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Die Sumatra-Tiger-Vierlinge mit ihrer Mama Mayang im Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin-Friedrichsfelde: Auf Safari mit dem Tierpark-Chef

Tierisch gute Ideen: Der Tierpark-Umbau ist ein Megaprojekt – und kommt gut voran. Zoodirektor Andreas Knieriem zeigt die Veränderungen.

Jetzt kommt ein Aha-Erlebnis: Im Alfred-Brehm-Haus, da war an der Längsseite früher dieses enge Felsenareal, auf dem Raubkatzen hin und her tigerten. Jetzt manövrieren auf dem Gelände mit neuen Kletterbäumen, Naturgrund und Sichtscheiben kleine Baumaschinen hin und her – der große Schutzgraben ist aufgefüllt. Und bietet dadurch viel mehr artgerechten Platz für die neuen Bewohner, die Malaienbären. Tina und Johannes hocken noch in ihrem alten Zuhause, einer alten Baracke, und ahnen noch nichts von ihrem Glück: von 180 auf 1000 Quadratmetern in ein paar Monaten.

Alles wird neu im Tierpark, da läuft das enorme Millionen-Umbauprogramm im fünftgrößten Zoounternehmen der Welt, zumeist bei laufendem Betrieb. „Eine Lebensaufgabe“, wie Zoo-, Aquariums- und Tierpark-Direktor Andreas Knieriem sagt. Derzeit sind es zehn Baustellen parallel – los geht es auf Erneuerungssafari.

Die Geschäftsführung und das Mitarbeiterteam müssen angesichts unerwarteter Hinterlassenschaften aus alten Zeiten mit kleineren und größeren Katastrophen umgehen: unerwartet instabiler Beton hinter der Fassade, Schimmel in der Schlangenfarm, ölummantelte Starkstromkabel in der Erde, noch ältere Technik als ohnehin gedacht, und so weiter.

Und dann gibt es noch Überraschungen mit Unterhaltungseffekt für die Berliner, aber Sorgenfalten für die Tierpfleger. Jüngst nutzten die Gelbbrust-Kappuzineräffchen eine Lücke im neuen Gehege und hingen wortwörtlich an einer Markise der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) auf dem Campus Lichtenberg mal so richtig ab. Die Fahndung mit Bananen inklusive Schlafmittel läuft.

Artgerechteres Leben für Tiere und zeitgemäßes Erlebnis für Besucher

Kommt aber in den besten Zoos vor, Artgenosse Gizmo war in Schwerin ausgebüchst, im Zoo zog Brillenbär Juan vor 15 Jahren den Spielplatz mit Rutsche dem Freigehege vor. Grundsätzlich ist der immer wieder adaptierte Masterplan Tierpark dazu da, das Leben für die Zootiere artgerechter und das Tierparkerlebnis für die Besucher zeitgemäßer zu machen.

Beispiel Raubtierhaus, drinnen so groß wie die Staatsoper, größtes Projekt, Vorhängeschloss beiseite, mit Knieriem rein ins Innere. Der rund 5300 Quadratmeter große Bau war 1963 errichtet worden, von Vorgänger Bernhard Blaszkiewitz mal zwischenneueröffnet, jetzt soll er ein modernes Regenwaldhaus werden.

Das Raubtierhaus war vom bekannten Architekten Heinz Graffunder entworfen worden und steht unter Denkmalschutz. Ein historisches Erbe, Freude – und Fluch. Zum Beispiel, dass manche der so gar nicht tiergerechten Gehege-Fliesen bleiben müssen. Seit dem 29. Mai 2018 ist das Bauteam rund um die Architekten von dan pearlman und SKP in Friedrichsfelde aktiv. Fünf Architekten sind jetzt insgesamt für den Tierpark beschäftigt, der fünfmal so groß ist wie der Zoo.

Nach dem Umbau in diesem Jahr können die Besucher bedrohte Tierarten aus den tropischen Regenwäldern Südostasiens betrachten: Als Botschafter für den Artenschutz die Königskobra, dann die Sumatra-Tiger Harfan und Mayang, deren Vierlinge gerade draußen herzallerliebst herumtollen.

Der Bauwirbel mache den Tieren nichts, und wem doch, der werde natürlich verlegt. Im Tierpark gilt gerade: Qualität statt Quantität, sagt Andreas Knieriem. Viele Tiere sind schon bis nach Chile abgegeben, zugunsten derer, die sich auf mehr Platz wohler fühlen, agiler zeigen.

Und es kommen neue, als Botschafter gefährdeter Arten. „Ich freue mich auf die Goodfellow-Baumkängurus“, sagt Reviertierpflegerin Grit Vogt am Bauzaun. Diese sind stark bedroht – und lustig zu beobachten. 2015 lebten noch 19 Raubtierarten, also Groß-, Klein- und Schleichkatzen mit 54 Individuen im Haus. Nach dem Umbau werden es acht Raubtierarten mit 25 Tieren sein. Knieriem: „Zu viele Tiere auf zu engem Raum gibt es mit mir nicht.“ Klare Ansage.

"Energieverbrauch bei Strom und Gas auf die Hälfte gesenkt"

Weiter geht es mit dem Verwaltungs-Elektromobil, bei den Wegen im größten Landschaftstierparks Europas „reden wir fast von Marathondimensionen“. Segway-Touren liefen trotzdem nicht. So fährt jetzt auch über Winter an den Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien der Rundumelektrozug. Bollerwagen helfen gegen Kinderbeinemüdigkeit, und zur Orientierung bekommt jeder am Eingang einen Tierpark-Plan.

Thema Nachhaltigkeit? Knieriem: „Wir haben durch Modernisierung und Einsparungen den Energieverbrauch bei Strom und Gas auf die Hälfte gesenkt.“ Im Krokodilhaus etwa brannte das Licht ewig. Wie in den dauerstrahlenden Parkhäusern des BER.

