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Bei früheren Ausgaben des Berlin Mural Fest hinterließen international bekannte Streetart- und Graffitikünstler:innen Werke an vormals grauen Fassaden. 2018 malten etwa Onur, Wes21 und Herakut an der Stromstraße in Moabit.

© PROMO

Umstrittener Sponsor für Kunst an Hauswänden: Kritik am Berlin Mural Fest wegen Kooperation mit Deutsche Wohnen

Zum dritten Mal bemalen Künstler bei dem Berliner Streetart-Festival leere Hauswände. In der Szene ist man jedoch nicht erfreut über den Hauptsponsor.

Leere Hausfassaden mit kreativer Straßenkunst befüllen – das will die Künstlertruppe Dixons auch bei der mittlerweile dritten Auflage des Streetart-Festivals „Berlin Mural Fest“.

Nach einer coronabedingten Unterbrechung soll die diesjährige Ausgabe etwas kleiner ausfallen als die ersten beiden Auflagen 2018 und 2019. Erstmals regt sich in diesem Jahr allerdings Kritik in der Szene: Kurz vor dem Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienfirma Deutsche Wohnen ist diese erneut Hauptsponsor des Festivals.

„Wir machen jetzt das, was wir eigentlich letztes Jahr schon machen wollten“, erzählt Kimo von Rekowski, einer der Dixons und Mitbegründer des Mural-Festes, zum Konzept der aktuellen Auflage. „Wir bringen Künstlerinnen und Künstler zusammen, die normalerweise nicht unbedingt zusammen arbeiten würden – und lassen sie ein gemeinsames Kunstwerk kreieren.“

An sechs Wänden in Neukölln, Charlottenburg, Wedding und Kreuzberg soll ab dem 9. August großflächige Kunst entstehen, die auch für die Künstler:innen selbst zum Experiment wird. „Wir wollen, dass die Künstler sich mit dem Kiez und dessen Geschichte auseinandersetzen und etwas kreieren, das nicht ihrer normalen Stilistik entspricht“, sagt Kimo von Rekowski. 

Viele Künstler:innen hätten eine eindeutige Handschrift, einen Stil, an dem ihre Bilder schon von Weitem zu erkennen sind. „Wir wollen ein paar Überraschungen an die Berliner Wände bringen“, sagt Kimo von Rekowski.

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Die Meta-Perspektive auf den Fassadenmaler malte MTO 2018 an der Warschauer Straße in Friedrichshain.
Die Meta-Perspektive auf den Fassadenmaler malte MTO 2018 an der Warschauer Straße in Friedrichshain.

© Promo

Dabei setzt das Festival in diesem Jahr fast ausschließlich auf lokale Künstler:innen wie Anne Bengard, Fix77 und Gita Kurdpoor. Als einzige Ausnahme ist der Schweizer Künstler KKade eingeladen. Man wolle vor allem die Berliner Szene unterstützen, die von Corona schwer getroffen wurde, sagt Kimo von Rekowski. Das Motto: „Home Street Home“.

[Gemalt wird bis Anfang September, die genauen Orte werden nach und nach bekanntgegeben. Weitere Infos zum Festival unter berlinmuralfest.de]

Auch thematisch steht die Stadt im Vordergrund: Eine Fassade in Wedding soll sich mit der historischen Idee aus Kolonialzeiten, hier eine Art Menschenzoo mit Menschen aus Afrika zu gründen, kritisch auseinandersetzen. Eine Neuköllner Wand ist der Künstlerin Anita Berber gewidmet, nach der auch ein Park in der Nachbarschaft benannt wurde. Die Tänzerin und Schauspielerin galt in den 1920ern als „Femme Fatale“, die Drogen konsumierte, in wechselnden Beziehungen lebte und schließlich mit nur 29 Jahren an Tuberkulose verstarb. 

