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Das Schwimmen in natürlichen Gewässern bringt viel Freude, doch für Kinder und Erwachsene ist es dort gefährlicher.

© Patrick Pleul/dpa

Tipps für Eltern und Schwimmanfänger: Gefahren im Badesee - worauf sollte man achten?

Jetzt mit den Kindern ins Schwimmbad oder zum See - herrlich! Aber nur wer die Risiken kennt, hat mit Sicherheit Spaß.

Temperaturen bis 36 Grad, brüllende Hitze, beste Voraussetzungen also fürs Baden im Freibad oder im See. Allerdings kann dieses wilde, ungezwungene Toben für Kinder tödliche Folgen haben. Anfang Juni ertrank zum Beispiel ein Junge im Jungfernheideteich. Ein Mann hatte das Kind zwar an Land gezogen. Es wurde auch reanimiert, starb aber im Krankenhaus. Deshalb ist es im Zweifelsfall lebensrettend, dass sich Eltern, die mit ihren Kindern beim Baden sind, aber auch Jugendliche, die allein unterwegs sind, an bestimmte Regeln halten und sich ein paar Fakten klar machen.

Wo ist das Baden gefährlicher, im See oder im Schwimmbad?

Definitiv in den Binnenseen, sagt Michael Neiße, der Pressesprecher des Berliner Landesverbands der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Das beweise schon die Statistik der Unfälle. An Seen und Flüssen gibt es viele wilde, unbewachte Badestellen. Dort gibt es viele Gefahren, eine der Größten ist die Selbstüberschätzung. Viele Menschen sehen das andere Ufer und denken, sie könnten es ohne große Probleme erreichen. Allerdings unterschätzen sie dann oft gleich mehrere Faktoren. Faktor eins: die Entfernung zum Ziel. Auch wenn das Ufer nah erscheint, so ist die Wegstrecke doch oft länger als gedacht.

Nächster Faktor: Strömungen. Niemand weiß genau, wann und wo eine Strömung auftritt, doch sie kann verheerende Auswirkungen haben. Die DLRG, sagt Neiße, empfiehlt deshalb, am Ufer entlang zu schwimmen, wenn man schon längere Strecken zurücklegen möchte. Dann kann man sich im Notfall an einem Ast festhalten oder einfach ans Ufer gehen. Nächster Gefahrenpunkt: Schiffe auf Binnenseen oder Flüssen. Frachter oder Passagierschiffe können eine tödliche Gefahr darstellen. Auf der Brücke eines solchen Schiffes sieht man den Kopf eines Badenden oft nicht oder sehr spät. Und selbst wenn – „so ein Passagierschiff stoppt man nicht auf einer Strecke von zehn Metern“, sagt Neiße. In Berlin gilt die klare Regel: Baden ist überall verboten, wo es nicht ausdrücklich erlaubt ist. Der ganze Innenstadtbereich ist tabu, auch die Spree.

Welche Risiken gibt es bei einem Sprung ins unbekannte Wasser?

Sehr viele. Zum Beispiel, sagt DLRG-Sprecher Neiße, wisse ja niemand, wer am Vortag da war. Vielleicht hat jemand einen Einkaufswagen ins Wasser geworfen. Vor allem in der Nähe von Bootsstegen oder Anlegern sollte man sehr vorsichtig sein. „Da stehen unter Wasser oft morsche, abgebrochene Poller, die sieht man nicht.“ Aber die spürt man, wenn man mit einem Kopfsprung einfach so ins Wasser springt. „Da kann man regelrecht aufgespießt werden“, sagt Neiße. Auch flache Gewässer können gefährlich sein, wenn man mit Gottvertrauen reinspringt. Was ist, wenn das Wasser nur einen halben Meter tief ist? Solche Sprünge führen häufig zu Querschnittslähmungen.

[In Berlin-Spandau liegt die Nichtschwimmer-Quote der Kinder so hoch wie in keinem anderen Bezirk. Die DLRG schlägt den Bau einer Traglufthalle über dem Freibad vor, um so mehr Schwimmflächen zu schaffen. Mehr hier konkret im Spandau-Newsletter. Den gibt es in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Genauso grob fahrlässig handelt, wer sich ohne abzukühlen ins Wasser stürzt. Wer drei Stunden in der Sonne gelegen hat und dann sofort ins Wasser springt, sei im schlimmsten Fall nur Sekundenbruchteile von einem tödlichen Herzstillstand entfernt. Das Wasser muss gar nicht so kalt sein, es kommt dabei auf die Differenz zwischen Luft- und Wassertemperatur an. Ein erhitzter Körper, der vielleicht nicht gut trainiert ist, reagiert auf den Temperatur-Unterschied im schlimmsten Fall mit einem Schock. Und der kann zum Tod führen.

Genauso gefährlich ist die Temperaturmessung mit der Hand. Wer, zum Beispiel auf einem Boot, die Hand ins Wasser hält und feststellt, dass das Wasser ja ziemlich warm sei, der lernt oft auf brutale Weise, was eine Sprungschicht ist. Die Sonne heizt die oberste Wasserschicht auf, gerade so tief, dass eine Hand rein passt. Aber unterhalb dieser Schicht kann das Wasser plötzlich eiskalt sein, es können durchaus zehn Grad Unterschied auftreten. Und wer dann fröhlich ins vermeintlich warme Wasser springt, erlebt schockartig, dass er in gefühlter Eiseskälte gelandet ist.

