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Das Mädchen besuchte die Hausotter-Grundschule in Reinickendorf. Auf den Stufen zum Eingang erinnern Kerzen und Blumen an sie.

© Paul Zinken/dpa

Suizid einer Elfjährigen in Berlin: Das Thema Mobbing geht uns alle an

Der Tod einer Elfjährigen löst eine Debatte über Mobbing aus. Die ist dringend notwendig. Dem quälenden Warum kann niemand ausweichen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Was ist passiert? Was stürzt ein junges Mädchen so sehr in Verzweiflung, dass es nur noch im Tod einen Ausweg sieht? Der Suizid der elfjährigen Schülerin aus Berlin macht fassungslos. Wie soll man verstehen, was unbegreiflich erscheint, wie akzeptieren, was inakzeptabel ist: Ein Kind hat sich das Leben genommen. Niemand kann ermessen, was das für die Eltern bedeutet. Dass ihre Tochter, ihr Kind, nicht mehr ist.

Warum? Die Frage ist eine Qual. Und doch kann man ihr kaum ausweichen. Die Eltern nicht, nicht die Schule, die Freunde, die Öffentlichkeit. Noch weiß niemand genau, was das Kind in die Verzweiflung trieb. Vielleicht gibt es nicht nur den einen, sondern mehrere Gründe oder Auslöser.

Aber die Mutmaßung, dass es einen Zusammenhang zum Schulalltag gegeben hat, liegt – nach allem, was bekannt ist – nahe. Das Mädchen soll, so bestätigt es auch die Schulleiterin, Probleme mit einigen Mitschülern in ihrer Klasse gehabt haben. Sie sei gemobbt worden. Auch hier müssen die genauen Umstände geklärt werden. Dass sie gelitten hat, scheint klar.

Mobbing. Viele Kinder leiden darunter, Tag für Tag, es ist ein virulentes Problem. Einfache Antworten gibt es nicht. Viele Eltern haben sich nach Bekanntwerden des Falls gemeldet und schildern schlimme Erfahrungen ihrer Kinder. Oft geht dies einher mit Vorwürfen an die Lehrer und Schulen: Es werde zu wenig gemacht, es werde vertuscht und geleugnet. Jeder Fall, für den das stimmt, ist einer zu viel. Als Pauschalurteil aber können die Vorwürfe nicht richtig sein.

Für die Lehrkräfte ist nicht immer zu erkennen, was wirkliches Mobbing ist, also der permanente, einseitige psychische, soziale und / oder körperliche Angriff auf eine einzelne Person, oder was noch zu den „normalen“ Konflikten zählen kann. Zu Auseinandersetzungen zwischen Kindern und Heranwachsenden, die es immer in Schulen gibt und immer geben wird. Oftmals ziehen Lehrer Experten zurate, reden mit der Klasse, den Schülern und Eltern. Das soll, so sagt es die Schulleiterin, auch bei dem toten Mädchen der Fall gewesen sein. Andere Eltern der Schule behaupten das Gegenteil. Auch das wird zu prüfen sein.

Vieles spielt sich unsichtbar in Chats ab

Mobbing. Wie kann man es stoppen? Zumal dann, wenn es nicht mehr in der Klasse stattfindet, sondern in den privaten Chats der Schüler, auf ihren Online-Plattformen. Dort ist die Hetze oft noch erbarmungsloser. Die Erniedrigung findet vor großem Publikum statt, ohne dass Eltern und Lehrer davon etwas mitbekommen. Auch hier muss man ansetzen. Es geht darum, Kinder dafür zu sensibilisieren, dass das Netz viele Freiheiten mit sich bringt, diese aber dort enden, wo sie anderen schaden.

Das ist natürlich kein Auftrag allein an Lehrer. Mobbing geht alle an: Schülern, Eltern, Öffentlichkeit und Politik. Mit Schuldzuweisungen ist nichts gewonnen. Ein elfjähriges Mädchen ist tot. Es hat sich umgebracht. Da gibt es keine einfachen Antworten und keinen schnellen Trost. Aber eine Verpflichtung.

Hilfsangebote

Haben Sie dunkle Gedanken? Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie sich melden können.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen finden Sie unter: www.telefonseelsorge.de

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