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Ingenieur und Artenschützer. Uwe Abraham plant viele technische Baustellen in Berlin und betreibt den Aquadom in Mitte.

© Sven Darmer

Der Ideen-Fischer von Schöneberg: Der Chef des Berliner Aquadoms hat auch ein Herz für Tauben

Uwe Abrahams Job sind technische Lösungen. Aber der Ingenieur kümmert sich auch um Tiere und den Artenschutz. Für Tauben würde er Türme bauen.

Wo findet man mitten in der City schon noch eine so große, ungenutzte, überdachte Freifläche wie unter dem Viadukt der Hochbahn am Nollendorfplatz? Eigentlich wie geschaffen, um dort eine Station für Leihroller, -scooter, -fahrräder im Rahmen des „Jelbi“-Projekts der BVG aufzubauen. Aber Uwe Abraham deutet mit der Hand nur auf die vielen Tauben und deren Hinterlassenschaften.

Damit wird klar, warum der Platz bisher leer blieb. „Wer will schon einen verdreckten Roller fahren?“, sagt der Geschäftsführer eines Ingenieurbüros mit Sitz am Viktoria-Luise-Platz. Die Pläne wurden also verworfen; die Jelbi-Station baute Abraham direkt vor dem „Metropol“ unter freiem Himmel.

Uwe Abraham findet es schade, dass der von Tauben bevölkerte Platz nicht genutzt werden kann. Dabei ist er fest davon überzeugt, dass man die Fläche auch taubenfrei halten könnte. Es sei kein Zufall, dass die Vögel sich gerade dort aufhalten. Sie würden gefüttert. Gäbe es nicht reichlich zu fressen, wären sie nicht dort. „Verbieten hilft nichts“, sagt er. Die Leute hielten sich nicht dran. Man müsste ihnen einen anderen Ort in der Nähe anbieten, an dem sie die Tauben füttern könnten.

Seine Idee: ein Taubenturm auf der Fläche vor dem Feld-Theater am Winterfeldtplatz. Dort hätte man die Taubenpopulation unter Kontrolle, und die Menschen könnten füttern. Abrahams Job ist es, Lösungen zu suchen. Vielleicht wird er das Thema mal weiter vorantreiben. Für das Thema Artenschutz hat er sich schon immer interessiert; er war als Jugendlicher mal Vogelwart auf Sylt.

Tauben versammeln sich oft dort, wo sie gefüttert werden.
Tauben versammeln sich oft dort, wo sie gefüttert werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Baustellen, an denen Uwe Abraham mit seiner Firma beteiligt ist, findet man an vielen Orten im gesamten Bezirk, in der gesamten Stadt. „Wir machen städtische Infrastruktur“, sagt der 69-Jährige. „All diese unscheinbaren Dinge, die vieles im Alltag angenehmer und sicherer machen.“ Aufzüge für die BVG etwa, Radwege, Gehwegvorstreckungen.

Wenn die BVG jetzt an der U6 zwischen Tempelhof und Alt-Mariendorf die Gleisanlagen saniert, werden Abrahams Leute dafür sorgen, dass die notwendigen Materialien am Bahnhof Alt-Tempelhof durch ein großes Loch nach unten an die Baustelle gelangen können. Und auch am südlichen End-Bahnhof der Linie ist seine Firma beschäftigt – mit dem Bau eines Gleichrichterwerks, mit dem die Wechsel- in Gleichspannung umgewandelt wird.

Es gilt der alte Bergmannsgrundsatz: „Vor der Hacke ist es dunkel“

Warum dauern viele öffentliche Baustellen so lange? Er kennt eine Antwort. Wenn im Untergrund gearbeitet werde, gelte der alte Bergmannsgrundsatz: „Vor der Hacke ist es dunkel.“ Will heißen, solche Arbeiten sind unwägbar, keiner weiß so richtig, was er da unten vorfinden wird. Jede Menge Leitungen beispielsweise, die vorsichtiges Vorgehen notwendig machen.

