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Im Gefahrenbereich. Das Gros der Arbeit von Feuerwehrleuten bilden Rettungsdiensteinsätze.

© imago images/Marius Schwarz

Trotz höherem Infektionsrisiko: Auch bei der Berliner Feuerwehr gibt es Verschwörungsgläubige

Feuerwehrleute sind stärker von Corona betroffen als andere. Dennoch sind unter Beamten strikte Impfgegner: Eine Führungskraft fürchtet massenhaft „Impftote“.

Sie haben häufiger Kontakt zu Menschen, auch zu Corona-Erkrankten – und sie werden häufiger mit Covid-19 infiziert als der Durchschnitt der Berlinerinnen und Berliner. Deshalb will die Berliner Feuerwehr ihre Beschäftigten auch schnell gegen das Virus impfen lassen. Doch selbst in der Behörde gibt es offenbar knallharte Impfkritiker und Verschwörungsgläubige – und das sogar auf Führungspositionen. Das haben gemeinsame Recherchen von Tagesspiegel und Correctiv.Local ergeben.

Der Anlass war nichtig. Der Vorsitzende des Berliner Feuerwehrverbandes, Sascha Guzy, verschickte am 16. Dezember an alle Beschäftigten der Behörde einen Brief, adressiert war er an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Darin forderte Guzy, dass nach den Älteren, die zunächst vorrangig geimpft werden, nun auch besonders Mitarbeiter der Feuerwehr an der Reihe sein müssten.

„Die stets gefahrengeprägte Arbeit der Berliner Feuerwehr ist von hervorzuhebender Systemrelevanz und das Rückgrat der Gefahrenabwehr in unserer Stadt“, schrieb Guzy. „Der potenzielle Kontakt von Feuerwehrangehörigen zu vulnerablen Gruppen ist jederzeit gegeben. Die Erkrankung eines Feuerwehrangehörigen führt ferner oftmals zu einem Ausfall der gesamten Feuerwehr aufgrund der gegenwärtig gültigen Quarantänevorschriften.“

Einem Beamten gefiel offenbar nicht, was der Chef des Feuerwehrverbandes da schrieb. Es geht um einen Wachabteilungsleiter, also eine Führungskraft im gehobenen Dienst, der eine Schichtgruppe auf einer Wache führt. Er verfasste eine E-Mail und verschickte sie am 18. Dezember um 19.54 Uhr an den gesamten Verteiler der Berliner Feuerwehr. „Ich möchte bitte nicht geimpft werden“, schrieb der Beamte an alle Mitarbeiter der Berliner Feuerwehr.

„Wenn die ersten 100.000 bis 250.000 Impftoten zu beklagen sind und der Impfstoff nachgebessert wurde, vielleicht (ich glaube eher nicht). Da helfen auch keine Fremdwörter wie vulnerable Gruppen.“ Offenbar ist der Beamte mit seiner Meinung auch nicht allein. In seiner E-Mail schrieb er weiter: „Auch die Kollegen meiner Dienststelle wollen größtenteils nicht geimpft werden.“

Führt die Impfung zu einer Polarisierung?

Aus der Feuerwehr sind verschiedene Stimmen darüber zu hören. Ein Beamter sagte dem Tagesspiegel, die Corona-Impfung führe zu einer Polarisierung in der Belegschaft. Ein anderer meinte, rechte und menschenverachtende Ansichten seien längst auch in der Feuerwehr verbreitet.

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Sascha Guzy, der Chef des Feuerwehrverbandes, erklärte dagegen, nach seinem Eindruck sei die Impfbereitschaft unter den Rettern hoch – schließlich seien sie jeden Tag mit den Folgen der Pandemie, mit Krankentransporten, vollen Intensivstationen konfrontiert.

„Dass die Impfbereitschaft in meiner Behörde durchaus groß ist, zeigt, dass viele der Termine bereits ausgebucht sind“, sagte auch Landesbranddirektor Karsten Homrighausen zum Impfstart bei der Feuerwehr vor einer Woche. „Als Berliner Feuerwehr sind wir jeden Tag nah am Menschen. Unsere Einsatzkräfte brauchen Schutz, und den bieten wir ihnen.“

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Die Berliner Feuerwehr wollte sich auf Tagesspiegel-Anfrage „aus Datenschutz- und Persönlichkeitsgründen“ nicht zu dem Impfgegner in den eigenen Reichen und „Personaleinzelangelegenheiten“ äußern. Nach Tagesspiegel-Informationen hat der Leiter der Feuerwache den Beamten aber zur Rede gestellt. Die Behörde hat zudem den Fall geprüft und kam zum Ergebnis, dass der Wachabteilungsleiter seine Wohlverhaltenspflicht verletzt hat. Darunter versteht das Gesetz bei Beamten dies: „Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.“

Doch der Verstoß war aus Sicht der Behörde nicht so gravierend, um gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren einleiten zu können. Vielmehr soll ihm eine sogenannte Missbilligung ausgesprochen werden. Damit wird dann beamtenrechtlich das Fehlverhaltens des Beamten beanstandet.

Infektionsquote von vier Prozent bei der Feuerwehr

Bislang liegt die Corona-Infektionsquote bei der Feuerwehr bei mehr als vier Prozent, in der Berliner Gesamtbevölkerung sind es etwa drei Prozent. Seit einer Woche werden Sanitäter und Notärzte der Feuerwehr gegen das Coronavirus geimpft.

Geplant war täglich eine zweistellige Zahl an Impfungen – und die sind trotz des engen Kontakts zu Menschen und Patienten freiwillig. Zuerst sollen Beschäftigte des Rettungsdienstes geimpft werden, bis zu 60 am Tag. „Eine Impfung aller Angehörigen der Berliner Feuerwehr ist dann zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen“, erklärte die Behörde.

„Dass die Infektionszahlen in der Feuerwehr höher sind, kann niemanden überraschen“, sagte Oliver Mertens, Vorstand bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Wir unterliegen per se einem erhöhten Infektionsrisiko und können im Einsatz zwangsläufig nicht immer 1,50 Meter Abstand halten.“ Homeoffice sei beim Rettungsdienst zwangsläufig nicht möglich. „Umso wichtiger wäre es, dass die Feuerwehr bei zur Verfügung stehenden Impfdosen stärker bedacht wird“, sagte der Gewerkschafter.

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