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Bärin Tonja, zwischen den Tatzen ihr gerade mal 21 Tage junge, noch winziges Baby.

© Tierpark Berlin/dpa

Update

Tierpark Berlin: Das Eisbärbaby ist tot

Berlins jüngster Eisbär wurde nur 26 Tage alt. Die kleine Bärin starb am Dienstag, nachdem sie offenbar zu wenig getrunken hatte.

Das war ein Schock. Als die Pfleger von Berlins Eisbärin Tonja und deren Baby am frühen Dienstagmorgen per Videokamera in die hermetisch abgeschirmte Wurfhöhle blickten, sahen sie am Boden einen leblosen, kleinen Körper. Es konnte nur Tonjas Nachwuchs sein, jener am 7. Dezember im Tierpark Friedrichsfelde geborene Eisbären-Winzling, der als „späte Nikolaus-Überraschung“ und „Stolz Berlins“ in den Medien gefeiert worden war, kaum hatte er das Licht der Welt erblickt. Sofort wurden die zuständigen Veterinäre alarmiert, doch sie kamen zu spät. Das noch namenlose Jungtier war in der Nacht verstorben. Ein erster Obduktionsbefund ergab: Es trank in den vorangegangenen 12 bis 15 Stunden nicht genug Muttermilch und starb möglicherweise an Austrocknung.

Auch der kleine Eisbär Fritz ist vor vier Monaten gestorben

Der Kurator für die Eisbären des Tierparks, Florian Sicks, zeigte seine große Enttäuschung ganz offen. Man wisse zwar, sagte er, „dass die Sterblichkeit von Jungtieren bei Eisbären in den ersten Lebenswochen sehr hoch ist“, dennoch seien alle Beteiligten nun deprimiert. „Es macht uns traurig.“ Zumal ja erst im März vergangenen Jahres der kleine Eisbär Fritz mit vier Monaten überraschend gestorben war. Umso mehr hatte man nun große Hoffnungen in das am 2. Januar gerade mal 26 Tage junge Eisbärenmädchen und seine Mutter gesetzt. Beide kamen bestens miteinander klar, Tonja kümmerte sich vorbildlich, es gab viel Grund zum Optimismus. Weshalb ihr Baby in der Nacht zum Dienstag dann offenbar lethargisch wurde und keine Milch mehr zu sich nahm, ist noch völlig unklar.

Noch am Neujahrstag, punkt 10.25 Uhr, beobachteten Pfleger über die Videokamera verzückt, wie der Mini-Eisbär gierig bei seiner Mutter trank. Man habe sogar „genüssliche Sauggeräusche“ gehört, freuten sie sich. Ein Mikro in der Wurfhöhle nahm diese auf. Kurz vor Silvester hatte der Tagesspiegel bereits ein Tierpark-Video online veröffentlicht, auf dem man das etwa ein Kilo leichte Bündel sieht und fiepsen hört. Es hebt schon den Kopf und öffnet seine schwarzen Knopfaugen, stand im dazugehörigen Artikel.

Tonja war zum Schutz strikt isoliert

Tonjas Wurfhöhle lag in einem Stallgebäude hinter dem Eisbärengehege. Nach ihrer Paarung mit dem zwei Jahre älteren Bären Wolodja im Frühjahr 2017 hatte sich die achtjährige Tonja Ende Oktober dorthin zurückgezogen, um zu gebären. Anfangs kam sie in der Nacht zum 7. Dezember mit zwei Jungtieren nieder, doch beide starben kurz darauf. Wenig später entdeckten die Pfleger dann ein „meerschweinchengroßes“, weiteres weißes Fellbündel. das zu ihrer Freude überlebte. Es war das nun verstorbene Mädchen.

Dessen Geschlecht war allerdings bis zu seinem Tod am Dienstag unklar. Denn Eisbärenmütter dürfen in den ersten Monaten nach der Geburt, solange bis sie ihre Kinderstube verlassen, „nicht das kleinste bisschen gestört werden“, sagt Kurator Florian Sicks. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sie ihre Babys verlassen. Deshalb wurde Tonja in ihrer abgedunkelten Höhle strikt isoliert. Bei konstanten 12 Grad Celsius und perfektem Klima, für das eine spezielle Anlage sorgte – und fern jeder Hektik.

Der im März 2017 verstorbene Eisbär Fritz.
Der im März 2017 verstorbene Eisbär Fritz.

