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Geduldsprobe: Wer auf einen Termin im Bürgeramt angewiesen ist, braucht gute Nerven.

© Kai-Uwe Heinrich

Terminchaos und Wartezeiten in Berlin: „Ein zusätzliches Bürgeramt wird die Probleme nicht lösen“

Die Bürgerämter sind das Schaufenster der Verwaltung – und ihre größte Baustelle. Mittes Stadträtin Ramona Reiser über unfaire Kritik und realistische Szenarien.

Frau Reiser, schätzungsweise 250.000 unerledigte Termine in den Bürgerämtern, wochenlange Wartezeiten auf Dienstleistungen wie eine Passverlängerung. Droht den Berliner Bürgerämtern der Kollaps?
Wir wissen aus der Vergangenheit, dass es insbesondere vor den Sommerferien und damit der Haupturlaubszeit zu einer Überlastung kam, vor allem wegen der Passangelegenheiten.

In diesem Jahr kommt die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit durch die Corona-Maßnahmen oben drauf, die aktuellen Lockerungen führen zu einer zusätzlichen Dynamik. Die Situation ist nicht gut, daran gibt es nichts zu beschönigen. 

Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat zuletzt genau das moniert und Maßnahmen vorgeschlagen – aus den Bezirken kam scharfe Kritik. Warum?
Weil wir genau zu diesen Themen seit Jahren etablierte Gremienstrukturen haben und dort einen guten Austausch pflegen. Auch die meisten der nun von der Innenverwaltung gemachten Vorschläge waren dort längst debattiert und entweder umgesetzt oder verworfen worden. Der Ton der Kritik hat viele irritiert und die Mitarbeiter:innen vor Ort regelrecht verletzt.

Die Kolleg:innen in den Bürgerämtern haben unter schwierigsten Bedingungen Außerordentliches geleistet. Dafür gilt Ihnen meine höchste Anerkennung. Wie so oft im Leben gilt: Lieber miteinander als übereinander sprechen.

Aber im Kern hat Herr Geisel doch recht: So, wie es ist, kann es nicht bleiben. Was muss sich ändern?
Ich hoffe, dass wir mit den sinkenden Inzidenzen wieder mehr räumliche Kapazitäten – sowohl im Wartebereich als auch in den Büros – zur Verfügung haben. Auch im Bereich der Öffnungszeiten gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Wenn wir jetzt alle eine Schippe drauflegen, kann das etwas verändern. Das gilt auch für die Überbuchung von Terminen.

Was meinen Sie damit?
Aktuell werden berlinweit 20 Prozent der vereinbarten Termine nicht wahrgenommen, überbucht [also neu vergeben, Anm. d. Red.] werden sie aktuell aber in keinem einzigen Bezirk. Da ist Luft nach oben und auch wir in Mitte wollen künftig anders vorgehen. Kapazitäten für dringende Fälle müssen aber nach wie vor eingeplant werden.

Ramona Reiser (Linke) ist Stadträtin für Bürgerdienste im Bezirk Mitte.
Ramona Reiser (Linke) ist Stadträtin für Bürgerdienste im Bezirk Mitte.

© Bezirksamt Mitte

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Ein Baustein für den Abbau des Terminstaus soll ein extra eingerichtetes Bürgeramt in der Klosterstraße sein. Wie begeistert sind Sie von der Idee der Innenverwaltung?
Selbstverständlich versuchen wir, unser Bestes zu leisten und das neue Bürgeramt rechtzeitig zum 1. August auf die Beine zu stellen. Man muss aber ehrlich bleiben und klar sagen: Ein zusätzliches Bürgeramt allein wird die Probleme nicht lösen, auch wenn die Zweigstelle mit 22 Stellen plus Leitung zu den größten Bürgerämtern der Stadt zählen wird. Ich will da keine falschen Hoffnungen wecken.

Am Dienstag sagte Innensenator Geisel erneut, er gehe von einer Eröffnung des Bürgeramts am 1. August aus. Halten Sie das für realistisch?
Wie gesagt: Wir werden unser Bestes geben. Allerdings sind noch einige große Baustellen offen. Die Technik muss beschafft und angeschlossen werden, schließlich kommen im Bereich Passwesen sensible Geräte zum Einsatz. Aber auch banale Dinge wie ein Fotoautomat müssen beschafft werden.

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Hinzu kommt das Personal. Sachbearbeiter:innen dürften leichter zu finden sein als eine Leitung für die Behörde. Die ist aber insbesondere bei einer Neugründung sehr wichtig. Es bleibt also viel zu tun und möglicherweise starten wir mit acht bis zehn statt 22 Mitarbeiter:innen.

Am kommenden Mittwoch treffen sich ihre Amtskolleg:innen und die Innenverwaltung erneut und wollen konkrete Schritte vereinbaren. Wie optimistisch sind Sie, dass das klappt?
Es ist aktuell nicht die Zeit für Eitelkeiten oder große Ankündigungen in der Presse. Ich hoffe, dass die Bezirke nach der harschen Kritik nicht abtauchen, sondern gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Klar ist: Am Ende ist alles auch eine Ressourcenfrage, die Verwaltung hat mit dem Wachstum der Stadt in den vergangenen Jahren nicht mitgehalten. Wir brauchen Personal und Räume. 2,5 Millionen Euro allein, wie sie der Innensenator jetzt ohne Nennung von Details zugesagt hat, helfen da nicht weiter.

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