Eine Wand in Charlottenburg wird zum Denkmal an Ben Wagin

Eine Wand in Charlottenburg soll eine Hommage an Ben Wagin werden: Dem prominenten Berliner Künstler, der vor wenigen Tagen verstarb, soll mit einem überlebensgroßen Porträt ein Denkmal gesetzt werden.

Drei Künstler:innen, die am Festival mitwirken wollten, haben ihre Teilnahme mit Verweis auf den Hauptsponsor „Deutsche Wohnen“ abgesagt. In einem offenen Brief kritisieren Künstler:innen und Aktivist:innen aus dem Umfeld der „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“-Kampagne die Zusammenarbeit. 

Das Wandbild von Snik and Nuno Viegas entstand ebenfalls 2018 in der Ostseestraße 18 in Pankow.
Das Wandbild von Snik and Nuno Viegas entstand ebenfalls 2018 in der Ostseestraße 18 in Pankow.

© promo

Der Vorwurf: Statt „Kunst für den Kiez“, so ein Leitspruch des Festivals, zu bringen, würde das Festival der umstrittenen Immobilienfirma dabei helfen, ihr Image in der Öffentlichkeit aufzuhübschen. Die Aktivist:innen sehen darin „Artwashing“, also den Versuch, sich durch die Unterstützung von Kunst reinzuwaschen. 

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„Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es sehr problematisch ist, gerade jetzt zuzulassen, dass die Deutsche Wohnen sich damit schmücken kann, Kultur zu fördern“, sagt eine beteiligte Künstlerin, die sich selbst Rosa Silva nennt. Denn parallel würde die Deutsche Wohnen die Basis dessen zerstören, was die Stadt für Künstler:innen lebbar macht: günstige Mietpreise. „Kunst existiert jedoch nicht in einer Blase jenseits von den gesellschaftlichen Problemen, die uns umgeben“, heißt es in dem offenen Brief. 

Und auch Rosa Silva appelliert an die soziale Verantwortung von Kunst. „Was unsere Kieze zu „einzigartigen Orten“ macht, sind wir, die Menschen, die in ihnen leben, und Street Art hat historisch den Zweck erfüllt, unsere Stimmen zu verstärken. Lasst uns dieses starke Mittel nicht denjenigen überlassen, zu deren Agenda Zwangsräumungen gehören. Lasst uns weiterhin zu unseren eigenen Bedingungen aktiv und präsent sein“, heißt es in dem offenen Brief.

„Vor 20 Jahren hat es niemanden interessiert, welche Wand wir anmalen“

Kimo von Rekowski sagt, er könne verstehen, dass sich einige Künstler:innen mit der Deutsche Wohnen nicht identifizieren könnten. Allerdings wirft er den Kritiker:innen vor, dass sie nicht das Gespräch suchten. „Vor 20 Jahren hat es niemanden interessiert, welche Wand wir anmalen und keiner hat gefragt, wem das Haus gehört“, sagt er. 

[Lesen Sie mehr mit Tagesspiegel Plus: Kunst, Kommerz oder Sachbeschädigung – Wenn Street-Art zu Werbung wird]

Politisch wolle er die Debatte über die Deutsche Wohnen gar nicht bewerten – aber durchaus die Diskussion darüber anregen, wie urbane Kunst künftig dazu beitragen kann, die Stadt zu einem lebenswerteren Ort zu machen. „Ich stehe zu der Zusammenarbeit mit der Deutsche Wohnen“, sagt Kimo von Rekowski – denn nur das Unternehmen würde überhaupt ermöglichen, das Festival zu veranstalten. 

„Kunst soll frei und unabhängig bleiben und die Deutsche Wohnen bietet uns Wände, Honorare und quatscht uns nicht in die Kunst rein. Wenn mir jemand so entgegenkommt, ich damit die Künstler fördern kann und Berlin damit ein bisschen schöner mache, dann bin ich dabei“, sagt er.

Berlin verschönern wollen allerdings auch die Kritiker:innen – und deuten schon einmal an, dass demnächst Fassadenbilder oder Graffiti auftauchen könnten, die sich gegen die Immobilienfirma richten.

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