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Ganz schön hungrig: Eine Ackerhummel auf der Suche nach Nektar.

© P. Pleul / dpa

Tod unter Linden: Warum zurzeit so viele Hummeln sterben

Unter Berlins Silberlinden liegen derzeit unzählige tote Hummeln. Das Massensterben stellte Forscher lange vor ein Rätsel: Hat der Nektar sie vergiftet?

Unter Linden lässt sich dieser Tage in Berlin ein gruseliges Schauspiel beobachten. Dutzende Hummelleiber drängen sich, oft schon tot oder eben verendend, in gelbbraunen Blütenteppichen. Es ist ein regelrechtes Massensterben. Forscher standen lange vor einem Rätsel und sind in Sorge.

„Wir beobachten dieses Phänomen seit 30 Jahren. Aber es wird immer schlimmer“, sagt Derk Ehlert, Wildtierexperte der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Zahl der Hummeln hätte bereits dramatisch abgenommen, immer mehr Arten stünden auf der Roten Liste. Der schlimme Verdacht: Vergiftet der Nektar der Silberlinde die Tiere?

1977 gab es darauf erstmals Hinweise. Der Nektar könnte Mannose enthalten, hieß es – ein Zucker, der Hummeln und Honigbienen vergiftet. „Honigbienen waren von dem Phänomen Silberlinde aber gar nicht betroffen“, erzählt Ehlert.

Dennoch hätten Städte schnell den Fremden zum Schuldigen erklärt: Die Silberlinde ist eigentlich gar nicht in Deutschland heimisch, sondern kommt aus Südosteuropa. Ämter gaben sie zum Fällen frei. Zum Glück nicht überall – denn bald rehabilitierten Forscher den Baum.

An der Universität Münster sind sie dem Tod auf die Schliche gekommen. Über Jahre sammelten sie knapp 11.000 verendete Tiere. Die Hummeln waren weder krank noch überaltert: Sie waren schlichtweg verhungert. Doch warum starben sie ausgerechnet unter den Linden?

Hummeln leiden unter Nahrungsmangel

„Silberlinden blühen spät – etwa zwei bis vier Wochen nach den anderen. Das sonstige Angebot an Nektar ist zu diesem Zeitpunkt, eben jetzt Anfang Juli, nur noch sehr gering“, sagt Derk Ehlert. Alles, was auf Blüten fliegt, sammelt sich an den Bäumen.

Tote Hummeln in abgefallenen Blütenblättern.
Tote Hummeln in abgefallenen Blütenblättern.

© Anne Armbrecht

Viel zu viel Konkurrenz für viel zu wenig Nektar. „Oft sind die Hummeln schon unterzuckert, wenn sie dort ankommen“, sagt Ehlert. Wenn dann an dem Baum, der mit betörendem Duft gelockt hat, nicht genug Nahrung ist, sterben die Tiere völlig entkräftet unter ihm. Das ist dann das Bild dieser Tage.

Der Grund für das Hummelsterben ist also der Nahrungsmangel im Hochsommer. Bunt blühende Vorgärten und gepflegte Parks in den Städten nützten den Tieren nichts, sagt Derk Ehlert. „Das sind ja alles Kulturpflanzen. Schön bunt, aber ohne Nektar.“ Wildblumen, die den böten, seien oft unerwünscht, weil sie ungepflegt aussehen.

Landflucht betrifft auch die Hummel

Auf dem Land findet sich wegen der Monokulturen um Mais und Getreide noch weniger. Dazu kommen Dünger und Pestizide. „Wir haben heute in Berlin mehr Insekten als in Brandenburg. Ist das nicht paradox?“, fragt Ehlert. Die Zahlen für Deutschland sind alarmierend: Selbst in Schutzgebieten habe demnach die Zahl der Insekten in den vergangenen dreißig Jahren um drei Viertel abgenommen.

Der Nahrungsmangel trifft alle Insekten. Dass vor allem Hummeln verenden, liegt an deren Sammelstrategie – oder vielmehr der nicht vorhandenen Strategie. „Hummeln leben in den Tag hinein“, sagt Derk Ehlert. Anders als etwa Honigbienen legen sie kaum Vorräte an. Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass die Brummer zum Fliegen viel mehr Energie verbrauchen.

Besserung kann nur ein größeres Angebot bringen. In Berlin wird aktuell versucht, Musterflächen und Mittelstreifen bienengerecht zu bepflanzen. Derk Ehlert appelliert aber auch an Kleingarten- und Balkonbesitzer: Es müssten nicht einmal Wildkräuter sein, sagt Ehlert. Es gebe auch genug farbenfrohe Pflanzen, die Ästhetik und Nutzen verbinden. Blaue Glockenblume, gelber Hornklee und Sommerflieder zum Beispiel. „In Baumärkten sind solche Bienengewächse extra ausgewiesen.“

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