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Mittel des Anstoßes - Astrazeneca wird überall in Europa eingesetzt, ist aber trotzdem umstritten.

© REUTERS/Massimo Pinca

Tausende freie Astrazeneca-Termine in Berlin: Rufe nach Änderung der Impfreihenfolge werden lauter

Ungenutzte Termine, leere Zentren, aber volle Regale mit Astrazeneca. Immerhin sollen nun alle Lehrkräfte Impf-Einladungen bekommen.

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Tausende Termine, die allein im Impfzentrum Tegel im März noch zu vergeben wären – offenbar scheuen viele Berliner, trotz steigenden Infektionsrisikos, den Impfstoff von Astrazeneca. Im ehemaligen Flughafen im Berliner Norden wird der britisch-schwedische Impfstoff seit Freitag wieder eingesetzt, zuvor hatte die Bundesregierung einen vorübergehenden Stopp verhängt.

Die Skepsis gegenüber dem Vakzin dürfte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damit genährt haben – trotz der vielen Appelle von Ärzten und Institutionen, die das Präparat als wirksam und risikoarm bezeichneten.

Immerhin sollen etwa 40.000 Beschäftigte an den weiterführenden Schulen in Berlin noch in den Osterferien Termine zum Impfen gegen Corona buchen können. Entsprechende Einladungen für das Personal sollen am Anfang der Osterferien versendet werden, teilte die Senatsbildungsverwaltung am Dienstag mit.

Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagte: „Eine Impfung ist für unser Dienstpersonal der beste Schutz gegen das Virus.“ Sie appelliere an alle, von der Impfmöglichkeit Gebrauch zu machen. Die Impfkampagne für das Personal von Kitas, Förderschulen und Grundschulen hatte in den vergangenen Wochen begonnen.

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In Berlins Opposition wird nun deutlicher über eine Freigabe von Astrazeneca diskutiert, also über das Impfen ohne Reihenfolge nach Alters- und Berufsgruppen. „Das Hin und Her um das Astrazeneca-Präparat hat der deutschen Impfkampagne und dem Image der Impfungen massiv geschadet“, sagte der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja dem Tagesspiegel.

„Wir brauchen mehr Pragmatismus und Flexibilität“

„Noch ist der Schaden nicht unumkehrbar, denn viele Menschen wollen sich ja impfen lassen. Es kann nicht sein, dass Astrazeneca wie Blei in den Regalen liegt, während andere dringend auf eine Impfung warten.“

Wer nach einer Aufklärung und auf eigenen Wunsch mit dem Astrazeneca-Vakzin geimpft werden wolle, dem solle das auch ermöglicht werden. Dabei sollten zuerst chronisch Kranke berücksichtigt werden, danach – sofern noch Astrazeneca-Dosen vorhanden seien – freiwillig alle anderen.

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„Wir brauchen mehr Pragmatismus und Flexibilität“, sagte der FDP-Fraktionschef. „Nur durch eine zukunftsorientierte Impfstrategie wird der Schritt zurück in die Normalität gelingen.“

Sebastian Czaja, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus.
Sebastian Czaja, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus.

© Britta Pedersen/dpa

Die Arbeit in Berlins sechs Impfzentren koordiniert das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Dessen Berliner Präsident Mario Czaja, der Bruder des FDP-Fraktionschefs, sagte am Dienstag: „Die Einladung für die Impfung mit Astrazeneca sollte auf weitere Gruppen ausgeweitet werden – beispielsweise auf die kritische Infrastruktur, also Mitarbeiter aller Sicherheitsbehörden, der BVG, der Wasserbetriebe und auch auf den Einzelhandel. Es ist außerdem sinnvoll, die Arztpraxen schnell mit Astrazeneca zu versorgen. Sie kennen ihre Patienten und die berechtigten Gruppen.“ Er habe dahingehend Vertrauen in die Praxisärzte.

„Für alle Impfstoffe sollte die Priorisierung aufgehoben werden“

Eine weniger strikte Impfreihenfolge wird inzwischen parteiübergreifend gefordert. Der Gesundheitsexperte der Linken, Wolfgang Albers, plädiert dafür, die Impfreihenfolge schnell zu lockern – nicht nur für Astrazeneca.

„Für alle Impfstoffe sollte die Priorisierung aufgehoben werden“, sagte Albers. Ähnlich wie bei Grippe sollten die Corona-Impfungen in Praxen erfolgen können – das fordert immerhin auch die dafür zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV).

Die niedergelassenen Mediziner, sagte Albers, sollten je nach Verfassung ihrer Patienten einen Impfstoff empfehlen und könnten dabei Vorbehalte im persönlichen Gespräch ausräumen.

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Auch Tim-Christopher Zeelen, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht das ähnlich. Eine volle Aufhebung der Impfreihenfolge befürworte er jedoch nicht. „Der Senat sollte Einladungen einfach schneller verschicken. Allein die Gruppe der Menschen mit Vorerkrankungen umfasst 300.000 Berliner, nur ein Bruchteil davon hat bis heute eine Einladung bekommen“, sagte Zeelen.

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Die AfD hingegen spricht sich klar dafür aus, Astrazeneca freizugeben. „Der Gedanke, Astrazeneca für die Allgemeinheit und für das freiwillige Verimpfen in Hausarztpraxen freizugeben, ist für mich absolut nachvollziehbar“, sagte der AfD-Abgeordnete Herbert Mohr.

So sollen ungenutze Impftermine vermieden werden

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hatte sich zuletzt für die sechs Impfzentren stark gemacht, nachdem der KV-Vorstand zum Wochenende deutlich machte, dort nur noch im April arbeiten zu wollen – danach solle in den Praxen geimpft werden. In der turnusgemäßen Sitzung des Senats am Dienstag wurde heftig über die schleppende Impfkampagne diskutiert.

Nach Tagesspiegel-Informationen soll Bürgermeister Michael Müller (SPD) dabei versucht haben, Kalayci zu überzeugen, die strikte Impfreihenfolge zu ändern.

Der vorläufige, offiziell nicht bestätigte Plan: Künftig sollen auch Angehörige der Stufe 4 zur Impfung eingeladen werden. Dies wären die Über-65-Jährigen und viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.

So sollen ungenutzte Impftermine vermieden werden. Senatorin Kalayci hatte schon angekündigt, dass es die Sars-Cov-2-Impfungen absehbar sowohl in den Zentren als auch den Praxen geben solle. Am besten wäre es, hatte die SPD-Politikerin die Bundesregierung aufgefordert, wenn die Corona-Impfungen schnell zur „Regelversorgung“ in den Praxen erklärt werden.

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