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Public Viewing im Café Rizz

© Magdalena Thiele

Update

TV-Duell im Kreuzberger Café Rizz: "Und Mutti war halt wie immer"

Gemeinsam gucken, wie sich Merkel und Schulz im TV-Duell schlagen, das bringt die Gäste vom Café Rizz in Stimmung. Eine Reportage.

Seit 15 Jahren ist Birgit Huster die gute Seele vom Cafe Rizz. Ihr ist es wichtig, dass in ihrem Lokal im Kreuzberger Graefe-Kiez nicht nur Sport, sondern auch Politik auf der Leinwand läuft. Grundsätzlich ist ihr jeder Politiker willkommen, solange er Demokrat ist. Rechtsausleger kommen bei der resoluten Wahl-Berlinerin nicht ins Haus. Und Duzen ist bei ihr sowieso Pflicht.  

Seitdem es das TV-Duell von Kanzler(in) und Herausforderer in dieser Form gibt, wird es im Rizz übertragen. Auch die Bundestagswahl und jede Landtagswahl verfolgen politisch interessierte Berliner hier gemeinsam auf einer großen Leinwand.

Politisches „Public-Viewing“ ist hier ein echtes Event. Das Kiez-Lokal ist an solchen Abenden immer bis auf den letzten Platz am Tresen voll besetzt. „Bei den Bundestagswahlen platzen wir hier aus allen Nähten“, sagt Birgit.

19.30 Uhr: Die ersten Public-Viewer treffen ein. Das überwiegend junge Publikum erwartet keine aufregende Show der beiden Kandidaten, aber das Rededuell hier zu gucken, sei viel schöner als zuhause auf dem Sofa, erklären zwei junge Frauen, die einen der begehrten Tische ergattern konnten. Sie haben schon Anfang der Woche reserviert.

Gelegenheit für Gespräche mit Unbekannten

Sie wollen beobachten, wie die Leute auf die Äußerungen von Merkel und Schulz reagieren werden. Vielleicht komme man später ja auch mit dem einen oder anderen Unbekannten ins Gespräch.

20.00 Uhr: Kein Stuhl mehr frei. Auch kein Stehplatz. Schummriges rotes Licht schafft die erhoffte Wohnzimmer-Atmosphäre. Es ist laut, man unterhält sich angeregt. Wer in Ruhe schauen möchte, ist hier fehl am Platz, sagt Birgit. „Wir machen das ja, damit die Leute ins Gespräch kommen. Zur Politik gehören ja auch Debatten.“

Konzentriertes Zuhören

Pünktlich um 20.15 Uhr tauchen die Kontrahenten auf der Leinwand auf. Sie haben jetzt die volle Aufmerksamkeit der Gäste im Rizz. Von Desinteresse oder Politikverdrossenheit keine Spur. Merkel kontert Schulz' ersten verbalen Angriff geschickt. Gelächter. Konzentriertes Zuhören – leicht lässt sich das Kreuzberger Publikum nicht mitreißen. Ein kurzer Szenenapplaus für die Kanzlerin beim Thema Flüchtlinge. Ansonsten bleibt es ruhig.

Erst als die Debatte auf das Thema Arbeitsmarkt einschwenkt, entwickelt sich wieder ein Gemurmel. Den ein oder anderen kollektiven Lacher entlockt Martin Schulz den Zuhörern, als er die Kanzlerin auf das Thema Maut anspricht. Richtig laut wird es aber nicht. Ab und zu tönt ein ironischer Kommentar durch den Raum, aber so richtig regt sich hier keiner auf. Vielleicht sind ihnen dafür die Positionen zu wenig kontrovers.

Applaus bekommt keiner von beiden

Das politische Public Viewing ist hier in Berlin-Kreuzberg nichts Neues, eine Stimmung wie beim Fußball sucht man aber vergebens. Am Ende kein Applaus, für keinen der beiden Kandidaten. Dafür beginnt eine lebendige Diskussion darum, wer von beiden sich besser geschlagen hat. Ein klarer Sieger lässt sich nicht ausmachen. Viel Neues sei ja auch nicht gesagt worden, erklärt ein Gast, "ich hatte mir von Martin Schulz ein paar linke Impulse gewünscht, die kamen aber leider nicht." Merkel sei leider wenig emotional gewesen, aber in den letzten Jahren habe sie ihren Job nicht schlecht gemacht.  

Ein neues Bier wird bestellt, und man kommt schnell mit dem Nachbartisch ins Gespräch, dafür sind wohl viele hergekommen. "Der Schulz hat sich bis auf sein Gestammel am Schluss gut geschlagen", meint Birgit. "Und Mutti war halt wie immer". Jetzt beginnt hier der gemütliche Teil des Abends. Im Hintergrund klappern die Gläser und surrt der Zapfhahn am Tresen.

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