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Linke Frauen: Giffey (l.) und Breitenbach.

© promo

Trotz Betrug und Straftaten: Linke-Sozialsenatorin schützte Giffeys Mann vor Rauswurf

Trotz Straftaten ging Berlins Linke-Sozialsenatorin milde mit dem Mann von Familienministerin Giffey um. Und der benutzte seine Frau, um Berichte zu vermeiden.

Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) hat Karsten Giffey trotz schwerer Dienstvergehen und festgestellter Straftaten offenbar geschützt und wollte ihn vor dem Rauswurf bewahren. Zunächst war eine Entfernung des Ehemannes von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) aus dem Beamtenverhältnis vorgesehen, am Ende empfahl Breitenbach jedoch, dass der Tiermediziner bei der Besoldung herabgestuft werden, aber im Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) bleiben soll.

Das geht aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin von Mitte Dezember hervor, das dem Tagesspiegel nun vorliegt. Das Gericht hatte entschieden, dass Giffey wegen der Schwere der Dienstverstöße kein Beamter mehr sein darf. Das 28 Seiten starke Urteil liefert detailliert Einblicke in die Abläufe und die von Giffey eingeräumten schweren Vergehen – vorsätzlicher, wiederholte Betrug über einen längeren Zeitraum bei Dienstzeit, Nebentätigkeiten und Reisekosten.

Einem Vorgesetzten am Lageso war „ein hohes Maß an dienstlichen Abwesenheiten“ aufgefallen. Giffey fühlte sich gekränkt und erklärte im Herbst 2016 per E-Mail, „dies sei sehr verletzend und zeige ihm erneut, dass seine Arbeit nicht wertgeschätzt, sondern in Frage gestellt werde“.

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Kurz Zeit später zeigte er sogar Überlastung an, die Arbeit sei nicht zu schaffen, nur zehn Prozent der gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen seien zu bewältigen. Sein Chef stieß im Dezember darauf, dass Giffey sogar Nebenjobs nachging – ohne Genehmigung. Im März 2017 leitete Senatorin Breitenbach ein Disziplinarverfahren sein. Giffeys Anwalt räumte die Vorwürfe größtenteils ein, er habe aber alle Nebenjobs beendet.

Ermittlungsführer empfahl: Karsten Giffey aus dem Amt entfernen

Für den von Breitenbach eingesetzten Disziplinarermittler war der Fall klar: In seinem Ende Februar 2018 vorgelegten Abschlussbericht stellte er laut Urteil des Verwaltungsgerichtes fest, dass Giffey „die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nahezu endgültig zerstört habe und die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht unverhältnismäßig wäre“.

Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach wollte eine Entlassung Giffeys vermeiden
Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach wollte eine Entlassung Giffeys vermeiden

© Stefan Weger / Tsp

Der Ermittler beendete seine Tätigkeit und die Senatorin setzte im März 2018 einen neuen ein – wenige Tage bevor Franziska Giffey, bis dahin Bezirksbürgermeisterin in Neukölln, als Familienministerin in die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aufstieg.

54 Mal fehlte Karsten Giffey im Jahr 2016 – unerlaubt

Der neue Ermittler forderte im Juli 2018 für den entstandenen Schaden die Zahlung in Höhe von rund 4650 Euro – für falsche Einträge bei der Arbeitszeiterfassung und Kosten für eine Dienstreise. Giffey zahlte, zeigte sich reuig. Die Anträge auf Nebenjobs seien ihm durchgerutscht. Und wegen der Zustände in der Dienststelle, wo ihm Anerkennung und Wertschätzung fehlten, habe er sich in einem persönlichen Tief befunden.

Das alles wurde ihm vom neuen Ermittler zugutegehalten. Es gab einen neuen Abschlussbericht, im April 2019 erhob Senatorin Breitenbach die Disziplinarklage. Giffey sollte nun – im Gegensatz zum ersten Ermittlungsbericht – nur noch zurückgestuft, aber nicht mehr entlassen werden.

