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Einige trauen sich schon wieder Urlaub in Berlin zu machen - langsam spürt das auch die Tourismusbranche.

© Fabian Sommer/dpa

Ticket in die Hauptstadt: Die Touristen sind zurück in Berlin – doch noch ist nicht alles beim Alten

Die Tourismusbranche hat stark unter der Corona-Pandemie gelitten. Allmählich füllen sich die Straßen der Stadt wieder mit Besuchern.

Etwas verloren steht Elisabeth-Sabine Schöpf mit ihren Reisebegleiterinnen auf dem Platz des 18. März im Schatten des Brandenburger Tors. Heiß scheint die Sonne auf das Wahrzeichen herab an diesem Sommertag Mitte Juli. Ein wenig skeptisch beäugt die 58-Jährige die Tourist:innen, die sich auf dem Pariser Platz tummeln.

Etwa zwei Dutzend Urlauber:innen jeden Alters stehen auf der Pflasterfläche in der Sonne. Das Handy griffbereit, um sich vor dem Brandenburger Tor abzulichten.

„Die Buchungen ziehen an“, sagt Christian Tänzler, Sprecher der Tourismusmarketing-Gesellschaft Visit Berlin. Das merke man an verschiedenen Parametern, vor allem an den Hotelbuchungen. Diese fielen in den verschiedenen Kategorien aber sehr unterschiedlich aus. „Es ist kein einheitliches Bild“, betont Tänzler. Außerdem seien Museen und andere Attraktionen wieder stärker nachgefragt.

Die Einschätzung durch die Branche selbst sei aber eindeutig und laute: „Es ist noch Luft nach oben.“ Tänzler und sein Team merken vor allem, dass die Visit-Berlin-Website wieder häufiger aufgerufen wird. Teilweise lägen die Seitenaufrufe „sogar über dem Niveau von 2019“, sagt der Sprecher.

Trotz dieser positiven Tendenz äußert er sich aber verhalten, will keine Prognosen zur weiteren Erholung des Tourismus in Berlin machen: „Das ist Glaskugelleserei. Prognosen waren noch nie so schwierig wie heute.“ Entscheidend sei – neben der Entwicklung der Pandemie – „wie die Leute sich fühlen mit den Nachrichten, die sie kriegen.“

Elisabeth-Sabine Schöpf betont, wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie nicht nach Berlin gereist. „Weil mir das noch zu unsicher ist.“ Berlin sei das Wunschziel der beiden jungen Mädchen gewesen, mit denen Schöpf und ihre Begleiterinnen unterwegs sind.

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Generell empfinde sie die Menschen in Berlin als eher unvorsichtig, was die Einhaltung der Pandemieregeln anbelangt, sagt die 58-jährige Westfälin. „Die Maßnahmen müssen sein“, stellt sie klar. Auch wenn man sich dadurch eingeschränkt fühle. In ihrer Heimatstadt Münster seien die Einwohner:innen sehr diszipliniert, hielten etwa in Geschäften generell Abstand zueinander.

Das sei eine Frage von „Respekt dem anderen gegenüber“, meint die Westfälin. „Das empfinde ich jetzt so hier nicht.“ Dabei empfinde sie die Corona-Maßnahmen in Berlin als sehr gut. Vor allem die Geschäfte und Restaurants würden sich bemühen, „dass man ein sicheres Gefühl bekommt.“

Wenig ausländische Touristen

Susanne Schumacher sieht das etwas anders. Die Chemielaborantin ist glücklich, dass in Sachen Reisen wieder mehr möglich ist. „Die, die Angst haben, sollen zu Hause bleiben“, findet die 53-Jährige und freut sich über die Stimmung in der Stadt: „Alle sind gut drauf.“ Gemeinsam mit ihrem Mann ist sie für einen dreitägigen Kurzurlaub nach Berlin gekommen.

