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Tim Renner will einen Neustart am Checkpoint Charlie erreichen.

© Thilo Rückeis

Tim Renner lädt zum Workshop: Auf der Suche nach einem Neustart am Checkpoint Charlie

Zwölf Kunst- und Kulturschaffende erarbeiten eine alternative Planung für den Checkpoint Charlie. Eingeladen hatte der ehemalige Staatssekretär Tim Renner.

Bis zum 21. August bleibt noch Zeit für Einsprüche gegen die Pläne zur Neugestaltung der Brache östlich und westlich der Friedrichstraße. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht dort einen Stadtplatz vor, ein Museum des Kalten Krieges und im hinteren Teil sollen Wohn- und Geschäftshäuser entstehen mit einem Anteil von Sozialwohnungen. Wie aber der Stadtplatz aussehen soll und wie genau das Museum unter Kuratel der Stiftung Mauer den Kalten Krieg erklären wird, dazu gibt es keine Aussagen – ein zentrales Versäumnis aus Sicht eines spontan gegründeten bürgerschaftlichen Rats namhafter Kulturschaffender, die sich auf Einladung von Ex-Kultursenator Tim Renner (SPD) am Wochenende zu einem Workshop trafen.

„Der Schlüssel ist nicht der Beton und die Gestaltung von Gebäuden, sondern die Frage, was kann dieser Platz den Menschen geben, den Berlinern, den Deutschen, allen in der ganzen Welt“, sagte Daniel Libeskind. Für den Architekten des Jüdischen Museums ist der Checkpoint Charlie der zentrale Platz, von dem aus Berlin als Ort der Freiheit und Demokratie gedacht und symbolisiert werden muss. Deshalb brauche es für dessen Gestaltung die „große Idee“, von der ausgehend dessen Bespielung, Nutzung und ganz am Ende eben auch dessen Bebauung abgeleitet werden kann. Genauso wie am Ground Zero, dessen Masterplan Libeskind zeichnete – und zwar ausgehend von den „Stimmen der Opfer und Hinterbliebenen“ des Terroranschlags, die der Architekt als erste befragte und aus deren Erfahrungen, Gedanken und Erwartungen er den Ort schuf.

Tresor-Erfinder Dimitri Hegemann, Tacheles-Gestalter Jochen Sandig, Kuratorin und Galeristin Yasha Young (Urban Nation), Marion Heine (dan perlman-Chefin), Radio- Moderatorin Silke Super, Arte-Koordinator Wolfgang Bergmann, Ania Pilipenko (Holzmarkt-Genossenschaft), Annemie Vanackere (HAU Hebbel am Ufer), Sören Birke (Musicboard Kesselhaus) – und der Grünen-Abgeordnete Notker Schweikhardt gehören außerdem zu den rebellischen Zwölf, die den Checkpoint weder durch die Verwaltungsmaschinerie durchplanen lassen will noch in die Hände eines Entwicklers geben wollen. Sie verstehen sich als Stadtbürger, arbeiten ehrenamtlich, unbezahlt und ohne Auftrag.

Einen „Plan C“ (Sandig) fordern sie zur Rückeroberung der Brachen Zimmerstraße Ecke Friedrichstraße. Nicht B für bauen, sondern C für Checkpoint, aber eben auch für „Consens“ statt „Conflict“, für „Community“ statt „Commerce“ – und für den Bruch mit der Konvention, wonach der Beton gegossen wird, bevor die zentrale Idee gefunden ist. Eine Umkehrung der üblichen B-Planung gleichsam, die aber aus Sicht der Menschen in den Städten die „normale“ sein müsste: Nämlich die (bauliche) Form nicht von (kommerziellen oder politischen) Interessen abzuleiten, sondern von den Wünschen der Bürger.

Dass der Checkpoint wie ein Magnet Menschen anzieht, zeigt diese Zahl: 4,5 Millionen kommen jährlich. Nur: Sie finden nicht, was sie suchen, wie die Stiftung Berliner Mauer bei Befragungen herausfand. Der Checkpoint Charlie symbolisiert die Konfrontation der Großmächte im Kalten Krieg, die Teilung Europas. Aber außer der Lücke im Stadtgrundriss, einer Reihe Pflastersteine und improvisierter Gedächtniskultur sind alle Spuren gelöscht – und die Besucher frustriert.

Ändert sich das durch eine Musealisierung? Das bezweifelt der „Rat der 12“ und fordert innezuhalten und will mit Ideen zur Bespielung des Checkpoints diese Lücke zwischen Erwartungen und Wirklichkeit des bestehenden bunten Budenzaubers mit Schauspielern in Grenzpostenkluft, fliegenden Händlern Sowjetischer Orden „Made in China“ schließen.

Die Intervention ist riskant, das politische Feld vermint. Bauträger Trockland zerrt am Ärmel des Insolvenzverwalters, der das Grundstück mit den hohen Altschulden besitzt. Diese Schulden hat eine Firma mit unbekannten Gesellschaftern (AF1) gekauft, die mit dem Bauträger verbandelt ist. Der wollte eigentlich eine weitere Filiale der Kette „Hardrock-Hotel“ bauen. Das verhindert der Bebauungsplan immerhin. Trockland-Manager Heskel Nathaniel, der im weißen T-Shirt am Vorabend des Workshops die Kreativen begrüßte, wollte sich flugs mit Libeskind ablichten lassen – Investorennähe, die dem Architekten Unbehagen bereitete, wie er sagte. Trockland zahlte die Spesen des Workshops. Im Abgeordnetenhaus sprachen sich SPD-Vertreter wiederholt für Trockland als Bauherrn aus. Linke und Grünen wollen den weltberühmten historischen Fleck Berlins zurückkaufen, bevor er weiter verramscht wird.

Diese Gefahr ist nicht gebannt. Im Gegenteil, kippt die Intervention den Bebauungsplan, könnten schlimmstenfalls die Flächen nach Paragraf 34 mit derselben Investorenarchitektur zugestellt werden wie im Umfeld – der Rat der Zwölf würde sich dann als Vollstrecker der Rendite-Logik erweisen. Ralf Schönball

Alle Ergebnisse des Workshops veröffentlichen wir ausführlich in unserer Dienstagsausgabe

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