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Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) mahnt trotz Steuermehreinnahmen vor zu großer Euhporie.

© imago/Bernd Elmenthaler

Update

Streit zwischen Parlament und Senat: Berlin rechnet 2022/2023 mit mehr als einer Milliarde an Steuermehreinnahmen

Die Mehreinnahmen könnten von Inflation und Mehrausgaben aufgefressen werden, warnt Finanzsenator Wesener. Doch die Parlamentarier sind nicht in Sparlaune.

Berlin kann in diesem und dem kommenden Jahr mit einem klaren Plus an Steuereinnahmen rechnen. Das geht aus der aktuellen Steuerschätzung für das Land Berlin hervor, die die Finanzverwaltung am Freitag veröffentlichte. In diesem Jahr wird gegenüber der bisherigen Schätzung mit Mehreinnahmen von 541 Millionen Euro (insgesamt 26,7 Milliarden Euro) gerechnet, im kommenden Jahr sogar mit Mehreinnahmen von 789 Millionen Euro (insgesamt 27,5 Milliarden Euro).

Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) warnte am Freitag aber vor Überschwang. Er sagte: "Das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung ist etwas besser als die Vorhersage im November, und das deutet zumindest auf eine erfreuliche Tendenz. Aber wir sollten uns nicht täuschen lassen." Den Zuwächsen stünden erhebliche Belastungen und schwer abwägbare Risiken gegenüber.

Wesener warnt vor allem davor, dass die zuletzt stark gestiegene Inflation sowohl für einen Teil der rechnerischen Zugewinne verantwortlich sei, sie aber auf der Ausgabenseite auch wieder auffressen könnte. Wesener sagte: "Der Ukraine-Krieg, die Folgen der Pandemie und anhaltende Lieferketten-Probleme bleiben Risiken mit erheblichen Folgewirkungen für die öffentlichen Haushalte. Hinzu kommt die Inflation mit steigenden Preisen. Dadurch nimmt der Staat zwar auch mehr ein. Er hat aber höhere Ausgaben."

Hinzu kämen erhebliche Mehrkosten für die Unterbringung und Integration der Ukraine-Flüchtlinge. Dafür sind in diesem und dem kommenden Jahr rund 500 Millionen Euro im Landeshaushalt eingeplant. Auch die stark gestiegenen Energiekosten drücken auf die Stimmung des Finanzsenators: Das Beheizen öffentlicher Gebäude wird dadurch ebenfalls deutlich teurer.

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Weseners Appell Maß zu halten ist auch vor dem Hintergrund der zurzeit laufenden Haushaltsberatungen zu verstehen. Im Berliner Abgeordnetenhaus wird in diesen Tagen über den Haushaltsentwurf aus seinem Haus diskutiert - und die Parlamentarier haben noch allerlei Wünsche, für die bislang zu wenig Geld vorhanden ist.

Raed Saleh, Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD, sagte dem Tagesspiegel nach Bekanntwerden der Zahlen: "Die Fraktionsvorsitzen haben sich darauf verständigt, mit einem investiven Schwerpunkt bis zu 300 Millionen Euro im Jahr mehr auszugeben. Damit verfolgen wir unsere Linie weiter, sich nicht aus einer Krise herauszusparen."

Auch die 2023 anstehende Schuldentilgung des Landes könne man sich dann noch einmal anschauen, wiederholte Saleh seine Position aus dem Tagesspiegel-Interview (T+). Es sei dahingestellt, ob mehr als die Pflichttilgung von 200 Millionen Euro abbezahlt oder das übrige Geld besser als Reserve für weitere Folgen des Ukrainekriegs vorgehalten werden solle.

Bezirksbürgermeister wollen Kürzungen rückgängig machen

Auch auf Bezirksebene wurden prompt Begehrlichkeiten laut: "Davon müssen die Bezirke gestärkt werden und pauschale Kürzungen der Bezirkshaushalte rückgängig gemacht werden!", twitterte Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne). Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) stimmte ihr zu: "Das muss für stabile Bezirksfinanzierungen genutzt werden."

Den Bezirken wurden im Haushaltsentwurf des Senats pauschal 78 Millionen Euro gestrichen, die sie für politische Projekte zur Verfügung gehabt hätten. Als Begründung dafür wurde vom Senat unter anderem angegeben, dass durch die Pandemie weniger Steuereinnahmen zur Verfügung stehen. Zwar ist die Gesamtsumme für die Bezirke im Haushalt trotzdem gestiegen, dies liegt aber vor allem an gestiegenen Fixkosten.

Dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zum Beispiel fehlen sechs Millionen Euro. Bezirksbürgermeisterin Herrmann würde damit unter anderem Bibliotheken und mehr Parkreinigung in ihrem Bezirk finanzieren können. Die Grünen-Politikerin argumentiert, dass die Steuereinnahmen ja nun wieder gestiegen seien.

Im kommenden Jahr wird ein Haushaltsplus von 299 Millionen Euro erwartet

Laut Finanzverwaltung ergibt sich zumindest auch nach Berücksichtigung der auf das Land Berlin zukommenden Mehrkosten ein Haushaltsplus von 211 Millionen Euro in diesem Jahr und 299 Millionen Euro im nächsten Jahr.

Doch auch an diesem Punkt bremst Berlins Finanzsenator: "Die höheren Steuereinnahmen bedeuten nicht automatisch, dass sich Berlin auch mehr leisten kann. Im zweiten Halbjahr dürften die Folgen von Krieg und Inflation noch stärker auf die Einnahmen der öffentlichen Hand durchschlagen."

Grundlage für die Berliner Steuerschätzung sind die Zahlen des Bundes. Nach dieser wird ein reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 2,2 Prozent in diesem Jahr und 2,5 Prozent im Jahr 2023 erwartet. Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr sogar 40,4 Milliarden Euro mehr einnehmen werden als noch im November erwartet.

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