Und natürlich gebe es in Berlin auch jede Menge Zuständigkeiten – Senat, Bezirke, Versorgungsunternehmen. Wenn Abstimmungsschwierigkeiten mit den Behörden zu Verzögerungen führten, habe das zur Folge, dass die für den ursprünglichen Termin beauftragen Baufirmen längst anderswo wieder aktiv seien. Dann müsse man eben warten, bis sie wieder Kapazitäten haben. So einfach, so nervig.

Unterwegs mit Jelbi. An den Stationen findet man die verschiedenen Angebote der Sharing-Unternehmen.
Unterwegs mit Jelbi. An den Stationen findet man die verschiedenen Angebote der Sharing-Unternehmen.

© Britta Pedersen/dpa

Uwe Abrahams Weg zum Ingenieur und Unternehmer war kein geradliniger. Als Student in den sechziger und siebziger Jahren war er politisch engagiert, linksradikal, wie er heute sagt. Die Straßenkämpfe West-Berlins kannte er nicht nur aus der Zeitung, er gehörte dazu. Zu seinem politischen Engagement gehörte auch, Teil der Arbeiterklasse sein zu wollen. Nach dem Studium zog es ihn also nicht in ein Ingenieurbüro, er wurde erst einmal Schlosser. Mit anderen gründete er in Kreuzberg das „Kollektiv Metall“, kurz: KoMet.

„Als einziger Neigungsmetaller empfiehlt sich Gründungsmitglied Uwe Abraham, Stadtplaner von Beruf, kokett als ‚Mann fürs Grobe‘; für das Formenfräsen auf feinste Toleranzen, gesteht er, gehe ihm sowohl die Ausbildung als auch die Geduld ab“, schrieb der „Spiegel“ 1984 in einem Artikel über das Kollektiv. Dessen Arbeit wurde auch in der Industrie geschätzt. „Wir hätten aber nie für Atomkraftwerke oder die Polizei gearbeitet“, sagt Abraham.

Später gründete er seine eigene Firma. Als die 1990 pleite ging, sattelte er auf das um, was er studiert hatte, gründete schließlich ein Ingenieurbüro. Anfang der 00er Jahre hatte er eine Baustelle an der Karl-Liebknecht-Straße in Mitte. Erst kurze Zeit zuvor war am Standort des einstigen Palast-Hotels das Hotel „Radisson Blu“ gebaut worden – mit einer Attraktion, dem Aquadom.

Bunte Seewelt. Im Aquadom in Mitte tummeln sich rund 1500 Fische.
Bunte Seewelt. Im Aquadom in Mitte tummeln sich rund 1500 Fische.

© Sigrid Kneist

Ein rund 22 Meter hohes zylindrisches Aquarium mit elf Metern Durchmesser, in dem sich rund 1500 Fische – Clownsfische, Doktorfische, Fuchsgesichter und viele andere mehr – tummeln und durch das Besucher mit dem Aufzug fahren können, um die Seewelt zu bewundern. Abraham kam mit den Hotelleuten ins Gespräch über das Aquarium und bewarb sich als Betreiber. Sein Konzept überzeugte, er erhielt den Zuschlag.

Die technische Überwachung ist weiter notwendig

Derzeit sieht sich kaum ein Mensch die tropische Fischwelt an. Doch auch wenn gerade keine Besucher im gläsernen Aufzug nach oben gleiten können, läuft der Betrieb im Aquadom weiter. Die Fische wollen fressen, das Aquarium muss gereinigt werden, die technische und die Laborüberwachung ist weiter erforderlich. Uwe Abrahams Artenschützerherz schlägt derweil wieder laut: Einige bedrohte Süßwasserfische lässt er unten im Gebäude bereits nachzüchten.

Aber er denkt auch schon weiter; sein Plan ist es, ein Projekt anzuschieben, bei dem gefährdete Fische in großem Maßstab gezüchtet werden, um sie dann wieder in ihren heimatlichen Gewässern auszusetzen – von Berlin aus in die Welt.

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