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Radler mit Schieber. Dirk deGünther baut nicht nur einzigartige Fahrräder zusammen, sondern organisiert auch beschwingte Touren der Nostalgie.

© Thilo Rückeis

Tweed Day in Berlin-Mitte: Diese Radler können auch ganz entspannt

Sie radeln in altmodischen britischen Kleidern durch Berlin – und werben für Entschleunigung. Und natürlich gibt es beim „Tweed Day“ auch eine Teezeit. Los geht es am Sonntag um 13 Uhr.

Dirk deGünther ist schon Fahrrad gefahren, bevor er laufen konnte. „Das sagt jedenfalls meine Mutter“, erzählt der Initiator des „Berlin Tweed Day“ lächelnd. Zum vierten Mal veranstaltet deGünther am Sonntag den „Tweed Day“, einen nostalgischen Fahrrad-Ausflug durch Berlin. Das Konzept stammt aus London, wo die Fahrradtour erstmals 2009 stattfand. Das Fahrradfahren allein macht den „Tweed Day“ aber nicht aus: Es gilt auch, sich altmodisch modisch zu präsentieren. In Knickerbockern, Tweed-Anzügen, Schiebermützen und Fahrradcapes.

Für den gelernten Kfz-Mechaniker passen Mode und Fahrradfahren auf alle Fälle gut zusammen: „Ich bin fashionverrückt, ich mag Antikes, und ich liebe Fahrräder“, sagt deGünther. Deswegen setzte er als Erster das Konzept des „Tweed Days“ in Deutschland um. Modisches Vorbild blieb dabei jedoch Großbritannien.

DeGünther trägt selbst originale Knickerbocker aus einem Spezialgeschäft in Charlottenburg. Im 19. Jahrhundert war diese wadenlange Hose besonders bei männlichen wie weiblichen Radfahrern beliebt. Die Schiebermütze wiederum war vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitet und wird meist aus Tweed gefertigt. DeGünther erzählt, dass dieser robuste Stoff zuerst von Förstern wegen seiner wärmenden und wasserabweisenden Eigenschaften getragen wurde. Heute kennt man Tweed als Material für Schottenröcke.

Griffe aus Krokodilleder

In Charlottenburg befindet sich auch deGünthers Fahrradmanufaktur. Hier stellt er Räder nach den speziellen Wünschen seiner Kunden her und bringt außerdem selbst ausgefallene Ideen ein: „Jeder will sich mit seinem Fahrzeug von anderen absetzen und ein Rad haben, das genau zu ihm passt.“ So verwendet deGünther für Sattel, Griffe und Pedalen, die er meist in aufwendiger Handarbeit anfertigt, Krokodil- oder Schlangenleder. Und sogar die Haut von Rochen und Aalen sowie Ziegenfell und Stierhörner finden für seine Räder Verwendung. Nebenbei sammelt deGünther Rennräder, manche von ihnen wurden noch nie gefahren. Die Rennräder erwirbt er übrigens ebenfalls auf altertümlich anmutende Weise – nicht durch Ankauf, sondern Tausch.

Dass Dirk deGünther das Fahrradfahren zelebrieren möchte, heißt jedoch nicht, dass er etwas gegen Autos hätte. Im Gegenteil, er ist Mitglied des Oldtimer-Clubs und nimmt regelmäßig am Oldtimer-Stammtisch und auch an Rallyes teil. Auch da herrscht eine Anzug- und Krawattenpflicht, die dem modeliebenden Mechaniker entgegenkommt. „Als Kind habe ich gern 'Mit Schirm, Charme und Melone' und 'James Bond' im Fernsehen geschaut. Das hat meinen Geschmack geprägt.“ Als er vor fast 15 Jahren nach Berlin kam, führte er zunächst mit seiner Frau eine Modeboutique und entwarf selbst Klamotten, die er von Schneidern nähen ließ. „Ich mag Kleidung, die klassich ist und zugleich etwas Punkiges hat.“ Deswegen ist das Innenfutter seines Tweed-Anzuges auch schön knallig orange.

2011 haben bereits 40 Leute mitgemacht

Für viele Touristen sind die Dutzenden, altmodisch gekleideten Radfahrer am „Tweed Day“ eine Attraktion, erzählt deGünther. Bei der ersten Tour im Jahre 2011 waren es bereits 40 Teilnehmer. Heute reisen die Fahrrad- und Vintage-Liebhaber eigens für den „Tweed Day“ aus Hamburg, Hannover oder Lüneburg an. Es machen auch Familien bei dem feinen Event mit, manche auf historischen, manche auf gewöhnlichen Rädern. Dirk DeGünther ist nicht zu streng, was die Kleidung und das Rad betrifft. Er sagt: „Hauptsache, man ist mit dem Herzen dabei. Und ein bisschen durchgeknallt – das lieb' ich ja.“

Die Fahrrradtour startet am Gendarmenmarkt und läuft durch den Monbijoupark weiter bis zum Brandenburger Tor. Ein Großteil der Strecke führt danach durch den Tiergarten, wo ein Picknick zur britischen Teezeit um fünf Uhr am Nachmittag geplant ist. Eine Verlosung gibt es obendrein, bei der Fahrradkleidung, Accessoires und Gin zu gewinnen sind. Mit der Tour möchte Dirk deGünther vor allem eines: das Leben entschleunigen. „Früher ging es ja auch, ohne Auto und ohne Handy.“ Aber ohne Fahrrad ging es nicht.

Tweed Day am Sonntag, 21. September, ab 13 Uhr mit Teezeit um 17 Uhr, Treffpunkt ist der Gendarmenmarkt, Anmeldungen unter: www.tweed-day.de

Jana Scholz

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