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Versuchsobjekt: Eine Maus im Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin.

© Mike Wolff

Tierversuche in Berlin: Neues Gesetz soll Mäuse, Ratten und Affen besser schützen

Tierversuche sind nur erlaubt, wenn es keine Alternativen gibt. Die Kriterien sind umstritten. Tierschützer sollen nun gegen Entscheidungen klagen dürfen.

Wann ist ein Tierversuch notwendig und wann nicht? Ethisch wie medizinisch fällt die Antwort schwer. Tierschützer haben in Berlin nun künftig das Recht, Tierversuche gerichtlich überprüfen zu lassen. Das steht in einem Gesetzentwurf, den Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Dienstag dem Senat vorgelegt hat.

Bisher ist es bloß Wissenschaftlern erlaubt, vor Gericht zu ziehen, wenn ihnen ein Tierversuch verboten wird. Aktivisten und Organisationen hingegen haben aktuell keine Chance, sich im Sinne der Tiere juristisch gegen ein Experiment zu wehren. Grundsätzlich genehmigt in Berlin das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) Tierversuche oder lehnt sie ab.

"Tiere können naturgemäß nicht selbst Klage erheben", sagt Senator Behrend. "Für Tierschutzorganisationen fehlt aber bisher die Möglichkeit, stellvertretend für die Tiere rechtswidriges Handeln oder Unterlassen seitens der Behörden des Landes Berlin anzugreifen."

Im Fachjargon sprechen Experten hier vom sogenannten Verbandsklagerecht. Es erlaubt Organisationen, vor Gericht zu ziehen, ohne dass sie ihre eigenen Rechte verletzt sehen. Es reicht, dass sie ein Anliegen der Allgemeinheit durchbringen wollen. In anderen Bundesländern wie Hamburg, Bremen oder dem Saarland können Tierschützer bereits Verbandsklagen geltend machen.

Kritik von der Industrie- und Handelskammer

Welche Tierversuche verboten sind und welche Experimente erlaubt, steht im Tierschutzgesetz. Dabei gilt, dass das Lageso Tests nur genehmigen soll, wenn es keine alternativen Versuchsverfahren gibt. Allerdings sind die Kriterien strittig, immer wieder kommt es zu Debatten.

Während Tierschutzverbände den Gesetzentwurf loben, kommt Kritik etwa von der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). "Medizinisch relevante Entwicklungen für den Menschen könnten über Jahre durch Rechtsunsicherheit blockiert werden", sagt Henrik Vagt, Geschäftsführer für Wirtschaft und Politik bei der IHK. Der ohnehin bereits hohe Schutz von Versuchstieren verbessere sich dadurch kaum.

"Auf Berlin kommen mit diesem Gesetz potentiell Wettbewerbsnachteile, Abwanderungen, Berufungsprobleme und ausfallende Kooperationspartnern im Forschungsbereich zu", sagt Vagt. Er sieht den Wissenschaftsstandort Berlin bedroht. Die Berliner Wirtschaft fordert den Senat deswegen dazu auf, "gesetzliche Regelungen in ein angemessenes Verhältnis zu einem tatsächlichen Gewinn für den Tierschutz zu setzen".

Auch renommierte Forschungsinstitute beteuern, in einigen Fällen auf Tierversuche angewiesen zu sein. "Auch wenn wir tierversuchsfreie Methoden verwenden, wann immer möglich, können wir nach derzeitigem Stand der Wissenschaft vorerst nicht auf Tierversuche verzichten", schreibt etwa das Max-Delbrück-Centrum (MDC) auf seiner Website.

Thomas Sommer, der wissenschaftliche Vorstand des MDCs, ist dennoch zufrieden mit der Vorlage des Gesetzentwurfs. "Wir unterstützen alles, was das Vertrauen in unsere Forschung stärkt", sagt Sommer. Zugleich nannte er etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen als ein Forschungsgebiet, das nicht ohne Tierversuche auskomme. „Wir arbeiten einerseits mit menschlichem Gewebe“, sagt Sommer. „Aber sobald das ganze Herz-Kreislauf-System im Fokus steht, geht es nicht ohne Versuche mit Tieren.“ Rund 52.000 Versuchstiere meldete das MDC im Jahr 2018 dem Lageso.

Berlinweit kamen laut dem Lageso bei der letzten Erhebung im Jahr 2017 etwa 220.000 Tests an Tieren zusammen. Das entspricht einem Rückgang um 11 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Unter den Tieren waren allein rund 188.000 Mäuse. Am zweithäufigsten forschten Wissenschaftler an Ratten (24.226 Versuchstiere), darauf folgen Fische (3926) und Hühner (1770). An Affen führten Forscher in 109 Fällen Experimente durch.

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