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Bis 2022 soll die A10, hier am Autobahndreieck Potsdam, umgebaut werden.

© Enrico Bellin

Umbauarbeiten nördlich von Berlin: Streit um Ausbau der Autobahn nach Hamburg

Seit 2018 wird die Autobahn vom Dreieck Pankow bis nach Neuruppin ausgebaut. Das provozierte Protest. Nun sehen sich Kritiker durch ein Gutachten bestätigt.

Sie gehören zu den meistbefahrenen Strecken in der Hauptstadtregion – die A10 mit dem nördliche Berliner Ring und die A24 in Richtung Hamburg. Besonders in den Stoßzeiten im Berufsverkehr aber auch in den Ferien, wenn die Familien in Richtung Ostsee fahren oder wie an diesem Wochenende zurückkehren, ist die Autobahn übervoll: Stau ist Standard. Der Verkehr braucht mehr Platz, bis 2022 wird die Strecke aus- und umgebaut. Doch ob das ausreicht, darüber gibt es Streit.

Anfang Juli 2018 hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit einem symbolischen Spatenstich den Ausbau der 65 Kilometer langen Strecke vom Dreieck Pankow bis zur Anschlussstelle Neuruppin gestartet. „Die Region bekommt ein Mega-Infrastruktur-Upgrade“, hatte Scheuer gesagt. Doch begeistern konnte er nicht alle, im Gegenteil. Der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Ralf Reinhardt (SPD), legte schon damals Protest ein: Denn entgegen dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2011 wird nur die Strecke zwischen Pankow und Kremmen von vier auf sechs Spuren ausgebaut, zwischen Kremmen und Neuruppin bleibt es bei vier Spuren.

Scheuers Sparvariante statt sechs Spuren

Reinhardt hatte kritisiert, dass der sechsspurige Ausbau bis Neuruppin über Jahre geplant gewesen sowie mit Behörden und Anwohnern besprochen worden sei. Doch nun bekomme die Region einfach eine Sparvariante von Scheuer aufgebrummt. Jetzt sieht sich der Landrat durch ein neues Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages bestätigt. Darin wird die „Bindungswirkung von Planfeststellungsbeschlüssen“ bei Bundesfernstraßen erörtert. Das Ergebnis: Der Bauherr muss das mit den Plänen genehmigte Projekt nicht umsetzen – aber wenn er baut, „muss er es gemäß den Vorgaben des Beschlusses durchführen“.

Das Bundesverkehrsministerium hat das Kurzgutachten erst am Donnerstag erhalten. Es werde jetzt geprüft, hieß es. Bereits 2018 hatte das Ministerium erklärt, dass der Bund nicht an den Planfeststellungssbeschluss gebunden sei. Doch an diesen Beschluss sei der Bund nicht gebunden, das erteilte Baurecht sei nicht als Baupflicht misszuverstehen.

Der Bund argumentiert mit Zahlen: Sechs Spuren gibt es erst ab 60 000 Fahrzeugen pro Tag. Bis zum Jahr 2030 werden für die Strecke aber 45 000 Wagen pro Tag prognostiziert, an Spitzentagen können es deutlich mehr sein, laut ADAC 87 000. Die Planer hatten deshalb und wegen des starken Lkw-Verkehrs sechs Spuren vorgesehen. Doch der Bund setzte sich darüber hinweg: statt einer breiteren Autobahn wird ab Kremmen die alte saniert. Das Vorhaben ist das erste Projekt einer neuer Generation von „öffentlich-privater Partnerschaft“: Der Bund zahlt 1,4 Milliarden Euro, ein Konsortium baut und muss die Strecke 30 Jahre lang betreiben und erhalten. Die Zahlungen richten sich danach, wie verfügbar die Autobahn ist.

Experten gehen von zunehmendem Verkehrsaufkommen aus

Volker Krane, Verkehrsvorstand des ADAC Berlin-Brandenburg, nennt Scheuers Eingriff einen Skandal: Es gehe um die Hauptverkehrsader zwischen Hamburg und Berlin für Wirtschaft und Tourismus. Die Experten seien sich einig, dass das Verkehrsaufkommen in Zukunft noch weiter zunehmen werde. Der Bund hingegen prognostiziere hingegen einen Rückgang. „Die Verkehrszahlen des Bundesverkehrsministeriums erscheinen uns nicht überzeugend. Insbesondere an Wochenenden ist die Autobahn regelmäßig stark überlastet“, sagte Volker Krane. Baulich sei ein sechsstreifiger Ausbau weiter möglich, Scheuer müsse „schleunigst aktiv werden und die ursprüngliche Planung wieder angehen.“

Brandenburgs Verkehrsministerium hält sich zurück. Der Ausbau sei wichtig, um die Strecke „leistungsfähig zu erhalten und dem prognostizierten wachsenden Verkehr anzupassen.“ Der Neuruppiner Bundestagsabgeordneten Sebastian Steineke hält die Debatte ohnehin für verfehlt. Seit 2015 sei bekannt, dass der Bund auf dem nördlichen Abschnitt nur vier statt sechs Spuren will. Doch die Unterstützung aus der Region und vom Land für die breite Variante sei gering gewesen. Zumindest hätte er es geschafft, sagte Steineke, dass zwischen Kremmen und Neuruppin eine Behelfsspur kommt: Bei Bedarf darf auch die Standspur befahren werden. Statt jetzt durch erneute Umplanung „alte Kämpfe auszutragen“ und einen Baustopp zu riskieren, sollte nun für die Sanierung der A24 von Neuruppin zum Dreieck Wittstock samt neuer Behelfsspur gekämpft werden.

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