Welche Bedeutung hat das Seepferdchen? Wie nah sollte man bei den Kindern bleiben?

Das Seepferdchen sieht nett aus und macht Kinder auch stolz, doch die Realität ist ernüchternd klar: Aus Sicht der DLRG sind Kinder, die das Seepferdchen besitzen, schlicht noch immer Nichtschwimmer. „Das Abzeichen bedeutet bloß, dass jemand 25 Meter über Wasser bleiben und einen Ring hochholen kann“, sagt Neiße. Erst wer das „Jugendschwimmabzeichen in Bronze“ besitzt, ist aus Sicht der DLRG ein halbwegs sicherer Schwimmer. Seepferdchen-Besitzer sollte man immer in Griffnähe beaufsichtigen. Bei Bronze-Inhabern kann man aufgrund der eigenen Erfahrung reagieren. „Eltern kennen ihre Kinder“, sagt Neiße. „Die wissen, wann sich ein Kind zum Beispiel erschreckt und dadurch in Panik gerät.“

Wie erkennt man, ob ein Kind taucht oder ertrinkt?

„Das ist die schwierigste Aufgabe in unserem Job“, sagt Neiße. Die Rettungsschwimmer haben gleichwohl einen Blick dafür, wer aktiv taucht und wer passiv langsam untergeht. „Wenn jemand abtaucht und wieder kraftvoll an die Oberfläche kommt, weiß man, dass er alles unter Kontrolle hat“, sagt Neiße. „Aber wenn jemand langsam absinkt und langsam hochkommt, ist das ein Warnsignal." Kinder, die untergehen, zappeln nicht wild umher, sondern bleiben regungslos. Ein Kind, das sich wie unter Schockstarre unter der Wasseroberfläche aufhält, muss sofort aus dem Wasser gezogen werden. Ein geschulter Bademeister blickt deshalb immer auf den Boden. Aber auch jeder andere Badegast sollte wachsam sein.

Was Eltern oft nicht wissen: Die Vorstellung, ein ertrinkendes Kind würde wild um sich schlagen und rufen, ist in den allermeisten Fällen falsch. Ertrinken passiert leise, sehr oft unbemerkt, selbst wenn Eltern in unmittelbarer Nähe stehen. Wenn ein ertrinkendes Kind es zwischendurch immer wieder kurz an die Oberfläche schafft, kann es nicht rufen, weil es in diesem Moment Luft holt. So glauben Eltern manchmal, ihr Kind beim Tauchen und Planschen zu beobachten, während es in Wirklichkeit ertrinkt. Wenn das Kind es dann nicht mehr an die Oberfläche schafft, vergehen weitere wertvolle Sekunden, bis die Aufsichtsperson die Notlage versteht – und dann ist es oft schon zu spät.

Nicht unterschätzt werden darf auch, dass Kleinkinder schon in Wassertiefen von wenigen Zentimetern ertrinken können, etwa in einem Planschbecken. Fallen sie ins Wasser, werden sie oft panisch. Zudem ist ihr Kopf im Verhältnis zum Körper viel schwerer als bei Erwachsenen, sie schaffen es oft schlicht nicht, den Kopf noch einmal anzuheben. Deshalb gilt gerade bei sehr kleinen Kindern: Eltern müssen den Nachwuchs immer unmittelbar im Blick haben, wenn der sich im oder am Wasser aufhält.

Die DLRG empfiehlt, schon mit dem Babyschwimmen anzufangen. Spätestens mit drei oder vier Jahren sollte ein Kind Schwimmunterricht bekommen.

Wie rettet man ein ertrinkendes Kind?

Erste, wichtigste Regel: niemals die Kraft eines Kindes unterschätzen. Kinder können übermäßige Kräfte entwickeln, wenn sie in Panik geraten. „Es kann sein, dass einem ein Kind die Kehle mit so viel Kraft zudrückt, dass ein Erwachsener keine Luft mehr bekommen“, sagt Neiße. Kann man im Wasser noch stehen, dann greift man am besten einfach zu und lässt das Kind strampeln. Hat man keinen Boden unter den Füßen, dann gilt: auf keinen Fall zugreifen, solange noch jemand strampelt. Das hört sich grausam an, ist aber im Zweifel lebensrettend. „So lange jemand noch strampelt, hat er genügend Kraft“, sagt Neiße. Um sich über Wasser zu halten, vor allem aber, um jemandem die Kehle zuzudrücken.

Wenn man ein Kind retten will, sollte man immer von hinten anschwimmen. Wichtig dabei ist auch, so zuzufassen, dass das ertrinkende Kind das Gefühl hat, in Sicherheit zu sein. Ansonsten greift es in Panik an die Kehle des Retters. Befindet man sich dabei in der Nähe des Ufers, ist es sinnvoll, um Hilfe zu rufen. Jemanden zu bitten, etwas ins Wasser zu werfen, einen Gegenstand, an dem man sich festhalten kann. Diesen Gegenstand sollte man zwischen sich und das Opfer legen. Das ermöglicht dem Ertrinkenden, dass er sich an etwas festklammern kann.

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