Jede Menge Arbeit. Im Alfred-Brehm-Haus können die Besucher nach Ende der Bauarbeiten in die tropische Welt südostasiatischer Inseln eintauchen, Sumatra-Tiger und Java-Leopard beobachten. Dazu gibt es unterhaltsame Infos zum Artenschutz.
Jede Menge Arbeit. Im Alfred-Brehm-Haus können die Besucher nach Ende der Bauarbeiten in die tropische Welt südostasiatischer Inseln eintauchen, Sumatra-Tiger und Java-Leopard beobachten. Dazu gibt es unterhaltsame Infos zum Artenschutz.

© Kitty-Kleist Heinrich

Geld akquiriert der Direktor bei Abendterminen und über den bürokratischen Weg. Finanziert wird der Umbau des Alfred-Brehm-Hauses aus diversen Budgets, 8,2 Millionen Euro sind es derzeit. Den größten Anteil trägt das Land Berlin mit 4,1 Millionen Euro, die Lottostiftung beteiligt sich mit etwa 3,6 Millionen Euro. Die Gemeinschaft der Förderer von Zoo und Tierpark Berlin gibt 475.000 Euro. Erbschaften von Privatpersonen spielen eine wichtige Rolle.

Ausstellung im Affenhaus informiert über Habitatverlust

Die erste Untersuchung des Eisbärmädchens wollte Knieriem an sich den Kollegen überlassen, delegieren kann und mag er, andere können vieles besser, sagt er. Aber bei der Kleinen, die vielleicht Hertha heißen wird, war er dann doch persönlich dabei. Knieriem erinnert sich noch gut an eine Tierpflegerin mit Orang-Utan-Handaufzuchten, bei der er früher oft war.

„Kleine Affen und auch kleine Kinder haben ja diese wunderbaren Wimpern.“ Und junge Orangs seien anders als Gorillas „so sanft, die popeln geduldig an einer Uhr – und schon ist sie auf“. Aber jede natürliche Aufzucht durchs Muttertier ist ihm lieber als eine durch den Menschen. Der pfusche schon genügend überall rein. „Debatten um Klimawandel durch Treibhausgasausstoß sind das eine“, sagt er, „aber der Habitatverlust durch den Menschen, der Millionen Quadratkilometer Regenwald abholzt“, das sei ebenso schlimm.

Dazu informiert die neue „#Abenteuer Artenschutz“-Ausstellung im sanierten Affenhaus. Da können Kinder und Erwachsene Memorykarten und hologrammähnliche Tafeln umlegen, etwa zu illegalem Wildtierhandel und Produkten, zu Plastikmüll als Lebewesenkiller. Im Tierpark lebt, zum Glück, das putzige Panzernashornjunge Karl.

Dazu gibt es Tipps zum eigenen Verhalten, und bei all den deprimierenden Aussichten für die freie Natur erfreuen die putzigen Affen in den jetzt naturnah und beschäftigungsreich gestalteten Anlagen, wie Dschelada oder Silberäffchen, die in Natura Gummi aus dem Baum saugen. Echte Forscherkisten kann man sehen und interaktiv durchs Java-Leopard-Zuchtbuch blättern. Nils Frankenfeld und Kollegen schnippeln 50 Kilo Gemüse und Obst täglich.

Die Optik des Tierparks mit seinen künftigen Kontinente-Zonen wird immer safariähnlicher, gewundene Holzzäune mit Seilen wie jetzt bei den Hyänen grenzen naturnah ab, statt dass der Blick durch die immer gleichen grünen Gitter aus alten Tierparkzeiten fällt.

Greifvogelshow „besser als Konzerte"

Das frühere Wohnhaus von Vorgänger Bernhard Blaszkiewitz inklusive riesigem Garten ist jetzt Sitz der Tierparkschule mit abgeordneten Pädagogen der Senatsbildungsverwaltung. Im Verwaltungstrakt aus DDR-Zeiten, der bald ebenfalls energiesaniert und generalüberholt eröffnet, gibt es dann moderne Aufenthaltsräume für die – hoch motivierten – Tierparkmitarbeiter. Immerhin war die historische Kulisse noch für Filmaufnahmen gefragt. Arbeitsschutz, Säugetiergutachten, Genehmigungen, auch das seien inzwischen wichtige Themen.

Sprecherin Christiane Reiss betont beim Vorbeirollen am Atrium für die Greifvogelshow: „Das können wir besser als Konzerte.“ Die Zahl der Besucher? Ist seit Knieriems Amtsantritt auf 1,5 Millionen im Jahr um rund die Hälfte gestiegen. Es gebe „vernünftige Wirtschaftsergebnisse, wir verdienen Geld“, die Giftmüllhaufen sind abtransportiert.

Der Chef: Andreas Knieriem, Direktor seit April 2014, im neuen Affenhaus.
Der Chef: Andreas Knieriem, Direktor seit April 2014, im neuen Affenhaus.

© Kitty Kleist-Heinrich

Viele Berliner werden die – zu eng – gehaltenen asiatischen Elefanten vermissen. Sie verlassen den Tierpark, darunter auch Edgar, tierisches Neujahrsbaby des Jahres 2016. Nur die afrikanischen Elefanten bleiben, als Teil einer künftigen Afrika-Landschaft. Auch hier gilt: Arterhaltung und Arbeitsschutz an erster Stelle, und Edgar und Co. kommen in gute Hände. Also alles schick? Na klar. Dem Direktor fehlt nur der Kontakt zum Tier. Dafür haben seine Frau und er nun einen Hund. Mit dem kann er auch im Tierpark Gassi gehen.

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