zum Hauptinhalt
In der Beratungsstelle in Friedrichshain-Kreuzberg hilft Lisa Schreiter Überschuldeten.

© Sven Darmer

Tagesspiegel-Aktion „Menschen helfen!“: Beratungsstelle für Überschuldete will Betroffene wieder persönlich empfangen

Die Schuldnerberatung der Diakonie erwartet eine Corona-Schulden-Welle. Um ihre Kreuzberger Räume infektionssicher zu machen, bittet die Einrichtung um Spenden.

In diesem Jahr bittet der Tagesspiegel-Spendenverein „Menschen helfen!“ für Unterstützung in der Coronakrise um Spenden. Stellvertretend für alle 30 Initiativen für Berlin, Brandenburg und die Welt stellen wir zwölf Projekte in unserer Spendenserie bis Weihnachten vor. Heute: Die Beratungsstelle für Überschuldete des Diakonischen Werks Berlin Stadtmitte e.V. in Friedrichshain-Kreuzberg.

Lisa Schreiter erwartet, dass der große Andrang noch kommt. „Viele Leute hoffen noch auf Staatshilfen“, sagt die Mitarbeiterin der Schuldnerberatung der Diakonie. Daher werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die finanzielle Lage der Berlinerinnen und Berliner wohl erst in der kommenden Zeit sichtbar. Um dann persönlich helfen zu können, bittet die Einrichtung um Spenden.

„Wer zu uns kommt, muss sich erst mal einiges eingestehen. Das ist kein leichter Schritt“, berichtet Schreiter. Der Anruf sei für viele schambelastet. „Oft rufen Leute nur mit einer einzelnen Frage an, aber wenn man dann nachhakt, steckt meist viel mehr dahinter.“

Wer in Vertragsfallen getappt ist, regelmäßig Inkasso-Post bekommt oder einen Kredit nicht abbezahlen kann, der findet bei der 26-Jährigen und ihren Kollegen in der Schlesischen Straße 27a kostenlose Unterstützung. „Unabhängig von (sozialer) Herkunft, Alter, Glauben oder Nationalität“, wie die seit 1986 bestehende Beratungsstelle über sich selbst schreibt.

An erster Stelle steht die Existenzsicherung. „Gibt es die Möglichkeit, noch Unterstützung zu beantragen, etwa Wohn- oder Arbeitslosengeld? Erst im zweiten Schritt geht es um den Umgang mit den Schulden“, erklärt Schreiter und berichtet vom Fall einer älteren Dame. Sie ist Ende 60 und war schon einmal in einem Insolvenzverfahren. „Unverschuldet. Die Frau wurde von ihrem damaligen Ehemann dazu gebracht, Verträge zu unterschreiben, aus denen sie später nicht mehr herausgekommen ist. Und saß dann auf einem Schuldenberg“, erzählt Schreiter.

„Ich weiß gar nicht, ob wir schon alle Gläubiger entdeckt haben“

Nach dem Insolvenzverfahren ist sie nun in Vertragsfallen für Telefon und Internet geraten und hat nicht das nötige Einkommen, um zu bezahlen. „Sie bekommt haufenweise Forderungen, ich weiß gar nicht, ob wir schon alle Gläubiger entdeckt haben“, sagt Schreiter.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

In so einem Fall versucht die Beratungsstelle zunächst präventiv zu arbeiten. „Die Frau war nicht besonders sicher im Internet unterwegs. Wir versuchen aufzuklären, wo die Risiken sind, um die Situation nicht zu verschlimmern.“ Dann sei es wichtig, mit den Gläubigern Kontakt aufzunehmen und klarzumachen, dass man nicht zahlen könne. Zusätzlich sollte ein pfändungsgeschütztes Bankkonto eingerichtet werden. Mit der überschuldeten Dame entwickelt Schreiter gerade eine Strategie zum weiteren Vorgehen.

Der Fall wird durch die schlechten Deutschkenntnisse der Frau erschwert. Mangelnde Sprachkenntnisse führen öfter in Vertragsfallen. „Es ist verantwortungslos, wenn etwa ein Fitnessstudiobetreiber einen Geflüchteten einen Vertrag unterzeichnen lässt, den dieser offensichtlich nicht versteht, da er die Sprache nicht ausreichend beherrscht.“ Im Standort Friedrichshain-Kreuzberg kämen außerdem viele Menschen mit einer Suchtgeschichte sowie vermehrt ältere Menschen zur Beratung.

[Das Spendenkonto: Berliner Sparkasse, BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42. Empfänger: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“ Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. Auch Online-Banking ist möglich.]

Im aktuellen Lockdown können diese allerdings nicht persönlich stattfinden. Das liegt daran, dass die notwendigen Hygienebedingungen momentan nicht ausreichend erfüllt werden können. Die Beratungsstelle wird durch den Berliner Senat gefördert, hat kein Budget für coronabedingte Anschaffungen und bittet daher um Spenden. Mit diesen sollen insbesondere Luftfilter für die Beratungsräume sowie Equipment für die Mitarbeiter im Homeoffice finanziert werden.

„Für die Leute ist es viel leichter, in einem geschützten Raum von ihren Schulden zu erzählen, als mit einer völlig fremden Person am Telefon zu sprechen“ sagt Schreiter und hofft 2021 wieder persönlich beraten zu dürfen.

Marian Schuth

Zur Startseite