© dpa

Sie blieb seit dem 7. Dezember „völlig alleine“, kein Pfleger oder Tierarzt näherte sich ihr, also bekam sie auch kein Futter, was aber für Eisbärenmütter in der Wöchnerinnenzeit normal ist. „Sie fressen sich bis zum Geburtsdatum etwa 100 Kilogramm Fett an, von dem sie monatelang leben, bis sie ihr Refugium total ausgezehrt wieder verlassen“, erklärt Kurator Sicks. Auch Tonja habe man im Herbst 2017 entsprechend angefüttert, so dass sie bestens genährt ihre Babys bekam. Die Neuankömmlinge sind bei Eisbären ungewöhnlich klein und alleine nicht überlebensfähig, weshalb sich die Mütter mit ihnen auch in freier Natur extrem lang zurückziehen. Dennoch liegen die Überlebenschancen junger Bären bei nur 50 Prozent.

Weitere Obduktion steht aus

Das gestorbene Eisbärenmädchen wird nun im Leibnizinstitut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin weiter obduziert, um die genauen Hintergründe des Todes herauszufinden. Diese sind selbst bei ihrem im März dieses Jahres gestorbenen Bruder Fritz, den Bärin Tonja ebenfalls mit Wolodja gezeugt und Ende 2016 zur Welt gebracht hatte, noch nicht vollständig geklärt. Man weiß zwar inzwischen, dass er an einer Leberentzündung verschied. Wieso sich diese Krankheit aber entwickelte, darüber rätseln die Experten. Die Pfleger mussten mit ansehen, wie er kurz vor seinem Tod schwere schmerzhafte Bauchkrämpfe bekam.

Mutter Tonja mit ihrem Baby am 28. Dezember 2017.
Mutter Tonja mit ihrem Baby am 28. Dezember 2017.

© dpa

Als Lehre aus dem Drama mit Fritz wurde Tonjas künftige Wurfhöhle damals „komplett optimiert“, sagt Tierpark-Sprecherin Christiane Reiss. Dazu gehörten der Einbau einer Klimaanlage und verbesserter Kameras, außerdem setzte man modernste Quarantänetechnik ein, um Infektionen zu verhindern. Und schließlich wurde die „Hütte“, sagt Reiss, „schön gemütlich ausgestreut“. Tonja habe sich dort sichtlich wohlgefühlt und ihr Mädchen „fast immer auf ihrem Fell oder den weichen Tatzen gebettet“.

Überraschender Tod von Eisbär Knut im Jahr 2011

Ist die Eisbären-Aufzucht im Berliner Tierpark und Zoologische Garten vom Pech verfolgt? „Keineswegs“, sagen die Verantwortlichen. Letztlich war ja auch Knut, der wohl berühmteste Eisbär der Welt, immerhin fast fünf Jahre lang ein putzmunterer Star, bevor er Anfang 2011 eine Gehirnhautentzündung bekam und überraschend in sein Wasserbecken stürzte und ertrank.

Eisbär Knut in jungen Jahren.
Eisbär Knut in jungen Jahren.

© picture-alliance/ dpa

Seit 1986 wurden acht Eisbärchen im Tierpark erfolgreich aufgezogen

Und im Tierpark gab es sogar eine ganze Reihe erfolgreicher Aufzuchten. Der allererste Eisbär kam dort am 7. November 1986 zur Welt, er war eine Punktlandung, denn am selben Tag hatte der damalige und bis heute legendäre Tierparkdirektor Heinrich Dathe Geburtstag. Deshalb wurde der kleine Bär Björn-Heinrich genannt. Er starb 2011 im Zoo der serbischen Stadt Palic. In den folgenden Jahren bis 1949 erblickten dann weitere sieben Jungtiere im Tierpark das Licht der Welt. Sie wurden dort bis auf eine Handaufzucht erfolgreich von ihren Bärenmüttern großgezogen und später zumeist an andere Zoologische Gärten in Europa abgegeben. Das neunte Bärchen war dann Fritz.

Sein letztes kleines Bärenmädchen hätte der Tierpark wohl gerne auf Dauer behalten. Mitte Januar hatten die Pfleger vor, sich erstmals behutsam der Wurfhöhle zu nähern. Das ist nun vorbei. Aber Tonja und Wolodja sollen gewiss wieder Eltern werden. Seit Eisbären in den Polarregionen vom Aussterben bedroht sind, ist ihre Aufzucht vielen Zoologischen Gärten ein wichtiges Anliegen.

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