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Mund auf. Die Polizei begann am Dienstag mit dem Screening. Foto: dapd

© dpa

Uckermark: Mit Wattestäbchen auf Tätersuche

Massengentest soll Mord an Mädchen von 1991 aufklären helfen. 2308 Männer aus der Uckermark zum Screening aufgefordert

Greiffenberg - Dirk Jung hat sich extra einen Tag freigenommen, um nach Greiffenberg (Uckermark) zu kommen. Der 45-Jährige wohnt in einem der Nachbardörfer, meist aber ist er in Berlin, dort arbeitet er als Hauswart. „Wenn dadurch der Fall geklärt werden kann, dann ist das schon in Ordnung“, sagt er. Es geht um den Sexualmord an einer 15-Jährigen vor 20 Jahren. Jung ist einer von 2308 Männern aus der Umgebung, die seit Mittwoch eine Speichelprobe für einen Gentest abgeben können.

Andrea S. war am 15. April 1991 vermisst gemeldet worden, sie lebte damals in einem Kinderheim in Neubrandenburg und war ausgerissen. Am 19. Mai 1991 fanden Spaziergänger die Leiche in einemWald in der Nähe der A11 bei der Abfahrt Warnitz. Axel Hetke, Chef derMordkommission in Eberswalde, glaubt, dass das Mädchen als Tramperin unterwegs war. Sicher sind sich die Ermittler, dass es nicht am Fundort getötet wurde und der Täter sich dort auskannte. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft für einen DNA-Massentest bei allen Männern entschieden, die damals in einem Umkreis von 40 Kilometern um den Fundort lebten und 18 bis 65 Jahre alt waren.

Der Fall war bereits 1992 zu den Akten gelegt worden. Dann übernahm Axel Hetke 2002 die damals neue Mordkommission in Eberswalde und prüfte die alten Fälle, auch den Mord an Andrea S. Nun setzt er alles auf den Gentest.

Greiffenberg ist die erste von fünf Stationen, bis Mitte April läuft das Massenscreening noch in Warnzitz, Prenzlau, Gramzow und Gerswalde. Die Polizei hat ihren Stützpunkt im Haus der Freiwilligen Feuerwehr eingerichtet, an der Tür hängt ein gelber Zettel, DNA-Entnahmestelle steht darauf. 180 Männer aus der Umgebung können an zwei Tagen ihre Speichelprobe abgeben. Die ersten kommen schon kurz nach Öffnung – freiwillig. Das Schreiben der Polizei machte Eindruck: „Da zuckt man erstmal zusammen“, sagt der 52-jährige Lothar Thom. „Aber so gibt es wenigstens eine Chance, die Nadel im Heuhaufen zu finden.“ Er geht ins Dachgeschoss, an Tischen warten die Beamten, vergleichen erst Thoms Daten mit ihren Unterlagen. Dann entnehmen sie mit einem sterilen Wattestäbchen einen Abstrich von der Mundschleimhaut und belehren ihn: „Wenn alles in Ordnung ist, werden Ihre Daten gelöscht.“

Wer nicht hingeht, muss damit rechnen, dass ihn die Staatsanwaltschaft unter die Lupe nimmt. Im Einzelfall und bei einem Verdacht kann eine Speichelprobe gerichtlich angeordnet werden. Die Ermittler aber glauben,dass ihre Öffentlichkeitskampagne gewirkt hat – und an den sozialen Druck in der Bevölkerung: Wer fernbleibt, macht sich verdächtig. Erste Ergebnisse könnten im Mai vorliegen. Bislang hat die Polizei schon 700 Personen untersucht, ohne Erfolg. Sie kamen aus dem Umfeld des Opfers oder sind seit der Tat aus der Uckermark weggezogen. Deshalb ließ die Polizei auch in allen Bundesländern, in der Schweiz, Dänemark,Österreich und Belgien Speicheltests machen. Nur einer aus Australien ist noch nicht zurück.

Die meisten Männer in Greiffenberg und den umliegenden Dörfern können sich an den Mord gar nicht mehr erinnern. Thom sagt: „Wissen Sie, wir hatten damals andere Sorgen, kurz nach der Wende.“ Dirk Jung weiß noch, was er damals getan hat: „Ich war als Maurer in Berlin auf Montage.“ Alexander Fröhlich

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