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In Bezirken ist die Zusammenarbeit zwischen Linken und CDU teils Tradition.

© Illustration: wikipedia; Montage: TSP

Trotz Unvereinbarkeitsbeschluss: So gut arbeiten Linke und CDU in Berlin zusammen

Keine Kooperation mit der Linkspartei? Von wegen! Was die CDU im Bund verbietet, funktioniert in den Bezirken vielerorts unkompliziert.

Es ist ein knapper Satz, der in der CDU seit gut einem Jahr Diskussionen auslöst: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“ So beschlossen es die Christdemokraten im Dezember 2018 auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg. Eine Erneuerung des Unvereinbarkeitsbeschlusses.

Doch seit den Ereignissen von Thüringen, wo es keine Mehrheit ohne AfD oder Linke gibt, ist diese absolute Aussage in der CDU nicht mehr unumstritten. Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, wirbt für eine „Duldung“ der Linken, in Berlin hält CDU-Chef Kai Wegner dagegen am Status quo fest.

„Ich glaube, dass man die AfD und die Linkspartei nicht gleichsetzen kann“, sagte er vor wenigen Tagen im Tagesspiegel-Interview. Aus Ungleichsetzung folge aber keine Ungleichbehandlung. „Am Ende des Tages heißt das ja nicht, dass man mit der Linkspartei zusammenarbeiten darf, weil die AfD noch gefährlicher ist.“

"Ein Schlagloch füllt sich nicht mit Ideologie"

De facto arbeiten CDU und Linke in Berlin bereits zusammen – wenn auch nicht ganz freiwillig. In den Bezirksämtern werden Stadträte nach Landesverfassung und Bezirksverwaltungsgesetz nach Stimmen für die Parteien verteilt. In fünf Bezirken arbeiten Stadträte von CDU und Linken daher in einer Art Zwangsgemeinschaft zusammen. In drei Bezirken gibt es sogar linke Bezirksbürgermeister und CDU-Stadträte. Eine Zumutung für die Konservativen?

„Die Zusammenarbeit mit Frau Pohle ist gut, pragmatisch und bezirksorientiert“, sagt Nadja Zivkovic, CDU-Wirtschaftsstadträtin in Marzahn-Hellersdorf über die Bezirksbürgermeisterin, heute Linkspartei, früher PDS und SED. Auch zur Linken-Stadträtin Juliane Witt habe sie ein „vertrauensvolles Verhältnis“. Für Zivkovic ist das selbstverständlich. „Ein Schlagloch füllt sich nicht mit Ideologie.“

Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke).
Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke).

© promo

Zusammenarbeit hat in Marzahn Tradition

Im Bezirk hat die Zusammenarbeit von Linken und CDU bereits Tradition. Schon 2006 wurde Dagmar Pohle mit Stimmen der CDU ins Rathaus gewählt. Damals wie heute wurde die Kooperation schriftlich festgehalten.

In den „Grundsätzen einer gemeinsamen kommunalpolitischen Arbeit“, die zuletzt auch von der SPD gezeichnet wurde, heißt es: „In Anerkennung unterschiedlicher politischer Programme der unterzeichnenden Parteien werden als Partnerinnen auf Augenhöhe Schritte zur Bildung eines arbeitsfähigen Bezirksamts und gemeinsame Handlungsfelder der Kommunal- und Landespolitik vereinbart.“ Dann werden auf vier Seiten teils konkrete Vorhaben in den Handlungsfeldern Infrastruktur, Bildung, Kita-Ausbau, Wohnungsbau und Integration aufgelistet.

„Mit der Linkspartei haben wir im Bezirk einen Partner, mit dem wir unsere Wahlzusagen voranbringen konnten“, sagt Mario Czaja, Vorsitzender der bezirklichen CDU. Der frühere Gesundheitssenator glaubt, dass die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene generell einfacher sei als in Land und Bund. „In den Bezirken geht es nicht um ideologische Grundsatzthemen, wie die Parteien beispielsweise zu Polizei, Verfassungsschutz oder Verstaatlichungen stehen.“

Mario Czaja, CDU, früherer Senator für Gesundheit und Soziales und Vorsitzender der Bezirks-CDU.
Mario Czaja, CDU, früherer Senator für Gesundheit und Soziales und Vorsitzender der Bezirks-CDU.

© Thilo Rückeis

Er sehe zwar Strömungen in der Partei, die die soziale Marktwirtschaft überwinden wollten, nicht aber die Demokratie – im Gegensatz zur AfD. „Man verharmlost die AfD, wenn man sie mit der Linkspartei gleichsetzt“, sagt Czaja. Ob man angesichts neuer Mehrheiten auch über neue Koalitionen nachdenken müsse, schließt er zumindest nicht aus. „Über die Auslegung des Unvereinbarkeitsbeschlusses wird ja bereits diskutiert.“ Auf Landesebene dagegen hält er eine Kooperation zwischen Linken und CDU schon allein wegen der Stadthistorie für ausgeschlossen.

„Kommunalpolitik gute Immunisierung gegen Ideologie“

Für den Pankower Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) ist der Beschluss „nachvollziehbar“, in der Umsetzung könnte seine Partei aber flexibler werden. Den Linke-Bürgermeister Sören Benn hält er für einen vernünftigen Politiker. Kühne, der jede Woche 200 Kilometer Rad fährt und zum Kauf regionaler Lebensmittel rät, will sich angesichts von Problemen wie Kitaplatzmangel nicht mit der Frage nach dem Parteibuch aufhalten. „Kommunalpolitik ist eine gute Immunisierung gegen Ideologie.“

Pragmatismus gibt es auch in Lichtenberg, wo der Michael Grunst von der Linkspartei Rathauschef ist. Dort arbeitet Martin Schaefer seit zwei Wochen als CDU-Schulstadtrat. Von seinen neuen Kollegen sei er freundlich empfangen worden. Probleme in der Zusammenarbeit erwartet er nicht: „Als Kollegialgremium wollen wir geschlossen auftreten.“ Mit Blick auf die Linken, erhofft er sich mehr Ausgewogenheit in seiner Partei.

Michael Grunst (Linke), Rathauschef in Lichtenberg.
Michael Grunst (Linke), Rathauschef in Lichtenberg.

© promo

„Eine konservative Linke in Sachsen oder Mecklenburg ist nicht vergleichbar mit der progressiven Linken im Saarland.“ Die Gleichsetzung mit der AfD halte er für verfehlt, die parteiinterne Diskussion über die Haltung zur Linken begrüßt er. „Kein Mensch weiß, was die Zeit bringt.“

Schaefer folgt auf Wilfried Nünthel, der sich in den Ruhestand verabschiedete, diese Woche aber zu Berlins „Schulbaukoordinator“ ernannt wurde. Ein CDU-Mann für den rot-rot-grünen Senat. Regina Kittler, Linke-Bildungsexpertin im Abgeordnetenhaus, lobte die Entscheidung für Nünthel als „eine gute Wahl“. Sein CDU-Parteibuch: „Zweitrangig.“

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