf dem Dach des Doms hilft Marth noch einmal seinem Glück nach: Mit einem „Smoker“ erzeugt er Rauch, der die Bienen ruhigstellen soll. Dann greift er in den Holzkasten und zieht eine gut besetzte Wabe heraus. In der Kälte ballen sich die Bienen zu einem Knäuel, schlagen mit den Flügeln, um Wärme zu erzeugen. Eine von ihnen hat einen gelben Punkt auf dem Rücken. „Das ist die Königin!“, ruft Marth. Die Kameras der Besucher klicken. Marth ist zufrieden.

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