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Knallig. Am Reichstag wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 ein großes Feuerwerk abgebrannt.

© dpa

Tag der Deutschen Einheit: Erinnerungen an den 3. Oktober 1990

Jeder weiß noch genau, wo er war, als die Mauer fiel. Beim Tag der deutschen Einheit vor 24 Jahren ist das schon schwieriger. Hier erinnern sich Tagesspiegel-Redakteure - und was haben Sie damals gemacht?

Zwischen Grölen und Scherben

Den 9. November 1989 steckte ich fernab von allen fallenden Mauern im Dschungel Thailands, immerhin hintransportiert von der DDR-Fluglinie Interflug. Den Tag der Wiedervereinigung elf Monate später wollte ich mir nicht entgehen lassen, wollte dabeisein bei der historischen Stunde, auch wenn ich ihr zugegeben etwas skeptisch gegenüberstand. Schwarz-rot-goldene Fähnchen, die im Sommer sogar auf der Liegewiese des Strandbads Plötzensee aufgetaucht waren – mir ging das zu weit.

Die Flagge vor dem Reichstag in der Nacht  der Nächte war dann natürlich kein Fähnchen, sondern ein kolossales Stück Stoff. Hing sie die ganze Zeit am Mast oder wurde sie erst um Mitternacht hochgezogen? Ich weiß es nicht mehr. Mit Freunden war ich wie Tausende andere zum Platz der Republik gezogen, aber ein Vergnügen wurde das für mich nicht. Die Atmosphäre: eher dumpf-bierselig als zukunftsfreudig, eher Grölen als Jubel, dazu  Scherben zerdepperter Flaschen auf dem Boden.

Wahrscheinlich gab’s dazu Feuerwerk und wir haben, womit auch immer, angestoßen auf die neue Zeit. Dass ich am 9. November nicht in der Stadt war, habe ich immer bedauert. Das wäre ein Erlebnis gewesen, das später zu erzählen sich lohnte. Der 3. Oktober? Na ja. Andreas Conrad

Tag der deutschen Currywurst

Ich finde diesen Feiertag auch heute wieder seltsam. Klar, es ist schön sonnig, die meisten Menschen genießen zusätzliche Freizeit, Berlin ist wieder mal voller Touristen. Die meisten von ihnen flanieren zum Brandenburger Tor, wo mit Bierständen und Schlagermusik eine Art Tag der deutschen Currywurst gefeiert wird. Etwas Festliches, Erhabenes hat dieser 3. Oktober auch 24 Jahre nach dem Vollzug der deutschen Einheit nicht an sich - selbst für mich nicht, obwohl ich mich Tag für Tag an der Wiedervereinigung erfreue, wenn ich auf dem Weg zur Tagesspiegel-Redaktion durch das offene Brandenburger Tor radele.

Der einzige Sinn, den 3. Oktober 1990 zum Einheitstag zu bestimmen, lag damals wohl darin, vier Tage später einen möglichen 41. Geburtstag der untergegangenen DDR zu verhindern. Und so fühlt sich dieser Feiertag bis heute an: politisch gewollt. Als Helmut Kohl und all die anderen großen Einheitsmacher vor dem Reichstag in den Nationalfarben schwelgten, hatten sie die mutigen ostdeutschen Wendemacher schon längst an den Rand der Bühne gedrängt. Die Feierei erschien mir und auch vielen meiner Freunde aus Pankow und Prenzlauer Berg so gezwungen gelöst, dass wir lieber zu Hause auf unsere neuen Brüder und Schwestern anstießen. Ich saß mit meiner Familie vor dem Fernseher, sah die Feierlichkeiten in meiner Stadt wie durch ein Fernglas an und umarmte meine Schwester und meine Eltern. Wir tranken Wodka Gorbatschow. Robert Ide

Im Stau der Einheit

Auf zum Reichstag. Zum  Fest. Und zur Politprominenz aus Bonn, die zu Mauerzeiten recht selten im Westteil der Stadt war. Und zum angekündigten Feuerwerk selbstverständlich. Anfahrt aus dem Westen mit der S-Bahn bis zum Bahnhof Friedrichstraße. Und dann zu Fuß weiter. Weit war der Weg allerdings nicht. Bereits an der Kreuzung mit der Friedrichstraße war der Boulevard Unter den Linden rappelvoll mit Menschen, die alle Richtung Westen drängten, zum Reichstag. Es ring kaum voran. Aber irgendwie kam ich irgendwann bis ungefähr zur Wilhelmstraße vor dem Pariser Platz. Dort war dann Schluss. Weiter ging es nicht. Aber immerhin: So erlebte der West-Berliner den Tag der Deutschen Einheit wenigstens auf Ost-Berliner Gebiet. Vollzogene Einheit am Einheitstag. Klaus Kurpjuweit

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