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Wiederholungstäter: Rafik Y. bei seinem Terrorprozess in Stuttgart-Stammheim 2008.

© Reuters, Alex Grimm

Terrorist Rafik Y. lebte in Berlin-Spandau: Islamist und Psychopath

Rafik Y., der am Donnerstag mehrere Menschen attackierte und von einem Polizisten erschossen wurde, war den Sicherheitsbehörden lange bekannt. Auch nach dem Gefängnis galt er als gefährlich. Ein Porträt.

Von Frank Jansen

Er war einer dieser Fanatiker, an die man sich auch Jahre später sofort erinnert. Es gibt da ein Bild, das sich ins Gedächtnis eingebrannt hat. Rafik Y. sitzt am 15. Juli 2008 auf einem Stuhl im Gerichtsbunker von Stuttgart-Stammheim, er schüttelt den Kopf, er schreit die Richter an, „Schwein“, „Neonazi“. Der hagere Mann mit dem schwarzen Vollbart, den langen, fettigen schwarzen Haaren, dem bleichen Gesicht und den stechenden Augen hat sich mal wieder nicht unter Kontrolle. Mehr noch als die Mitangeklagten, auch verbissene Islamisten, ist Rafik Y. eine dämonische Figur, gefährlich und unberechenbar. Dass sich so ein Mensch jemals ändern könnte, erscheint am Tag des Urteils unvorstellbar.

Und so bleibt es dann auch, bis zum gestrigen Tag, an dem Rafik Y. mit einem Messer auf eine Polizistin losgeht.

2003 wollte er den Premier des Iraks erschießen

Im Stuttgarter Prozess wurde der Iraker 14-mal wegen seiner Wutausbrüche von der Verhandlung ausgeschlossen und bekam 114 Tage Ordnungshaft. Das ist selbst für beinharte Extremisten rekordverdächtig. Und vielleicht war es gerade die ungebremste Aggressivität, die Rafik Y. im Dezember 2004 für die irakische Terrororganisation Ansar al Islam zum idealen Kandidaten für ein Attentat auf den damaligen Premier des Irak, Ijad Allawi, machte. Rafik Y. wollte am Morgen des 3. Dezember Allawi bei seinem Staatsbesuch in Berlin erschießen. Der Islamist wusste, dass Allawi zu der Zeit einen Termin im Gebäude der Deutschen Bank in der Charlottenstraße wahrnehmen wollte. Am Abend zuvor spähte er mit einem Komplizen den geplanten Tatort aus. Die beiden fuhren in einem Ford Fiesta durch die Charlottenstraße, die Friedrichstraße und Unter den Linden. Später telefonierte Rafik Y. noch mit einem weiteren Kumpan in Augsburg. Die Polizei bekam alles mit und nahm die Bande am frühen Morgen des 3. Dezember fest – und Rafik Y. bekam dann später acht Jahre Haft.

Auch im Irak war er in Haft

Wie konnte der Iraker derart abdriften? Was die Sicherheitsbehörden über seine Biografie bis zum Beinahe-Anschlag herausfanden, ist vage. Geboren am 27. August 1974 in Bagdad, 1992 Abitur in der nordirakischen Großstadt Mossul, dann ein Job als Händler für Elektrogeräte und Bücher. Und er geriet offenbar in Konflikt mit dem Regime des damaligen Diktators Saddam Hussein. Von Februar 1994 bis Juni 1996 habe er in Mossul in einem Gefängnis der Staatssicherheit gesessen, erzählte Rafik Y. in seinem Asylverfahren in Deutschland. Nur Tage nach der Entlassung aus der Haft sei er mit einem falschen Pass in die Türkei geflüchtet und von dort nach Berlin geflogen. In Tegel kam er an. Für das Flugticket und den Pass habe er einem Schleuser 6000 US-Dollar gezahlt, sagte Rafik Y.

Der Antrag auf Asyl wurde 1998 anerkannt. Rafik Y. zog in Neukölln ein kleines Bauunternehmen auf, doch ohne Erfolg. Womöglich verhärtete sich dann auch seine politische Einstellung. Auch nach den acht Jahren Haft blieb Rafik Y. Islamist. Und Psychopath. Die Polizei hatte den in Spandau lebenden Mann, so oft es ging, im Blick.

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