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Pflastersteine markieren die Stelle, wo zu DDR-Zeiten die Berliner Mauer stand.

© dpa

Exklusiv

Über Alex, Pariser Platz und Tempelhofer Feld: Berliner Radwegenetz soll großflächig durch Fußgängerbereiche führen

Der Entwurf des Radwegenetzes sieht fast 1000 Kilometer neue „Radvorrangrouten“ in Berlin vor – auch über historische Plätze und auf 63 Kilometern durch Parks.

Von Christian Hönicke

Berlins neue Radrouten könnten in größerem Ausmaß durch geschützte Grünanlagen und Fußgängerbereiche geführt werden. Das geht aus dem ersten Entwurf für das Berliner Radverkehrsnetz hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Dieser sieht neue Fahrradrouten auf insgesamt 63 Kilometern durch geschützte Grünanlagen und auf 17 Kilometern durch Waldgebiete vor.

Außerdem sind Radstrecken durch denkmalgeschützte Bereiche und reine Fußgängerzonen angedacht, etwa durch das Brandenburger Tor und über den Pariser Platz, den Alexanderplatz und den Bebelplatz, den Invalidenfriedhof, den Vorplatz des Schlosses Schönhausen, den Schlosspark Charlottenburg, die Altstadt Köpenick und die Wilmersdorfer Straße.

Der Entwurf stammt vom Verkehrsplaner Michael Haase, der von der Senatsverkehrsverwaltung beauftragt wurde. Der Plan wurde am 24. September während der Präsentation „Radverkehrsnetze und Qualitätsstandards“ im Rahmen des „Workshops Radverkehrsplan“ vorgestellt. Der „1. Netzentwurf“ umfasst insgesamt 2333 Kilometer neu zu schaffende Fahrradverbindungen in Berlin.

Die Senatsverkehrsverwaltung wollte sich zum Netzentwurf nicht konkret äußern. Details könne man „noch nicht nennen, weil die aktuellen Zwischenstände verständlicherweise vertraulich zu behandeln sind“, sagte Sprecher Jan Thomsen. Man befände sich beim Radverkehrsplan „mitten in der Verbändebeteiligung, die Rückmeldungen der Mobilitäts- und Umweltorganisationen laufen jetzt erst ein“. Das heißt, sie müssen „noch geprüft, bewertet, berücksichtigt werden“.

Der finale Entwurf des Radverkehrsplans mitsamt des Radverkehrsnetzes soll laut Thomsen Ende des Jahres vorliegen: „Dann kommt der Mitzeichnungsprozess für den Senat, ein Senatsbeschluss ist im ersten Quartal 2021 geplant.“

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Kernpunkt des Entwurfs ist das darin vorgestellte „Radvorrangnetz“ mit „für den Radverkehr besonders wichtigen Verbindungen, insbesondere Verbindungen von gesamtstädtischer Bedeutung“. Der größte Teil dieses Vorrangnetzes soll dabei durch mindestens 2,50 Meter breite Radstreifen angelegt werden. Dabei soll „dem Radverkehr als Teil des Umweltverbundes Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden“ – etwa bei Ampelschaltungen. Das Vorrangnetz soll inklusive der etwa 100 Kilometer Radschnellverbindungen insgesamt etwa 920 Kilometer umfassen.

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Scharfe Kritik von Fußgängerverbänden

Dabei räumt der von der Verkehrsverwaltung beauftragte Dresdner Planer Michael Haase ein, dass insbesondere die Führung durch Fußgängerbereiche konfliktbehaftet sei. Sein Plan sieht auch Trassen in vielen geschützten Grünanlagen vor. Darunter sind:

  • der Große Tiergarten,
  • der Fritz-Schloß-Park,
  • die Hasenheide,
  • das Tempelhofer Feld,
  • der Görlitzer Park,
  • der Gleisdreieckpark,
  • der Treptower Park,
  • der Volkspark Wilmersdorf,
  • der Mauerpark,
  • der Schlosspark Schönhausen,
  • der Park am Weißen See,
  • die Jungfernheide,
  • der Springpfuhlpark in Marzahn
  • und der Bäkepark in Steglitz.

Bereits bei der Planung der Radschnellverbindungen hat die landeseigene Infravelo auch die Führung durch Parks vorgesehen. Entsprechende Teilstücke sollen als Grünanlagen entwidmet und zu Verkehrsflächen umgewandelt werden.

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Vertreter von Fußgängerverbänden haben an diesen Plänen bereits scharfe Kritik geübt. „Die Radschnellwege sind mit dem Berliner Grünanlagengesetz nicht vereinbar“, sagt Roland Stimpel, Vorstand des Vereins Fuss. Der Radfahr-Club ADFC begrüßt eine Streckenführung durch Grünanlagen prinzipiell, weist jedoch ebenfalls auf mögliche Konflikte mit Fußgängern hin. Es sei daher wichtig, „Fußverkehr und Radverkehr voneinander zu separieren, um Konflikte und Unfälle zu vermeiden. Das sollten die Behörden auch rechtlich klären.“

Verkehrsverwaltung bestätigt mögliche Konflikte

Der Entwurf des Radvorrangnetzes dringt nun noch weiter in bisher allein Fußgängern vorbehaltene Räume vor. Darunter sind verkehrsberuhigte Bereiche:

  • Schillerstraße,
  • Pestalozzistraße,
  • Krumme Straße,
  • Knobelsdorffstraße,
  • Seelingstraße,
  • Waldstraße,
  • Bugenhagenstraße,
  • Wiclefstraße
  • und Senefelderstraße.

Auch durch bislang reine Fußgängerzonen soll künftig der Radverkehr rollen, darunter:

  • Wilmersdorfer Straße,
  • Breite Straße/Spandau,
  • Charlottenstraße,
  • Alexanderplatz,
  • Georgenstraße,
  • Hedwigskirchgasse,
  • Mehringplatz,
  • Platz am Bahnhof Südstern,
  • Alt-Tegel
  • und Gorkistraße.

Die Verkehrsverwaltung erklärte auf Nachfrage, dass Streckenführungen durch Parks und Fußgängerbereiche tatsächlich möglich seien. „Überschneidungen mit Grünanlagen und anderen, für den Fußverkehr bevorrechtigten Strecken wurden bei der Erstellung des Radverkehrsnetzes möglichst vermieden, jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen“, sagt Sprecher Jan Thomsen. Der Anteil in Grünanlagen solle jedoch „nur sehr gering sein“.

Im weiteren Planungsprozess solle nun abgewogen werden, „ob und inwiefern in diesen Fällen eine konfliktfreie Führung möglich ist – oder ob eine Alternativroute gefunden werden muss“.

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