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An Unglücksorten werden regelmäßig sogenannte Geisterfahrräder aufgestellt.

© Soeren Stache/dpa

Tödlicher Fahrradunfall in Berlin-Reinickendorf: Wieder ein Rechtsabbieger, wieder ein Lastwagen

Wieder ist eine Radfahrerin von einem Rechtsabbieger getötet worden. So viele Radfahrer wie in diesem Jahr - nämlich 14 -  sind schon lange nicht mehr ums Leben gekommen.

In Reinickendorf ist am Freitagnachmittag eine Frau von einem Sattelschlepper überrollt worden. Der Unfall geschah auf der Lindauer Allee Ecke Roedernallee. Nach Polizeiangaben fuhr ein 62-jähriger Lkw-Fahrer auf der Roedernallee in Richtung Teichstraße. Als er gegen 15.20 Uhr nach rechts in die Lindauer Allee abbiegen wollte, erfasste er die Radfahrerin, die geradeaus weiterfahren wollte. Sie war sofort tot.

Identifiziert ist die Frau bislang nicht. Wie auf Fotos vom Unfallort zu erkennen war, fuhr sie ein einfaches Damenrad.

Die Zahl der getöteten Radfahrer in Berlin stieg damit auf 14, acht Frauen und sechs Männer. Das sind nach acht Monaten mehr als doppelt so viel Tote wie im Vorjahr. 2019 starben sechs Radfahrer in Berlin.

Am Montag waren zwei Frauen in Spandau getötet worden

Am Sonntagnachmittag um 16 Uhr wird es eine Mahnwache am Unfallort geben. Dies teilte der Vereins „Changing Cities“ mit, der seit Jahren für getötete Radfahrer und Fußgänger Mahnwachen organisiert. Eine zweite Mahnwache wird am Sonntag um 17.30 Uhr in Spandau an den getöteten Fußgänger geben.  Zuletzt hatte es  am Mittwochabend Mahnwachen für die beiden am Montag in Spandau getöteten Frauen gegeben. Angesichts von vier Toten in einer Woche verschärfte Changin Cities die Kritik an der Berliner Verkehrspolitik: "Wir bekommen es langsam mit der Angst zu tun: Vier Mal die Woche – das ist himmelschreiend ungerecht und komplett unnötig. Warum mussten diese Menschen sterben? Weil dem Senat offensichtlich ein paar tote Fußgängerer und Radfahrende im Jahr lieber sind, als Politik für die Schwächeren zu machen", teilte Kerstin Leutloff von Changing Cities mit.

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Es steht zu befürchten, dass in den verbleibenden vier Monaten bis zum Jahresende weitere Unfallopfer hinzukommen. Im Jahr 2016 waren es 17 getötete Radfahrer gewesen, in den anderen Jahren lag die Zahl meist bei etwa zehn. Eine deutlich höhere Zahl, 24, hatte es zuletzt 2003 gegeben. Bekanntlich ist in den letzten Jahren der Anteil des Fahrradverkehrs deutlich gestiegen, in der Unfallbilanz bildet sich das aber nicht ab. 2019 ging die Zahl der Unfälle mit Radfahrern zurück, und zwar um etwa 1,5 Prozent. Es ist jedoch die zweithöchste Zahl der vergangene Jahre. Die Zahl der Verletzten sank um drei Prozent. In Zahlen: 4800 (2018: 4900) Radfahrer wurden leicht und 670 (743) schwer verletzt. Die absoluten Zahlen der Verletzten und der Unfälle sind statistisch aussagekräftiger als die vergleichsweise niedrige Zahl an Getöteten, die stark schwankt, wie in 2019 und 2020 wieder zu sehen ist.

Acht der 14 Unfälle wurden von Rechtsabbiegern verursacht

Auch wenn die absolute Zahl stark schwankt, ein Trend verfestigt sich: Die meisten Radfahrer werden von Rechtsabbiegenden Kfz getötet, meist großen Lastwagen wie nun wieder in Reinickendorf. Nach Zählung des Tagesspiegels wurden acht der 14 Unfälle von Rechtsabbiegern verursacht. Zwei Radfahrer verloren bei so genannten Alleinunfällen ihr Leben.

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Insgesamt starben in diesem Jahr 39 Menschen im Straßenverkehr, damit ist die Gesamtzahl von 40 aus dem Jahr 2019 bereits im August fast erreicht. 

Unfälle mit Rechtsabbiegern passieren meist an gefährlichen Kreuzungen. Zuletzt hatte es heftigen Streit zwischen Fahrradaktivisten und der Unfallforschung der Versicherer gegeben. Wie berichtet, hatte UDV-Chef Siegfried Brockmann die Sicherheit von Kreuzungen nach dem holländischen Modell angezweifelt. Fahrradaktivisten hatten Brockmann nach dem Test vorgeworfen, nur aus Autofahrerperspektive zu urteilen. Der Verein „Changing Cities“, der aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangen war, hatte den von Brockmann geleiteten Versuch als „wenig aussagekräftig“ beurteilt.

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