Unter den Urlaubsreisenden in der Hauptstadt sind auch wieder ausländische Gäste, sogar aus Übersee. In der prallen Sonne vor dem Brandenburger Tor steht ein junger US-Amerikaner. Der 25-Jährige reist gerade durch Europa, bevor im August sein Medizinstudium beginnt. Damit gehört er zu den wenigen ausländischen Tourist:innen, die dieses Jahr die Stadt besuchen.

Christian Tänzler geht davon aus, dass Berlinbesucher:innen auch 2021 größtenteils aus Deutschland kommen werden. Laut Visit-Berlin-Bilanz gingen 70 Prozent der Übernachtungen im vergangenen Jahr auf deutsche Gäste zurück, 30 Prozent auf internationale Besucher:innen, 2019 waren es 55 Prozent nationale und 45 Prozent internationale Gäste. Der amerikanische Tourist findet, in Berlin gebe es viel mehr Einschränkungen als in seiner Heimatstadt Miami in Florida.

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„Wir haben dort nicht wirklich viele Einschränkungen“, sagt er und fügt hinzu, die strengeren Maßnahmen in Deutschland seien darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Geimpften und Genesenen hier geringer sei als in Florida. Gestern sei er aus Amsterdam nach Berlin gekommen. „Dort musst du überhaupt keine Masken tragen.“ Selbstverständlich halte er sich an die Corona-Regeln in Berlin. Aber er fühle sich hier nicht so frei wie in seiner Heimat.

„Das Interesse, grundsätzlich nach Berlin zu kommen“ sei vorhanden, erklärt Visit-Berlin-Sprecher Christian Tänzler. Aber die Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie würden den Tourismusbetrieb in Berlin erschweren, fügt er hinzu. Außerdem gebe es viel mehr kurzfristige Buchungen, was die langfristige Planung von Hotels und anderen Gästeunterkünften schwer mache.

Laut Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) sind die Buchungen in Berlin seit der Öffnung der Hotels am 11. Juni 2021 im Vergleich zum gleichen Zeitraum in 2019 um rund 58 Prozent eingebrochen, der Umsatz um rund 68 Prozent. Im ersten Halbjahr 2021 waren sogar ein Rückgang der Buchungen um rund 77 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 und ein Umsatzrückgang um rund 84 Prozent zu verzeichnen.

Beschäftigte orientierten sich während des Lockdowns um

Derzeit gebe es nach wie vor einen „nicht unerheblichen Anteil“ an Angestellten in Kurzarbeit, da die Buchungslage in vielen Häusern noch keine Vollbeschäftigung zulasse, sagt Dehoga-Geschäftsführer Thomas Lengfelder. Generell mangele es in den Hotels der Stadt aber – wie in der gesamten Tourismusbranche – an Personal. Etliche Beschäftigte hätten sich während des Lockdowns umorientiert und in anderen Branchen nach einer Arbeitsstelle gesucht.

Nicht so Falk Siegfried. Der 33-Jährige ist seinem Beruf treu geblieben. Er arbeitet in Berlin als Ticketverkäufer für Stadtrundfahrten. „Ich habe das Gefühl, dass ungefähr fünf bis zehn Prozent der Touristenzahl von vor zwei Jahren hier sind“, schätzt Siegfried. Normalerweise seien bei den Stadtrundfahrten sechs verschiedene Firmen mit insgesamt 60 Bussen gleichzeitig unterwegs. Momentan seien es stattdessen etwa 14 Busse. Dieses Jahr sei aber „deutlich besser als letztes Jahr“.

2020 hätten sie „zwei Tickets am Tag“ verkauft. Das bestätigt auch Visit-Berlin-Sprecher Tänzler: „Wir gehen davon aus, dass in diesem Jahr die Sommerbuchungslage besser sein wird als 2020.“ Besucher:innen wie Elisabeth-Sabine Schöpf tragen dazu bei, dass Tourismusunternehmen in Berlin zumindest ein wenig aufatmen kann. „Man ist schon froh, dass man wieder mehr raus kann“, findet die 58-Jährige – trotz aller Vorsicht.

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