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Johanna Kühner bildet mit drei weiteren jungen Frauen den Vorstand von „SuperCoop“.

© SuperCoop

„SuperCoop“ findet genug Genossen: Im Wedding eröffnet ein Supermarkt, der den Kunden gehört

588 Berliner:innen gründen einen Supermarkt, an dem sie Anteile besitzen und drei Stunden im Monat mitarbeiten. Die Idee kommt aus New York.

Johanna Kühner rückt die Erdbeeren zurecht und platziert die Stoffbeutel mit Logo gut sichtbar. Über den Tisch hat sie eine weiße Tischdecke gelegt. Es soll einladend aussehen, heute kommen Interessenten vorbei. Gemeinsam mit 587 anderen will sie den ersten genossenschaftlich organisierten Supermarkt Berlins eröffnen: Ein Lebensmittelladen, der seinen Kunden gehört.

Die Ladenfläche in den Osram-Höfen in Berlin-Wedding ist noch leer, doch sie strahlt schon den typischen Supermarkt-Flair aus: Graue Fliesen, hohe Decken, eine automatische Schiebetür am Eingang. Hier sollen bald Kassen stehen, eine Gemüseabteilung, Regale mit Klopapier, Müsli, Mehl, Zucker. „Wir wollen dieses normale Einkaufsgefühl“, sagt Kühner. Und doch will ihr Team es ganz anders machen als die großen Ketten.

Wie Preise für Lebensmittel zustande kommen, ist für Endverbraucher schwer nachvollziehbar. Wieso zahlen sie für einen Liter Milch nur einen Euro und für eine Packung Walnüsse fünf? „Die Margen, also das, was Lebensmittelhändler verdienen, sind je nach Produkt sehr unterschiedlich“, sagt Kühner. „Bei uns werden Lebensmittel im Schnitt 20 Prozent günstiger sein als in Bio-Märkten.“

Wer im Laden im Wedding einkaufen will, muss Mitglied werden und für 100 Euro Anteile an der Genossenschaft erwerben. Bis Montag lief eine Crowdfunding-Kampagne. Endergebnis: 588 Menschen sind bereits dabei, 88 mehr als nötig. So ist der Eigenanteil von mehr als 50.000 Euro für einen Kredit von der GLS Bank zusammengekommen. Ziel ist, dass sich der Supermarkt später selbst finanziert. Damit das funktioniert, muss jedes Mitglied zudem drei Stunden im Monat im Laden arbeiten.

In den Osram-Höfen kommt eine Frau angeradelt und hält vor dem Tisch mit den Erdbeeren. Mantel und Helm sind türkis, die kurzen Haaren grau. Sie hat im Radio von der „SuperCoop“ erfahren, erzählt sie. Auf so ein Konzept habe sie gewartet. „Die Lebensmittelindustrie quält mich“, sagt sie. Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, die Massentierhaltung und Supermärkte, die massenhaft Abfall produzieren, will sie nicht länger unterstützen. Sie kann sich gut vorstellen, mitzumachen.

Aus der Idee ist eine Bewegung geworden

Die Idee ist nicht neu. Aus dem Konzept ist eine kleine Bewegung geworden, die 1973 in New York begonnen hatte. Im Stadtbezirk Brooklyn hatten sich Bürger:innen daran gestört, dass es kaum gutes Essen zu günstigen Preisen gab. Also eröffneten sie ihren eigenen Supermarkt als Genossenschaft. Die „Park Sloop Food Coop“ hat mittlerweile mehr als 17.000 Mitglieder.

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Ein Filmemacher brachte die Idee nach Paris. Dort betreiben nun 7000 Menschen gemeinsam den Supermarkt „La Louve“, es eröffneten Filialen im Umland. Auch in deutschen Dörfern betreiben Bewohner:innen eigene Supermärkte, weil sich der Betrieb von gewinnorientierten Geschäften in dünn besiedelten Gebieten nicht mehr lohnt.

Die „SuperCoop“ in Berlin soll kein teurer Bio-Laden für Hipster werden. Auch ärmere Menschen sollen es sich leisten können, hier einzukaufen. Für die Auswahl der Produkte hat sich die Genossenschaft Leitlinien gegeben. Sie sollen möglichst fair gehandelt, regional und nachhaltig sein, aber nicht um jeden Preis, erklärt Kühner. „Wir wollen ein Vollsortiment anbieten können.“ Neben dem Laden im Wedding soll es Abholstellen in Neukölln und Friedrichshain geben.

Zum Stand in den Osram-Höfen sind drei junge Frauen gekommen, sie wohnen in einer WG. „Und was machen – ich sag mal: wir – jetzt, bis es richtig losgeht“, fragt die Frau im türkisfarbenen Mantel. „Das ist für mich immer der schönste Moment“, sagt Johanna Kühner. „Wenn die Mitglieder in den Gesprächen zum ersten Mal ‚wir‘ sagen.“

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