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Nicht aufgeben. Marita Trojan vom Kinderhospiz Sonnenhof mit Mohammed Nasser und Houda. Das Kind lebt seit sechs Monaten hier in Niederschönhausen. Es gibt viel Hoffnung und viel Hilfe.

© Georg Moritz

Tagesspiegel bittet Leser um Weihnachtshilfe: Kinderhospiz braucht Spenden

Houda benötigt Hilfe, und letztlich auch ihr Vater. Gut, dass es das Kinderhospiz Sonnenhof gibt.

Mohammed Nasser beugt sich über seine Tochter und legt ihr eine Hand auf die Wange. „Dann macht sie die Augen zu“, sagt der 45-Jährige. Seit zwei Stunden versucht er, Houda zum Mittagsschlaf zu bewegen. Das Licht im Zimmer ist ausgeschaltet. Nur Houdas Beatmungsgerät, an den großen Sauerstoffkanister angeschlossen, macht gleichmäßige Pumpgeräusche. „Sie hält mich hier“, sagt Nasser – sobald er das Zimmer verlassen will, macht Houda die Augen wieder auf. Eine Schwester kommt ins Zimmer, schaltet das Licht an und schlägt vor, Houda anzuziehen, um ihr zu signalisieren, dass die Mittagsruhe vorbei ist.

Seit sechs Monaten gehört Houda Nasser zu den derzeit elf jungen Bewohnern im Kinderhospiz Sonnenhof der Björn-Schulz-Stiftung in Niederschönhausen. „Gäste“ nennt sie das Personal. Die Stiftung hat neben einem ambulanten Pflegedienst bis zu 16 stationäre Plätze für lebensbedrohlich und lebensverkürzend erkrankte Menschen im Alter bis zu 35 Jahren – um sie hier in der letzten Lebensphase zu begleiten, aber auch um Familien zwischenzeitlich zu entlasten, erklärt Marita Trojan. Sie macht das Fundraising für die Stiftung. Zu etwa 50 Prozent wird der Sonnenhof durch die Kranken- und Pflegekassen finanziert, die andere Hälfte muss durch Spenden gedeckt werden. Der Sonnenhof ist eines von 15 Kinderhospizen bundesweit. „Die Familien kommen aus ganz Deutschland zu uns“, sagt Trojan. Zum Teil wohnen sie in den fünf verfügbaren Elternappartements.

"Der Maus geht's gut"

Houda Nassers Familie lebt in Neukölln. Houda ist zum dritten Mal seit 2009 hier – im September hat sie im Sonnenhof ihren achten Geburtstag gefeiert. Als sie auf die Welt kam, hatten die Ärzte gesagt, sie würde nicht älter als sechs Monate. Sie wurde mit epileptischer Enzephalopathie geboren. Sie hat schwere Krämpfe, kann nicht sprechen, sich nicht alleine drehen, sitzen oder essen.

Ihr Vater hat eines der Appartements bezogen, um immer bei seiner Tochter sein zu können. Seit ihrer Geburt hat Mohammed Nasser Berlin nicht mehr verlassen, außer im vergangenen Jahr einmal zu einem Ärztekongress. Manchmal geht er jetzt sogar über Nacht nach Hause, zu seiner Frau und den beiden Geschwistern von Houda, zehn und zwölf Jahre alt. Auch wenn er dann kein Auge zumacht. Obwohl er weiß, wie gut das Personal seine Tochter inzwischen kennt, all ihre Bedürfnisse. „Seitdem wir hier sind, geht’s der Maus so gut“, sagt er. Manchmal kann er jetzt loslassen – auch Houdas Geschwistern zuliebe.

Die Tochter nicht aufgeben

Jetzt hat er sich zu seiner Tochter ins Bett gesetzt, zwischen die Bettwäsche mit dem König-der-Löwen-Aufdruck. An den Wänden hängen selbst gemalte Bilder und Fotos, Kuscheltiere sitzen in den Ecken, ein Weihnachtsgesteck steht auf der Kommode. Wenn er früher das Wort „Hospiz“ gehört habe, sagt Mohammed Nasser, seien bei ihm „alle Jalousien runtergegangen“. Er dachte, er müsse seine Tochter dann aufgeben.

Marita Trojan kennt diese Befürchtungen. Manchen Familien müsse sie erst erklären, dass es im Hospiz nicht darum geht, Sterbehilfe zu leisten. Etwa 35 Mitarbeiter, Pfleger, Physiotherapeuten, Kunst- und Musiktherapeuten sowie Pädagogen kümmern sich hier um die Gäste und ihre Angehörigen. Um den Familien eine weitere kleine Entlastung gewähren zu können, möchte Marita Trojan einen Massagesessel anschaffen. Einerseits wegen der oft hohen körperlichen Belastung, aber auch „damit sie sich zwischendurch mal eine Viertelstunde was Gutes tun. Und ohne, dass sie dabei ihr Kind verlassen müssen.“ Die Mitarbeiter im Kinderhospiz hoffen daher jetzt auf die Spenden der Tagesspiegel-Leser. Zudem wollen sie von den Spenden zwei hochwertige Babywaagen anschaffen.

Hertha hilft

Einer der schönsten Aspekte ihrer inzwischen sechs Jahre dauernden Tätigkeit für die Stiftung sei es, den Gästen die sogenannten „letzten Wünsche“ zu erfüllen. Einen „ganz wunderbaren Draht“ habe sie etwa zu den Fanbeauftragten von Hertha BSC. Aber dann sind da eben auch die Momente, in denen man sich verabschieden muss – zuletzt vor ein paar Wochen, als eine junge Bewohnerin im Alter von gerade mal einem Jahr im Sonnenhof gestorben ist. Sie hatte Leukämie. Zehn Kinder hätten sie 2014 schon verloren, sagt Marita Trojan. Zum Abschied kämen oft ganze Schulklassen und Sportvereine vorbei. Es werden auch Jugendliche betreut.

Mohammed Nasser sagt, seit er mit Houda im Sonnenhof sei, habe ihm das mit ihren Geschwistern eine ganz neue Kommunikation über den Tod ermöglicht. Die beiden haben andere Gäste besucht, sie ein Stückchen begleitet und miterlebt: „Derjenige war gestern noch da, hat mich angelächelt. Und heute ist er weg“, sagt Nasser. Er glaubt, dass er jetzt selbst ein paar Schritte weiter ist auf dem Weg, Houda irgendwann gehen lassen zu können – dann, wenn sie soweit ist.

Spenden bitte an: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto 250 030 942 – Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42

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