zum Hauptinhalt
Eine große Auswahl an Olivenöl - doch welches ist wirklich gut?

© Mike Wolff, TSP

Tipps von Berliner Küchenprofis: Auf der Suche nach dem besten Olivenöl der Stadt

Ein hoher Preis steht nicht unbedingt für Güte. Wie man wirklich gutes Olivenöl findet? Berliner Küchenprofis verraten ihre Quellen.

Es war einmal in Amerika. In San Francisco probierte eine junge Koreanerin 1994 zum ersten Mal Olivenöl. Ihre Reaktion fiel so heftig aus, dass sie danach einen Bogen darum machte. Erst die italienische Küche schaffte es später, sie mit den herben und grasigen, manchmal stechenden Aromen dieses besonderen Saftes zu versöhnen. Da erst merkte sie, dass das Wildsesamöl ihrer Heimat mit Olivenöl einiges gemeinsam hat, vor allem die rohe und frische Bitterkeit. Heute hat Bini Lee sogar ein Lieblingsöl – und überhaupt: Olivenöl ist fester Bestandteil der Küche ihres Berliner Restaurants „Kochu Karu“, das eine koreanisch-iberische Fusion betreibt.

Früher galt Olivenöl als Fehlton

Es ist gar nicht so lange her, dass viele Deutsche ähnlich empfanden. Früher galt der Geschmack des Olivenöls als Fehlton, sein Ausschluss von der Tafel des Wirtschaftswunders wurde erst in den Achtzigern korrigiert. Dafür sorgten eine neue italienische Restaurantkultur und ein Trend, der heute in erster Linie mit Architektur und Zeitungsdesign verbunden wird. Tatsächlich kam mit der Postmoderne ein Neoklassizismus, der ein neues Kapitel in der Begegnung mit der Antike aufschlug. Deshalb dürfte das um diese Zeit aufflammende Interesse für Olivenöl kaum Zufall sein, zumal sich die wichtigsten Anbaugebiete mit weiten Teilen des römischen Imperiums decken.

Noch vor gut 20 Jahren waren es fast nur spezialisierte Feinkosthändler, ein paar Kooperativen oder Erzeuger-Direktvertriebe sowie Kofferraumimporte, die den stetig wachsenden Bedarf deckten. Als Aldi später Olivenöl ins Sortiment nahm (und dann auch noch eine Art Siegel der Stiftung Warentest erhielt), wurde auch die Mitte des Volkes empfänglich dafür.

Reiches Aromenspektrum

Keine nennenswerten Positionswechsel sind zu verzeichnen, wenn es um die Wahl eines sehr guten Öls geht. Marken, die dem Qualitätssegment ihren Stempel aufdrücken könnten, existieren bislang nicht. Allenfalls das auf Lesbos gewonnene „Jordan“ (Frischeparadies, Karstadt-Perfetto), „Nicolas Alziari“ aus Nizza sowie seit Kurzem „O-Med Selection Picual“ (beide bei Maître Philippe, Emser Str. 42) tendieren mit Verlässlichkeit und Präsenz in diese Richtung. Ansonsten treiben die Etiketten umso heftigere Blüten: Sie schmücken Flaschen, deren Abfüllort häufig in keiner Beziehung zum Ursprung des Öls steht und deren Geschmack sich im Widerspruch zum Design befindet.

Wer sich für die höchste Güteklasse „nativ extra“ beziehungsweise „extra vergine“ interessiert, findet zwar ein reiches Angebot und ebenso viele Testberichte, schlauer wird er dadurch nicht unbedingt. Es existiert ein ausgesprochen reiches Aromenspektrum, das auf jede Zutat anders reagiert. Allein schon wegen dieses Aspektes vergleicht man den Saft des Ölbaumes am besten mit Wein. Und wie ihre Reben lieben Südländer das Öl aus ihrer jeweiligen Region.

Verlass ist nur auf die eigene Nase

Ralf Bos gestattet sich keine territorialen Vorlieben. Olivenöl stand am Anfang seiner kulinarischen Laufbahn und bildete so etwas wie eine Richtschnur. Heute gehört der gebürtige Düsseldorfer zu den wichtigsten Lieferanten der Hochgastronomie sowie der Hobbyköche („Bosfood“), ist Foodscout und kulinarischer Schriftsteller. In seinem Buch „Mein kulinarisches ABC“ erläutert der Tester, der weit über 3000 Öle verkostet hat, warum billige Ware nicht gut sein kann und auch, warum ein hoher Preis nicht automatisch für Güte steht.

Zu den Eigenschaften absoluter Spitzenöle zählt Bos ihre Säurearmut, eine ganz eigentümliche von Erntezeitpunkt, Sorte und Extraktionsanlage abhängige, in die Nase steigende Fruchtigkeit, die an den Zungenflügeln wahrzunehmende Bitterkeit sowie eine Schärfe, die sich erst in der Kehle bemerkbar macht.

Voraussetzung für Delikatesse sei eine „hochmoderne Extraktionsanlage, die unter gesteuerter Sauerstoffzufuhr in nur einem Arbeitsgang die Oliven vermahlt, knetet, das Olivenöl von Wasser und Fruchtfleisch trennt und das Öl direkt unter Sauerstoffabschluss in luftdichte Gefäße abfüllen“ kann. Steinmühle, Kaltpressung und die gefürchtete Oxidation dagegen sind Kennzeichen des Gestern.

Aber am Ende ist es immer noch die eigene Nase, auf die man sich verlassen muss, der eigene Gaumen sowie natürlich die Fähigkeit, sich auf Nuancen und Schattierungen genauso konzentrieren zu können wie auf Signalreize.

Eine ausführliche Version des Beitrages lesen Sie in der neuen Ausgabe des Magazins „Tagesspiegel Genuss“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false