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Berlin-Reinickendorf: Landende Flugzeuge am Flughafen Tegel

© Mike Wolff

Umweltatlas für Berlin: Wer mit Lärm lebt, leidet auch unter schlechter Luft

Berlins Senat stellt eine Studie zu Umweltgerechtigkeit vor. Wer arm ist, hat die höchsten Belastungen. Die Studie soll planen helfen - aber die Daten sind alt.

Von Fatina Keilani

Wo leben Berliner ruhig und gesund, mit wenig Lärm und klarer Luft? Und wo nicht? Zu diesen Fragen hat der Senat jetzt einen Umweltatlas vorgelegt. Er soll als Datengrundlage dafür dienen, den Faktor „Umweltgerechtigkeit“ bei künftigen Planungen der Stadt zu beachten. Schlichtes Beispiel: Drei Straßen müssen erneuert werden, aber der Haushalt gibt nur Geld für einmal leisen Asphalt her - dann könnte der ausführende Bezirk mittels des Umweltatlas schauen, welche der drei Straßen den Flüsterasphalt am nötigsten hat, nämlich die mit der höchsten Lärmbelastung. So können Wohnquartiere entlastet werden. Die Umweltverwaltung stellt den Bericht und eine 41 Seiten starke Broschüre an diesem Donnerstag vor; sie sind im Internet abrufbar.

Der Studie liegt eine riesige Datenmenge zugrunde, die jedoch großteils schon vorhanden war. Es wurden vier Umweltfaktoren als Kernindikatoren festgelegt, deren Relevanz für die Gesundheit wissenschaftlich belegt ist: Luft-, Lärm- und thermische Belastung als Stressfaktoren und die Grünflächenversorgung als Ressource, also entlastender Faktor. Als fünfter Kernindikator wird die soziale Problemdichte in den Quartieren betrachtet.

Stimmen die Messungen von damals heute noch?

Allerdings sind nicht alle Daten aktuell. Zum Beispiel wurden für den fünften Indikator die Daten aus dem Monitoring Soziale Stadtentwicklung von 2013 übernommen. Die Daten für die Lärmbelastung stammen von der Strategischen Lärmkarte von 2012. Und die Daten zum Hitzestress (thermische Belastung) sind aus dem Stadtentwicklungsplan Klima von 2011. Dass die Daten nicht gleichzeitig erhoben wurden, sei egal, teilte eine Sprecherin der Umweltverwaltung auf Nachfrage mit, da es sich um ein wissenschaftlich entwickeltes, „sehr robustes“ Modell handele. Fraglich erscheint auch, ob die Messungen von damals heute noch stimmen.
Eine Aussage, die sich aus dem Bericht ergibt, ist: Wo die sozial Schwachen wohnen, sind auch die Umweltbelastungen größer. Wo die soziale Problemdichte hoch ist, konzentrieren sich auch Umwelt- und Gesundheitsprobleme. Besonders geplagt ist Reinickendorf - dort leben die meisten Menschen, die gleich fünffach belastet sind, also von allen fünf Faktoren.

Allerdings musste in der Analyse vieles unberücksichtigt bleiben, weil keine Daten vorliegen: Wie lange wohnte ein Mensch vor seinem Tod im Planungsraum? Und wohnte er dort an der stark belasteten Hauptstraße oder in einem Hinterhaus an einer Nebenstraße? „Um zu wissen, ob die Sterblichkeit auf Lebensstil oder Umweltfaktoren zurückgeht, sind weitere Untersuchungen nötig“, heißt es in dem Bericht. Sprich: Vielleicht hat er einfach ungesund gelebt.

Eine gute Nachricht versteckt sich in dem Bericht aber auch: Im Berliner Durchschnitt ist die Belastung überwiegend gering. Das höchste Maß an Mehrfachbelastungen hat der Bezirk Mitte. Generell lebt es sich innerhalb des S-Bahn-Rings stressiger als außerhalb. Berliner in grünen Gegenden außerhalb des Zentrums haben den höchsten Erholungswert und die geringsten Belastungen.

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