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In manchen Schulen rücken auch Schüler und Eltern an, um für mehr Sauberkeit zu sorgen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Überforderte Reinigungskräfte: Hilfe für Berlins Schmuddel-Schulen

Ein Bürgerbegehren will die Reinigung von Schulen rekommunalisieren. Diese Woche startet es in Neukölln. Es gibt aber auch andere Lösungen.

Verstaubte Regale, verdreckte Toiletten, Schmutzstreifen in Fluren, an Türen und auf Fensterbänken, schmierige Spielecken, überquellende Mülleimer, dürftig gesaugte Teppiche: So sieht es an Schmuddel-Schulen aus – und davon gibt es in Berlin offenbar noch immer jede Menge. Es gibt aber auch schon Lichtblicke in dieser Misere und vielversprechende Pilotprojekte in einigen Bezirken. Doch bisher, wie es aussieht, noch nicht in Neukölln.

Deshalb startet die Bürgerinitiative „Schule in Not“ dort nun ein Bürgerbegehren mit zwei Zielen: Zum einen geht es um mehr Sauberkeit, zum anderen um bessere Arbeitsbedingungen für die oftmals schlecht bezahlten, prekär beschäftigten und unter hohem Druck arbeitenden Reinigungskräfte der engagierten externen Putzfirmen.

Die Initiative will mit ihrem Bürgerbegehren „eine Rekommunalisierung der Schulreinigung“ durchsetzen. Die Reinigungskräfte sollen wieder fest beim Bezirksamt angestellt werden und dadurch bessere Arbeitsbedingungen erhalten. Ab Dienstag will die Initiative sechs Monate lang Unterschriften für das Bürgerbegehren „Saubere Schulen“ sammeln. Mindestens drei Prozent der wahlberechtigen Neuköllner – das sind 7000 Personen – müssen im ersten Durchgang unterschreiben.

Gelingt dies, muss sich anschließend die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit dem Begehren beschäftigen. Falls sie die Forderungen nicht übernimmt, kommt es zum Bürgerentscheid. Das Anliegen ist angenommen und hat die Wirkung eines BVV-Beschlusses, wenn es mindestens zehn Prozent der Neuköllner Wahlberechtigten unterstützen.

Auftragsvergabe an externe Reinigungsfirmen

Zuverlässiges Wischen, Saugen, Abstauben und Desinfizieren – was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, scheitert bislang noch häufig an der Art und Weise der Auftragsvergabe an externe Reinigungsfirmen. Ob sich das leidige Problem durch bessere Vergabemethoden lösen lässt und dadurch auch die teilweise Ausbeutung der überforderten Putzkräfte gestoppt werden kann, ist allerdings umstritten.

Die Neuköllner Initiative hält den Staat offenbar grundsätzlich für einen besseren Arbeitgeber und Putzdienstleister. Deshalb setzten ihre Aktivisten auf eine Vergesellschaftung, wie sie derzeit auch bundesweit seit dem heftig umstrittenen Vorstoß von Jusochef Kevin Kühnert diskutiert wird.

Doch wie funktioniert die Auftragsvergabe bislang in der Regel? Grundsätzlich zuständig sind die Bezirke, weil sie sich als Träger der Schulgebäude um deren Unterhaltung und somit auch um die Reinigung kümmern müssen. Wird nun eine Schule zur Reinigung ausgeschrieben, muss sich der jeweilige Bezirk an die Landeshaushaltsordnung halten. Die Krux dabei ist: Deren Verfasser dachten vor allem ans Sparen, weniger an die Qualität. Nach ihrer Vorgabe muss jeweils die Firma mit dem finanziell günstigsten Angebot den Zuschlag erhalten.

In der Praxis wählen die Bezirksämter folglich Billigfirmen, es kommt zu Unterbietungswettbewerben und Dumpingpreisen, zu denen gar nicht sorgfältig geputzt werden kann. „Darunter leiden dann wiederum die Reinigungskräfte am meisten, da sie innerhalb kurzer Zeit große Flächen säubern müssten“, argumentieren die Initiatoren des Neuköllner Bürgerbegehrens.

