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Endlich wieder Fahrradsaison! Wenn das Rad nicht zusammengeschlossen wird.

© Thomas Warnack/dpa

Umgang mit Rädern in Berlin: Respektiert mein Fahrrad, ihr Fahrradsattelschutzhüllen-Klauer!

Geklaute Sattelschutzhüllen, vollgemüllte Fahrradkörbe, verbogene Speichen: Belanglose Delikte? Nein! Sie sind das Symptom eines größeren Ärgernisses.

Es kommt der Frühling, es kommt die Fahrradzeit. Aber auch dieser Frühling wird nicht regenfrei sein. Kein Problem: Gegen den Regen habe ich für mich selbst eine Regenjacke und für mein Fahrrad eine Sattelschutzhülle. Man mag das für spießig halten, auch für umständlich. Sei’s drum. Aber wenn ich nach dem Frühlingsregen aufs Rad steige, habe ich lieber einen trockenen Hintern als einen nassen Hintern.

Und dann kommt ihr, ihr Fahrradsattelschutzhüllen-Klauer! Warum klaut ihr so was?

Fahrradsattelschutzhüllen kosten nichts, meist bekommt man sie geschenkt. Als Objekt der Beschaffungskriminalität taugen sie also nichts. Für den Gegenwert der Fahrradsattelschutzhülle, die mir vor Kurzem entwendet wurde, bekommt man auf dem Schwarzmarkt nicht mal einen Joint! Das muss man sich mal vorstellen: Ein Fahrradsattelschutzhüllen-Klauer bietet im Görlitzer Park dem Dealer seines Vertrauens eine Fahrradsattelschutzhülle an zur Bezahlung. Was bekommt er dafür? Möglicherweise eins aufs Maul. Und das zu Recht.

Es geht also nicht ums Geld, der Diebstahl einer Sattelschutzhülle mag wie ein belangloses Delikt wirken. Er ist aber das Symptom einer grundlegenden Einstellung in Berlin, die ein echtes Ärgernis ist: der Respektlosigkeit gegenüber den Rädern der anderen.

Der Fahrradkorb wird zugemüllt

Ihr Fahrradsattelschutzhüllen-Klauer seid mit Sicherheit dieselben, die auch sonst die Räder ihrer Mitmenschen misshandeln. Ab und an benutze ich auf meinem Rad auch einen Fahrradkorb. Man mag das für spießig halten, auch für umständlich, siehe oben. Wenn ich aber früher nach dem Markttag nach Hause geradelt bin, dann baumelten die Einkaufstaschen sehr ungalant am Fahrradlenker. Also habe ich einen Korb angeschafft. Aber wenn ich dann mit all den Taschen vom Markt komme? Ist der Fahrradkorb zugemüllt.

Ich verstehe nicht, was im Kopf eines Fahrradsattelschutzhüllen-Klauers vorgeht. Und auch nicht im Kopf eines Menschen, der seine zerknüllte Zigarettenpackung oder ein gebrauchtes Tempo-Taschentuch in einen Fahrradkorb wirft. Meine Vermutung: Nichts geht in diesem Kopf rum, absolut nichts. Neben der Stelle, an der ich mein Rad am Markttag parke, hängt in zwei Meter Entfernung ein orangener Mülleimer. Seid ihr nicht nur blöd, sondern auch blind?

Mein Fahrrad steht meist im öffentlichen Raum, deswegen ist es aber noch lange kein öffentlicher Gegenstand, kein Selbstbedienungsladen und auch keine Müllkippe. Sondern Privatbesitz. Fahrräder haben auch nicht nur einen materiellen Wert, wie viele Menschen habe ich auch zu meinem Rad eine emotionale, ja liebevolle Beziehung. Ich besitze kein Auto, mein Fahrrad trägt mich überallhin. Als Gegenleistung trage ich es abends hoch in meine Wohnung, damit es mir nicht wie seine Vorgänger gestohlen wird. Und weil ich mein Fahrrad eben liebe, ist es so schmerzhaft, es seiner Sattelschutzhülle beraubt und mit vollgemülltem Korb vorzufinden.

Manchmal kommt man in Berlin nicht einmal an sein eigenes Fahrrad heran – oder findet es mit verbogenen Speichen wieder. Es gibt nämlich Menschen, die stellen ihr Rad einfach dahin, wo es gerade passt, ohne Rücksicht. Einmal war mein Rad sogar per Schloss mit einem Fremdrad verbunden. Gut, vermutlich ein Versehen, aber wie ignorant muss man sein, um zu übersehen, dass man sein Rad mit einem anderen Rad zusammenschließt?

Ein eigentlich schöner Fahrradtag läuft also bisweilen so ab: Abfahrt zum Markt bei Bewölkung, Abstellen und Anschließen des Rades, Fahrradsattelschutzhülle aufziehen, einkaufen, inzwischen hat die Bewölkung beschlossen sich abzuregnen, zurückkommen, der Korb ist mit Müll gefüllt, das Rad zusammengekettet mit irgendeinem anderen Trottelrad, warten, warten, warten, in der Zwischenzeit den Müll dahin bringen, wo er hingehört, die Entschuldigung anhören für den versehentlichen Einschluss, das Rad aus der fünften Reihe heben, die Fahrradsattelschutzhülle ist geklaut, mit nassem Hintern heimfahren.

Fahrradfahren im Frühling könnte so schön sein, wenn man mein Rad mit Respekt behandeln würde. Mein Rad steht im öffentlichen Raum, deswegen ist es aber noch lange kein öffentlicher Gegenstand.

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