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Schwer zu belüften: Die Bahnhöfe und Tunnel würden sich durch Klimaanlagen aufheizen.

© Paul Zinken/dpa

Stromverbrauch einer Kleinstadt: Warum die BVG ihre U-Bahnen nicht klimatisiert

Im Winter zu mollig, im Sommer zu frisch: Irgendwas ist immer mit dem Mikroklima in Berlins Bussen und Bahnen. Der Aufwand für Klimaanlagen wäre enorm.

Die Frage, ob und wie sehr Busse und Bahnen klimatisiert sein sollen, taugt in Berlin stets als Aufreger. Befördert wurde die Diskussion nicht nur durch zwei Extremsommer mit wochenlangen Hitzewellen, sondern auch durch die Entscheidung der BVG, ihre künftigen U-Bahn-Züge wiederum ohne Klimatisierung zu ordern.

Das Landesunternehmen begründet die Entscheidung damit, dass die überwiegend unterirdisch fahrenden Züge den Tunnel und die Bahnhöfe durch die warme Abluft im Sommer unerträglich aufheizen würden, wodurch wiederum der Kühlbedarf und damit der Stromverbrauch noch weiter wächst.

Auf Tagesspiegel-Anfrage hat die BVG jetzt Zahlen zu der Problematik vorgelegt. Demnach benötigt eine U-Bahn – die meist aus sechs Waggons besteht – rund elf Kilowattstunden pro Kilometer. Das entspricht etwa dem täglichen Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie.

Eine Flexity-Straßenbahn braucht pro Kilometer durchschnittlich 4,43 Kilowattstunden Strom – inklusive der Einsparung, die sich durch die Rückspeisung von Strom beim Bremsen ergibt.

Von den 4,43 Kilowattstunden benötigt die Lüftungstechnik der Tram – also Heizung oder Kühlung plus Ventilatoren – durchschnittlich 1,59 Kilowattstunden pro Kilometer, also mehr als ein Drittel des gesamten Betriebsstroms. Dabei sei die Kühlfunktion der Klimaanlage stets energiehungriger als die Heizung.

Mehrverbrauch läge bei 50 Millionen Kilowattstunden im Jahr

Für die U-Bahnen würde der Strombedarf nach Auskunft von BVG-Fachleuten um etwa 20 Prozent steigen – also um reichlich zwei Kilowattstunden pro Kilometer. Aufs Jahr und das Berliner U-Bahnnetz hochgerechnet würde sich der Mehrverbrauch auf rund 50 Gigawattstunden summieren – das sind 50 Millionen Kilowattstunden, was dem Jahresverbrauch von 20.000 Berliner Haushalten entspricht. Der aktuelle Gesamtstromverbrauch der BVG liegt nach Auskunft von Sprecherin Petra Nelken bei etwa 450 Gigawattstunden pro Jahr. Der Strom stamme – jedenfalls formal – überwiegend aus norwegischer Wasserkraft.

Mit Verweis auf Erfahrungen aus Athen, Moskau und New York heißt es bei der BVG, dass die Temperatur in den U-Bahn-Schächten im Sommer durch klimatisierte Züge um etwa zehn Grad steigen würde. Vorstandschefin Sigrid Nikutta habe bei einem Besuch in New York kürzlich selbst erlebt, dass dort an manchen Stationen zusätzliche Lüfter installiert worden seien, damit Wartende die Hitze ertragen. In Berlin wäre wegen engerer Tunnelquerschnitte eine noch stärkere Aufheizung zu erwarten.

Busse sind klimatisiert – für 15 Liter Diesel pro 100 Kilometer

Wie die meisten Straßenbahnen ist auch die Busflotte klimatisiert – wobei hierzulande nicht nach Kühlschrankmaxime temperiert wird, sondern nur etwa fünf Grad unter Außentemperatur. Die Busse brauchen dafür Nelken zufolge ungefähr 15 Liter Diesel pro 100 Kilometer – bei durchschnittlichen Gesamtverbräuchen zwischen 42 (kurzer Eindecker) und 63 Litern beim Doppeldecker. Zum Vergleich: In einem Pkw erhöht die Klimaanlage den Verbrauch je nach Typ und Strecke um ein bis drei Liter pro 100 Kilometer.

Prima Klima. Um die Busse kühl zu halten, würden etwa 15 Liter Diesel zusätzlich pro 100 Kilometer verbraucht.
Prima Klima. Um die Busse kühl zu halten, würden etwa 15 Liter Diesel zusätzlich pro 100 Kilometer verbraucht.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bei der S-Bahn gibt es naturgemäß noch keine Erfahrungswerte für den Energieverbrauch der Klimaanlagen, denn erst die für 2021 avisierte Baureihe wird klimatisiert sein. Den Gesamtstrombedarf für das neue Modell schätzt die Bahn nach Auskunft der Pressestelle auf etwa fünf Kilowattstunden pro Doppelwagen und Kilometer.

Nur buchungstechnisch Ökostrom

Die Bahn sei konzernweit derzeit bei 57 Prozent Ökostrom und wolle bis 2038 ihren Energiebedarf komplett aus erneuerbaren Quellen decken. Für die Berliner S-Bahn existiere schon jetzt eine entsprechende Vorgabe im Verkehrsvertrag mit Berlin. „Dementsprechend vergrünt die DB Energie den Bedarf der S-Bahn Berlin mit Herkunftsnachweisen, die beim Umweltbundesamt gelistet sind.“

Im Klartext: Ähnlich wie bei der BVG stammt der Strom nur buchungstechnisch aus erneuerbaren Quellen, solange auf dem europaweiten Markt genug Ökostrom – etwa aus ohnehin vorhandenen Wasserkraftwerken – erhältlich ist. Ein wirklicher Mehrwert ergäbe sich erst, wenn das Ökostromangebot ausgebaut würde. Für diesen echten Nutzen müssten die Unternehmen Strom mit Gütesiegeln ordern, die explizit den Ausbau erneuerbarer Quellen verlangen.

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