Ein Schaden von 3.000 Euro

Das Verwaltungsgericht sah das anders: 54 Mal hat Karsten Giffey im Jahr 2016 während der Arbeitszeit unerlaubt Vorträge und Seminare gehalten. Knapp drei Arbeitswochen unentschuldigtes Fehlen stellten die Richter fest. „Der vom Beklagten insgesamt verursachte Betrugsschaden liegt über 3000 Euro und ist damit bereits für sich betrachtet von erheblicher Bedeutung.“

Hinzu kommt: Karsten Giffey hat bei der Arbeitszeiterfassung betrogen, um einem Nebenjob während der Arbeitszeit nachzugehen „und damit letztlich zu erreichen, für diese Zeit von zwei Stellen eine Vergütung zu erhalten“. Zwei Jobs, doppelt kassieren.

Der Fall Giffey – was bisher geschah

Auch Giffeys Beteuerung, er habe sich in einem Tief befunden, glaubte das Gericht nicht: „Der Beklagte handelte vorsätzlich sowie mit Bereicherungsabsicht.“ Bei einer genehmigten Dienstreise schummelte Giffey ebenfalls: Er rechnete 300 Euro als Kosten für Fahrt, Unterkunft und Teilnahme an einem internationalen Kongress ab.

Dabei war er gar nicht dort und kassierte stattdessen als Experte in seinem Nebenjob ab. Zusammengenommen müssten die wiederholten Dienstvergehen zur Entlassung führen, stellte das Gericht fest.

Nun ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Karsten Giffey.
Nun ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Karsten Giffey.

© dpa

Auch der Staatsanwaltschaft liegt das Urteil vor, sie prüft mehrere Strafanzeigen gegen Sozialsenatorin Breitenbach – wegen Strafvereitelung. Denn entgegen der üblichen Praxis bei von Beamten im Dienst verübten Straftaten verzichtete die Senatorin darauf, die Staatsanwaltschaft über den Betrugsfall zu informieren. Angeblich mit Blick auf die von ihr geplante Zurückstufung.

Karsten Giffey benutzt seine Frau, um die Veröffentlichung des Urteils zu verhindern

Rechtskräftig ist das nun vorliegende Disziplinarurteil noch nicht, Karsten Giffey hat Berufung eingelegt. Und er wollte verhindern, dass die 28-seitige, „im Namen des Volkes“ verfasste Urteilsschrift öffentlich wird und an die Presse geht – auch im Interesse seiner Ehefrau, wie er behauptet.

Vom Urteil betroffen. Das Gericht sieht keinen Grund dafür, das Urteil zurückzuhalten, um Schaden von Ministerin Franziska Giffey abzuwenden.
Vom Urteil betroffen. Das Gericht sieht keinen Grund dafür, das Urteil zurückzuhalten, um Schaden von Ministerin Franziska Giffey abzuwenden.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Das geht aus dem – dem Tagesspiegel vorliegenden – Beschluss hervor, mit dem das Verwaltungsgericht den Eilantrag des Tiermediziners Ende vergangener Woche abgewiesen hat. Giffey hatte argumentiert, das Urteil könne Anlass sein, seine Ehefrau als Bundesministerin in der Öffentlichkeit anzugreifen. Sie sei neben ihm am stärksten betroffen, sehe sich „einem massiven Druck der Öffentlichkeit zur Stellungnahme bis zur Rechtfertigung ausgesetzt“.

Dem folgte das Gericht nicht. Gerichtsurteile seien grundsätzlich öffentlich und könnten nur in seltenen Ausnahmen zurückgehalten werden, hieß es. Franziska Giffey, die SPD-Landeschefin werden will, sei durch die Veröffentlichung nur mittelbar betroffen. Der „bloße Wunsch“ ihres Mannes, dass das Urteil nicht in die Öffentlichkeit gelange und „ein Bezug zu der Ehefrau des Antragstellers, die als Bundesministerin eine Person des öffentlichen Lebens ist, nicht hergestellt wird“, stelle kein höherrangiges Interesse dar.

Und weiter heißt es in dem Berschluss: Das Thema werde ohnehin öffentlich erörtert. Franziska Giffey hatte den Fall zur Privatsache erklärt. Am Dienstag ließ sie erneut mitteilen, damit sei alles gesagt.

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