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Grau ist das neue Blau. Gegen schlechte Laune und Müdigkeit im November hilft vor allem Licht.

© Paul Zinken/dpa

Tipps gegen die Winterdepression: „Suchen Sie sich helle Orte“

Tageslicht wirkt wie ein Antidepressivum, sagt Lichttherapeutin Vesna Lemm. Sie erklärt, was wir jetzt in der dunklen Jahreszeit tun können gegen fehlende Sonne, Müdigkeit und Winterdepression.

Frau Lemm, eigentlich arbeiten Sie als Ärztin mit Laser- und Tageslichttherapie in Ihrer Praxis in Prenzlauer Berg, aber nun erreiche ich Sie in Montenegro.

Ich bin gebürtig von hier und versuche mehrmals im Jahr herzukommen, vor allem während des grauen Berliner Herbsts. Gerade scheint die Sonne, und ich schaue aufs Meer. Aber bald geht es zurück.

Hier hat die „dunkle Jahreszeit“ begonnen, viele sind häufiger müde und träger als im Sommer. Fehlt denen das Licht?

Ja, das kann man so sagen. Licht hat einen großen Einfluss auf den Körper. Es bestimmt unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Zum Abend, wenn es dunkler wird, steigt in unserem Körper der Spiegel des Schlafhormons Melatonin an. Es hilft uns beim Erholen. Über Nacht schütten wir es aus und am Morgen sollte es abgebaut sein – wenn nicht, sind wir noch müde.

Das kennt wohl jeder. Und was hilft?

Tageslicht. Dadurch steigt im Körper das Wachhormon Serotonin. Es ist ein Glückshormon, praktisch ein körpereigenes Antidepressivum.

Vesna Lemm, 50, ist Ärztin für Allgemeinmedizin, Hebamme und ausgebildet in Naturheilverfahren. In ihrer Praxis in Prenzlauer Berg arbeitet sie auch mit Tageslicht- und Lasertherapie.
Vesna Lemm, 50, ist Ärztin für Allgemeinmedizin, Hebamme und ausgebildet in Naturheilverfahren. In ihrer Praxis in Prenzlauer Berg arbeitet sie auch mit Tageslicht- und Lasertherapie.

© promo

Auch gegen die Winterdepression?

Das ist ein umgangssprachlicher Begriff. Der Unterschied zur richtigen Depression ist, dass die Menschen, die nur im Winter darunter leiden, meist auch einen größeren Appetit, mehr Lust auf Kohlenhydrate und längere Schlafphasen haben. Aber ja, Serotonin hilft gegen Müdigkeit, Trägheit und Heißhunger.

Im Winter klingelt der Wecker bei vielen Menschen aber schon, lange bevor es hell wird. Was kann man also tun, um seine Glückshormone zu wecken?

Tageslichtlampen können helfen. So kann man sich zu Hause eine eigene Lichttherapie geben. Am besten sind die Lampen mit 10 000 Lux, täglich sollte man sich – vor allem das Gesicht – 40 Minuten bescheinen lassen. Ich habe große Tageslichtlampen in der Praxis. Am besten ist es, wenn der Patient dabei liest, damit die Augen geöffnet sind und so das Licht noch besser aufnehmen können. Bei geschlossenen Augen klappt es auch – aber es wirkt schwächer.

Und dann wird man so aktiv wie im Sommer?

Ja, wenn man es regelmäßig macht. Wichtig ist, dass die Lampe das ganze Spektrum des sichtbaren Tageslichts abdeckt. Das geht von 380 bis 780 Nanometer von Violett- bis Rotlicht.

Die Farben des Lichts sind auch entscheidend?

Interessanterweise ja. Es gibt Studien, dass vor allem das blaue Licht dasjenige ist, das aktiviert. Gelbes Licht hingegen beruhigt.

Ohne Tageslichtlampe geht es nicht?

Doch. Viel Bewegung und eine ausgewogene Ernährung tragen dazu bei, dass man weniger Licht braucht, um fit zu sein. Gesunde Menschen, die auch nicht an einer Winterdepression leiden, kommen so ganz gut durch den Berliner Herbst und Winter. Sich morgens ans offene Fenster stellen und tief die frische Luft einatmen, oder noch besser: in die Natur gehen. So aktiv wie im Sommer ist man vielleicht nicht – aber muss das überhaupt sein? Man kann die Winterzeit auch dafür nutzen, um einen Gang runterzuschalten.

Die Schreibtischlampe besonders hell zu drehen bringt also nichts.

Licht wirkt immer wach machend. Deshalb schlafen manche Menschen auch schlechter ein, wenn sie beispielsweise abends noch am Bildschirm lesen. Aber normale Lampen sind eben viel schwächer.

Braucht denn jeder Mensch gleich viel Licht?

Nein, es kommt darauf an, wo wir auf der Erde wohnen und wie die Lichtstrahlen auf uns fallen. In Deutschland sind mehr Stunden im Licht nötig, weil das Licht hier nicht so stark ist und in einem flacheren Winkel auf uns scheint. Eine Stunde Sonne am Tag wäre gut – wenn sie denn durch die Wolken kommt.

Dann müssen sich ja gerade die Berliner viel Licht verschaffen.

Unbedingt. Sie sollten sich helle Orte suchen. Ich bin früher, als ich in der Nähe gewohnt habe, immer in den Volkspark Friedrichshain gegangen. Dort gibt es einen kleinen hellen Hügel. Sobald die Sonne scheint, sollte man seine Pause von der Arbeit nach draußen verlegen, wenn es möglich ist. Sonne ist ja auch für den Vitamin-D-Spiegel wichtig.

Das fehlt im Winter auch vielen.

Ja. Vitamin D, das auch ein Hormon ist, brauchen wir für all unsere Zellen, aber besonders für unsere Knochen, Gelenke, und unser Immunsystem. Unser Körper produziert es aus den UVB-Strahlen der Sonne, die wir über unsere Haut aufnehmen.

Die Sonnenbrille sollte ich an einem schönen Wintertag also lieber weglassen?

Genau. Auch ein starker Hautschutz, ein Sunblocker etwa, verhindert, dass wir Vitamin D aufnehmen. Hier ist das richtige Maß gefragt, um sich gut gegen Hautkrebs zu schützen, aber nicht in einen Vitamin-D-Mangel zu kommen.

Angst vor zu viel Sonne muss man im Berliner Winter sicher nicht haben.

Es gibt eine skandinavische Studie, dass Solariumstrahlen positiv auf den Vitamin-D-Spiegel wirken. Und das Licht wirkt auch wieder positiv auf unsere Stimmung – alle zwei Wochen etwa ins Solarium zu gehen kann bei schlechtem Wetter also nutzen.

Vesna Lemm, 50, ist Ärztin für Allgemeinmedizin, Hebamme und ausgebildet in Naturheilverfahren. In ihrer Praxis in Prenzlauer Berg arbeitet sie auch mit Tageslicht- und Lasertherapie. Mit ihr sprach Ronja Ringelstein.

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