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Thomas Bestgen, Geschäftsführer der UTB Projekmanagement, 2019 in Berlin.

© DAVIDS/Darmer

Umstrittene Berliner Genossenschaft: Opposition will Unternehmer zur Herausgabe von Akten zur „Diese eG“ zwingen

Der Immobilienentwickler Thomas Bestgen verweigert dem Diese-eG-Untersuchungsausschuss Akten. Das könnte juristische Folgen haben.

Thomas Bestgen ist so etwas wie ein Vorbildunternehmer auf dem Berliner Immobilienmarkt – aus Sicht der Regierungskoalition. Er durfte im März sogar auf dem Parteitag der Berliner Grünen reden und ermutigte die Partei, aktiv in den Wohnungs- und Bodenmarkt einzugreifen. Er sei kein „Gewinnmaximierer“.

Doch wegen seiner Rolle in der Affäre um die mit Millionen-Zuschüssen des Landes gerettete Genossenschaft „Diese“ droht ihm der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses nun mit der Justiz. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreueverdachts beim Entwicklungsprojekt Gartenfeld, bei dem im Spandauer Osten 3700 Wohnungen entstehen sollen. Ermittelt wird gegen „Unbekannt“, sagte eine Sprecherin und bestätigte damit einen „Welt“-Bericht. Es geht aber auch um die Rolle von Bestgen.

Der Untersuchungsausschuss hatte von Bestgen gefordert, alle Akten herauszugeben, die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Diese eG durch Bestgen und seine Unternehmen der UTB-Firmengruppe stehen. Doch Bestgen weigerte sich.

Der Anwalt Johannes Eisenberg teilte dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss Ende Juni mit, dass die Unterlagen der Finanzverwaltung und der Förderbank IBB längst vorlägen. Privatpersonen seien nicht zur Herausgabe von Akten verpflichtet. Die vorliegenden Unterlagen würden außerdem dazu genutzt, den guten Ruf seines Mandanten zu verunglimpfen.

Der Ausschuss will sich damit nicht abfinden. Er hat am Freitag mit den Stimmen der Opposition und bei Enthaltung der Koalition eine Frist beschlossen: Bestgen soll die Akten binnen einer Woche herausgeben. Ansonsten wird der Ausschuss beim Landgericht einen Beschluss zur Beschlagnahme beantragen. Eisenberg war zuvor im Auftrag der Diese eG gegen Äußerungen der Obmänner von CDU und FDP vorgegangen. Der Anwalt hatte eine Unterlassungserklärung verlangt, bestimmte Aussagen etwa zu Mieterhöhungen sollten nicht wiederholt werden.

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Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte 2019 – gegen den Rat der Finanzverwaltung – für mehrere Mietshäuser das kommunale Vorkaufsrecht zugunsten der Diese eG ausgeübt. Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte das Geschäft eingefädelt, nachdem die landeseigenen Wohnungsunternehmen den Aufkauf als unwirtschaftlich abgelehnt hatten.

Der Rechnungshof attestierte Schmidt später pflichtwidriges Verhalten, weil er die Finanzen der Diese eG nicht ausreichend geprüft hatte. Auch der Rechnungshof bekam im Zuge des Prüfverfahrens wegen Schmidt Post von Anwalt Eisenberg.

Bestgen sprang als Retter ein – aber anders als lange vermutet

Die eigens gegründete Genossenschaft war nicht in der Lage, den Aufkauf zu meistern und stand dann vor der Insolvenz. Weil die Genossenschaft selbst für die Rettung nicht die Bedingungen wie etwa genügend Eigenkapital erfüllte, half Bausenator Sebastian Scheel (Linke) nach. 22 Millionen Euro wurden gezahlt.

Für den Untersuchungsausschuss könnten sich aus Bestgens Akten Hinweise darauf ergeben, wie der Bezirk agierte und wie der Senat für die Rettung Sonderkonditionen erdacht hat. Um das für die Rettungsgelder nötige Eigenkapital von 4,4 Millionen Euro nachzuweisen, war Bestgen als Retter eingesprungen – aber anders als lange vermutet.

Laut einer geheim gehaltenen Vereinbarung mit der Genossenschaft gab Bestgen zwar eine Beitritts- und Beteiligungserklärung für 12.000 Anteile ab. Das entsprach einem Zeichnungsbetrag von 1,2 Millionen Euro. Zahlen sollte Bestgen zunächst aber 100 Euro – das entsprach nur einem Genossenschaftsanteil. Der Rest wurde gestundet. Bausenator Scheel und die Finanzverwaltung akzeptierten statt konkreter Gelder die Anteilszeichnung. Wie berichtet soll Bestgen dem Vernehmen nach inzwischen weitere 500.000 Euro gezahlt haben.

Bestgen hatte den Vorwurf der Untreue zurückgewiesen

Bei dem Spandauer Projekt „Neues Gartenfeld“ ermittelt die Staatsanwaltschaft, nachdem die Arbeitsgemeinschaft verschiedener Unternehmen, die das Quartier gemeinsam entwickeln, eine Million Euro an Bestgens UTB ausgezahlt hatte. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Strafanzeige gegen Bestgen und eine Vonovia-Managerin wegen überhöhter Rechnungen. Die „Welt“ hatte mehrfach über den Fall berichtet.

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Bestgen hatte den Untreuevorwurf zurückgewiesen. An der Arbeitsgemeinschaft ist auch das landeseigene Wohnungsunternehmen Gewobag beteiligt – aber auch Bestgens UTB und eine Tochter des Wohnungskonzerns Vonovia. Jener Konzern, der die Deutsche Wohnen und damit 90 000 weitere Wohnungen in Berlin übernehmen, die Grunderwerbssteuer von einer Milliarde Euro dabei aber umgehen will.

Die eine Million Euro der Gartenfeld-Arbeitsgemeinschaft soll im April 2020 für Dienstleistungen an Bestgens Firma geflossen sein. Die Gewobag hatte der Zahlung widersprochen, wurde jedoch überstimmt – mit einer Mehrheit von knapp 65 Prozent. Nach Ansicht der Gewobag wären 75 Prozent nötig gewesen.

Darüber gibt es Streit, die Gewobag fordert die „Überzahlung“ an Bestgens UTB zurück, die Landesfirma und eine Partnerfirma beklagen eine Kostenexplosion. Die Gegenseite sieht das anders. Sollte der Konflikt anhalten, die Projektgruppe sogar platzen, drohe beim Wohnungsbau ein Verzug von bis zu fünf Jahren, heißt es.

Nachtrag: Das Landgericht Berlin hat den Ausschuss mit Schreiben vom 5. August 2021 hingewiesen, dass es voraussichtlich den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses zurückweisen wird. Es sei unklar, inwieweit  es sich bei den angeforderten Unterlagen um Beweismittel handeln könnte; noch sei ersichtlich, aus welchen Gründen die Unterlagen herausverlangt werden und es beständen weitere rechtliche Zweifel am Ziel und der Zulässigkeit des Antrags. Dem Verlangen stehe entgegen, dass der Ausschuss nie versucht habe, Herrn Bestgen als Zeugen zu hören, was sich aufgedrängt hätte. Der Ausschuss hat mit Schreiben vom 10. August 2021 unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsposition den Antrag zurückgenommen. Die Beweisaufnahme wurde somit abgeschlossen,, damit der Abschlussbericht noch vor Ende der Legislaturperiode verfasst werden kann. Die Redaktion

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