Streit zwischen zwei Clan-Familien?: Vier Verletzte nach Schießerei in Berlin-Kreuzberg
Am Samstagmorgen um 4 Uhr gab es einen Schusswechsel in Kreuzberg, die Opfer wurden schwer verletzt. Für die Ermittler sind es „die üblichen Verdächtigen“.
Kreuzberg, zweiter Weihnachtsfeiertag, kurz vor vier Uhr am Samstagmorgen: Anwohner hören in der Stresemannstraße in unmittelbarer Nähe der SPD-Parteizentrale mehrere Schüsse alarmieren die Polizei. Später liegen vier Männer schwer verletzt im Krankenhaus, die Staatsanwaltschaft spricht von einer „Schießerei im Milieu der organisierten Kriminalität“.
Einsatzkräfte der Polizei fanden in einer Toreinfahrt in der Stresemannstraße zunächst drei verletzte Männer. Zahlreiche Beamte, teils ausgerüstet mit Maschinenpistolen, riegelten die Gegend ab und suchten im Umfeld nach den Tätern. Ein Hubschrauber der Polizei kreiste über Kreuzberg. Bevor die Rettungskräfte anrücken konnten, musste der Bereich zunächst gesichert werden.
Die Polizei wollte ausschließen, dass weitere Schüsse fallen. Auch die Spurensicherung konnte nicht sofort zum Tatort. Polizeitechniker sollen Patronenhülsen gefunden haben. In mehreren Türen waren Einschusslöcher zu sehen. Die Feuerwehr war ebenfalls mit einem Großaufgebot, mehreren Rettungswagen, drei Notärzten und einem leitenden Notarzt vor Ort gewesen.
Polizeibeamte suchten auch den Bereich um den U-Bahnhof Möckernbrücke ab. Mit Taschenlampen durchforsteten sie das Unterholz im Uferbereich. Dort fanden sie einen vierten Verletzten. Der war nach ersten Erkenntnissen in den Landwehrkanal gesprungen, Rettungskräfte holten ihn aus dem Wasser.
Die vier verletzten Männer, zwei im Alter von 30 Jahren und je einer im Alter von 39 und 42 Jahren, sind zur Behandlung in Krankenhäuser gebracht worden. Dort sollen sie zunächst weiterhin stationär behandelt werden.
[Aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy - mit unserer App hier für Apple- und Android-Geräte.]
Die 1. Mordkommission des Landeskriminalamtes (LKA) ist mit dem Fall betraut worden, ermittelt wird wegen des Verdachts auf versuchten Mord. Unter den vier verletzten Männern sollen sich nach Tagesspiegel-Informationen sowohl Täter und Opfer befinden. Nähere Angaben wollten Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst nicht machen.
Die Ermittler sind aber zuversichtlich, den Fall schnell aufklären zu können: Die Beweislage sei nicht schlecht, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Die prüft nun auch, ob gegen mehrere Tatverdächtige Haftbefehle vor Gericht beantragt werden können. Es handle sich um die üblichen Verdächtigen, hieß es. Spekuliert wird auch über Streit im Clanmilieu.
Zu den Details – ob alle vier Männer verdächtigt werden und ob sich alle vier Verletzte die Schießerei geliefert haben – äußerten sich die Sprecher von Staatsanwaltschaft und Polizei zurückhaltend: Es gehe um Personen, die zur Gruppe der vier Verletzten gehörten, hieß es.
Die genauen Hintergründe seien noch nicht bekannt. Auch zur Frage, ob mehrere Personen Schüsse abgegeben haben, äußerte sich die Polizei zunächst nicht. Am Nachmittag waren auch schwer bewaffnete Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) am Tatort und durchsuchten eine Wohnung.
[Alles zu Polizei und Sicherheit im Kiez in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken - kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
In Berlin gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppen oder kriminellen Mitgliedern deutsch-arabischer Großfamilien. Zuletzt hatte es in Kreuzberg nach Schüssen auf einen 29-Jährigen eine Attacke von etwa zehn Männern gegeben.
Das 29 Jahre alte Clan-Mitglied war Ende November nach Auseinandersetzungen mit einer anderen Gruppe in der Mittenwalder Straße, Ecke Fürbringer Straße angeschossen worden. Er wurde schwer verletzt und musste notoperiert werden. Die Täter konnten flüchten.
Gewalt zwischen Mitgliedern zweier Großfamilien in Kreuzberg
Wenige Tage später war es dort erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern arabischstämmiger Großfamilien gekommen. Mehrere Familienmitglieder des verletzten 29-Jährigen sind attackiert worden. Die Polizei sprach von „fortgesetzten Übergriffen“.
Mehrere Männer hatten mit Gegenständen die Fensterscheiben einer Erdgeschosswohnung in der Gneisenaustraße zerschlagen. Die Wohnung wird einem Angehörigen des 29-Jährigen zugerechnet. Nach der Attacke sollen die Angreifer mit mehreren Fahrzeugen geflüchtet sein.
In einem von der Polizei gestoppten Wagen fanden Beamte Baseballschläger, Messer und Reizgasdosen. Weitere Familienangehörige des 29-Jährigen meldeten der Polizei, dass Unbekannte ihr Auto beschädigt hätten und geflüchtet seien.
[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]
Schließlich bedrohten mehrere Personen einen 71 Jahre alten Mann, ebenfalls ein Verwandter des wenige Tage zuvor Angeschossenen. Sie bedrohten ihn durch die geschlossene Wohnungstür und am Telefon. Worum es bei dem Streit geht, war noch unklar. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vermutete hinter den Attacken einen Kampf um Einfluss in der Organisierten Kriminalität.
Im Februar hatte eine Schießerei am Berliner Tempodrom in der Möckernstraße, nicht weit vom aktuellen Tatort entfernt, mit einem Toten und vier Verletzten für Aufsehen gesorgt. Gegen einen 48-jährigen Mann, der einen 42-Jährigen erschossen haben soll und bei der Auseinandersetzung selbst schwer verletzt wurde, wurde damals Haftbefehl wegen Totschlags erlassen.
Auch in diesem Fall gehen die Ermittler von einem Konflikt zwischen Clans aus. Es soll um Revierstreitigkeiten zweier konkurrierender Familien gegangen sein. (mit dpa)