Ähnliche Klagen hört man auch aus anderen Bezirken. Bei Beschwerden müssten die Reiniger freiwillig Überstunden machen. Oder Familienangehörige würden mithelfen, um das geforderte Pensum zu bewältigen, heißt es.

Es gibt zwar seit 2009 einen Musterhygieneplan für Schulen des Landes Berlin, der wiederum auf entsprechenden bundesweiten Standards beruht. Aber in Berlin ist dieser nicht wie in anderen Bundesländern verbindlich. Die Leistungsbeschreibungen in den Verträgen können davon abweichen.

Schulen sollten selbstständig Putzfirmen aussuchen

Deshalb fordern der Landeselternausschuss sowie Lehrer und Schulleiter schon seit langem berlinweite verbindliche Musterausschreibungen mit eindeutigen Qualitätskriterien und Fixpreisen für bestimmte Leistungen. Von interessierten Firmen sollte man auch fordern, dass sie gleich ein überzeugendes Putzkonzept einreichen, heißt es.

Dies würde unseriösen Unternehmen den Zugang erschweren. Und schließlich wäre es aus Sicht vieler Eltern und Lehrer am besten, wenn sich jede Schule selbstständig die passende Putzfirma aussuchen könnte. Denn vor Ort sind die speziellen Herausforderungen am besten bekannt.

Ein koordiniertes Vorgehen mit landesweit verbindlichen Putzvorgaben scheitert aber bis jetzt an den unübersichtlichen bezirklichen Zuständigkeiten. „Die angelegten Maßstäbe sind von Bezirk zu Bezirk recht unterschiedlich“, sagt Oliver Görs vom Landeselternausschuss. Bisher habe die Senatsschulverwaltung berlinweite Absprachen abgelehnt, man wollte den Bezirken nicht in ihre Selbstständigkeit hineinreden.

Alternativ fordert nun Görs, die zwölf Bezirke sollten sich endlich untereinander in Sachen Schulsauberkeit zusammentun. In diesem Sinne appelliert er an den Rat der Bezirksbürgermeister. Dieser sollte die Initiative ergreifen und Musterausschreibungen auf den Weg bringen, die für alle gültig sind. Sollte dies nicht gelingen, sieht Görs letztlich den Senat in der Pflicht. Auch beim Schulessen gebe es ja landesweite Qualitätskriterien.

Bezirke preschen allein vor

Einzelne Bezirke sind allerdings in jüngster Zeit schon alleine vorgeprescht. Sie seien mit Pilotprojekten und strikteren Ausschreibungen bereits „auf einem guten, vorbildlichen Weg“ zu propperen Schulen, sagt der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise.

Als Beispiele nennte er Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. In beiden Bezirken gibt es seit 2018 das Modell der sogenannten „Tagesreinigung“, was bedeutet: Putztrupps sind nicht nur jeweils früh oder spät aktiv, sondern zusätzlich tagsüber, etwa um die Mittagszeit. Das sei sinnvoll, erklärt Heise, weil die schlimmsten Verschmutzungen ja in der Hauptunterrichtszeit verursacht würden. In Marzahn-Hellersdorf sind derzeit fünf Schulen an diesem Pilotprojekt beteiligt, in Treptow-Köpenick wird es schon weitgehend flächendeckend verwirklicht. Das geht aber nur mit Sonderzuschüssen.

Letztlich könne man niemandem die Schuld am Dreck alleine zuschieben, alle seien gefordert – auch Rektoren, Lehrer und Schüler, meint Norman Heise. Ob externe Reinigungsfirmen weiterhin die Ultima ratio sind oder man wieder direkt beim Bezirk angestellte Putzkräfte einsetzen sollte, dazu hat der Landeselternausschuss noch nicht Position bezogen.

Die Neuköllner Aktivisten halten hingegen an der Rekommunalisierung fest. „Wir rennen damit offene Türen ein“, sagt Initiator Philipp Dehne. Am 16. Mai ist eine Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln geplant. Sie wird von Elternvertretern etlicher Schulen unterstützt.

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