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Die Eltern von Fabien M. und ihre Anwälte bei einer Pressekonferenz.

© rbb/rbb24

Tödlicher Unfall in Berlin: "Haben immer geahnt, dass der Polizist unter Alkohol stand"

Die Mutter der getöteten Fabien Martini spricht über den Unfall. Der Anwalt macht der Polizei schwere Vorwürfe. Die Grünen tragen das Thema ins Parlament.

Ihre Worte sind deutlich, ihre Wut ist groß. „Wir liegen am Boden und haben unser Kind verloren, die Öffentlichkeit tritt auf ihrem Namen herum“, sagte die Mutter von Fabien Martini, jener Frau, die bei einem Unfall mit einem Polizeiauto gestorben ist. Erst ein Jahr später kam heraus: Der Polizist hatte 1,0 Promille im Blut. Davon habe sie aus dem Radio erfahren, berichtet die Mutter: „Mein Körper hat völlig vibriert, ich bin Amok gelaufen.“ Matthias Hardt, Strafverteidiger und einer der beiden Anwälte der Familie, sprach im Rahmen des in den Räumen des Rundfunk Berlin Brandenburg stattfindenden Pressegesprächs von einem „Justizskandal“ und „unhaltbaren Vorgängen“.

„Wir haben immer geahnt, dass der Polizist unter Alkohol stand. Niemand hat uns ernst genommen und stattdessen wurde der Name unserer Tochter in den Dreck gezogen“, erklärte die Mutter der im Alter von 21 Jahren getöteten Fabien. Von Beginn an seien durch die Ermittlungsbehörden schwere Fehler begangen worden, so die 48-Jährige weiter. An einen Alltag sei für die aus Reinickendorf stammende Familie seit dem Tag des Unfalls nicht zu denken. Das sich seit über einem Jahr hinziehende Ermittlungsverfahren lasse eine Trauer nicht zu.

Anwalt kritisiert Polizei und Staatsanwaltschaft

Anwalt Hardt kritisierte, dass ihm die Einsicht in die Ermittlungsakten zu dem Unfall bis zum August des vergangenen Jahres verwehrt worden war. „Es sind Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen und nicht hätten passieren sollen“, erklärte Hardt. Er warf Staatsanwaltschaft wie Polizeipräsidentin Barbara Slowik vor, Verhaltensregeln verletzt und die Sachlage in der Öffentlichkeit falsch dargestellt zu haben.

Die Krankenakte des Polizisten, der den Unfall verursacht hatte, hätte bereits Tage nach dem Unfall und nicht erst mehr als ein Jahr später ausgewertet werden müssen, so Hardt weiter. Weil das nicht geschah, hätten sich die Vorwürfe gegen Fabien Martini in der Öffentlichkeit gehalten, während die Rolle des alkoholisierten Polizisten völlig unterbelichtet geblieben sei. Hardt verlangte, dass innerhalb der nächsten zwei Wochen Anklage wegen Totschlags gegen den Polizisten erhoben werde.

Grüne verlangen Antwort Geisels

Die Ermittlungen zum Unfalltod der 21 Jahre alten Fabien Martini, die im Januar 2018 durch einen Polizeiwagen auf der Grunerstraße umkam, sollen im Abgeordnetenhaus begleitet werden. Die Berliner Grünen-Fraktion will den Fall im nächsten Innenausschuss erörtern - und erwartet Antworten von Innensenator Andreas Geisel (SPD). Dabei solle vor allem geklärt werden, inwiefern die mutmaßliche Alkoholisierung des tatverdächtigen Beamten am Tattag erkennbar war - und ob er schon zuvor durch Alkohol im Dienst aufgefallen ist.

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"Die Angehörigen der auf tragische Weise verstorbenen jungen Frau haben das Recht auf Aufklärung und Antworten auf all ihre Fragen. Es darf nicht der Anschein erweckt werden, gegen Polizisten als Tatverdächtige werde nachlässig ermittelt und erst nach anonymen Hinweisen die erforderlichen Schritte eingeleitet", sagte der Rechts- und Innenexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, dem Tagesspiegel. "Die Hinweise der Charité auf nachlässige Ermittlungen wiegen schwer. Es ist bedauerlich, wenn der Zeitpunkt der Alkoholisierung nun nicht mehr eindeutig zugeordnet werden kann. Ich erwarte, dass die Polizeipräsidentin bei jedem Todesfall durch Polizei sofort über alle besonderen Umstände – wie dem Verdacht der Alkoholisierung – im Bilde ist."

Anonymer Hinweis brachte Wende im Fall

Wie berichtet, war erst ein Jahr nach der tödlichen Blaulicht-Fahrt des Polizisten in Mitte bekannt geworden, dass der Mann offenbar betrunken im Dienst war. Und, dass seine Patientenakte, aus der das hervorgeht, seit dem Unfall in der Charité lag, ohne dass die Staatsanwaltschaft sie einsehen wollte. In der rot-rot-grünen Senatskoalition ist der Fall offenbar erst seit dieser Woche Thema - die Ermittlungen waren im Herbst 2018 fast beendet worden. Ein anonymer Hinweis darauf, dass der Polizist betrunken gewesen sei, habe dann für eine Wende gesorgt. Die Staatsanwaltschaft holte kürzlich die Patientenakte aus der Charité.

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Wie berichtet, hatte der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, dem Tagesspiegel gesagt: „Uns wundert, dass sich mehr als ein Jahr lang kein Ermittler für die Patientenakte des Polizisten interessiert – und es dann plötzlich heißt, Charité-Mitarbeiter könnten die Akte womöglich zurückgehalten haben. Das Gegenteil ist wahr, wir haben ein Jahr darauf gewartet, dass jemand mit einem richterlichen Beschluss kommt – schließlich war das ein dramatischer Unfall.“ 

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