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Außen rot und innen teuer - So sieht es aus: das Berliner Schlaganfall-Mobil.

© Doris Spiekermann-Klaas

Streit zwischen Krankenkassen und Senat: Hilfe bei Schlaganfällen: Rettungsmobil ist in Gefahr

In Berlin rückt nach Schlaganfällen das hochgerüstete Stroke-Einsatz-Mobil der Feuerwehr aus – doch Senat und Krankenkassen streiten um die Finanzierung. Schon im Juni könnte mit der schnellen Hilfe Schluss sein.

Noch ist in Berlin ein einzigartiges Auto im Einsatz. Eine rollende Mini-Klinik, die es so nirgendwo sonst auf der Welt gibt: das Stroke-Einsatz-Mobil, Stemo genannt. Schon im Juni könnte damit Schluss sein. Denn Senat und Krankenkassen haben sich nicht darauf geeinigt, wer die Einsätze künftig bezahlt. Das Stemo ist ein für Schlaganfall-Patienten ausgebauter Rettungswagen, in dem Betroffene seit 2011 noch vor Ort oder während der Fahrt behandelt werden. Denn bei einem Schlaganfall – englisch: Stroke – zählt fast ausschließlich die Zeit. Und die geht auf dem Weg in eine Klinik verloren.

Mehr als ein Schlaganfall jede Stunde

Rund 10000 Berliner erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall, mehr als einer pro Stunde. Vereinfacht gesagt, blockiert dabei ein Gerinnsel den Blutfluss im Gehirn. Pro Minute sterben zwei Millionen Nervenzellen ab, oft sind Lähmungen und Sprachstörungen die Folge, einige Patienten sterben. Je schneller der Anfall erkannt wird, desto schneller kann das Gerinnsel durch Medikamente gelöst werden – und desto geringer ist der Schaden im Gehirn. Für eine sichere Diagnose aber braucht es Spezialisten: Ausgestattet mit einem Computertomografen und einem Klein-Labor arbeiten im Stemo deshalb ein für Noteinsätze ausgebildeter Neurologe und ein Radiologie-Assistent. Das Fahrzeug wurde unter anderem von der Brandenburger Firma Meytec für rund eine Million Euro fertiggestellt. Die Besatzung kostet Hunderttausende Euro pro Jahr, koordiniert wird das Projekt vom Charité-Neurologen Heinrich Audebert. Bislang haben Senat, Bund und die Europäische Union dies im Rahmen einer Studie bezahlt, doch die Projektmittel sind bis Juni befristet.

Krankenkassen: Geld nicht besser in Kliniken stecken?

Weil das Stemo der Krankenversorgung dient, hatte man im Senat und bei der Feuerwehr gehofft, dass nun die Kassen einspringen. Doch die wollen das Mobil nicht als reguläres Rettungsmittel anerkennen. Dem Vernehmen nach heißt es intern, der Nutzen sei nicht erwiesen. Und solle das Geld nicht eher dafür ausgegeben werden, die Abläufe in Kliniken zu verbessern und so allen Patienten – nicht nur bei Schlaganfällen – zu helfen? Tatsächlich sind die Abläufe in vielen Krankenhäusern effizienter geworden, weshalb sich der Senat nun verstärkt dafür interessiert, was vor der Einlieferung geschieht.

Mit Stemo 52 Minuten bis zur Behandlung, ohne 76 Minuten

Inzwischen wurden 7000 Einsätze ausgewertet, in denen in der Feuerwehr-Leitstelle von einem Schlaganfall ausgegangen wurde. Zu einigen Einsätzen rückte das Stemo aus, zu anderen ein normaler Rettungswagen. Ergebnis: Vom Notruf bis zur fachgerechten Behandlung dauerte es mit dem Stemo rund 52 Minuten, bei traditionellen Einsätzen 76 Minuten. „Eine Übernahme durch die Kassen wäre somit konsequent“, sagte Charité-Arzt Audebert. Thema war das Stemo schon 2013 auf einer internationalen Schlaganfall-Konferenz in London. „Wir haben monatelang verhandelt, leider sind wir an den Kassen gescheitert“, sagt Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU). Weil die Gesundheitsbranche in der industriearmen Stadt besonders wichtig ist, wäre man im Senat wohl schon froh, wenn die Kassen die Einsätze als Fortführung eines für die Stadt wichtigen Forschungsprojektes unterstützen.

Stemo bislang hauptsächlich in West-Berlin

Das Stemo steht in der Feuerwache Wilmersdorf in der Gasteiner Straße. Die Wache fungiert quasi als Teststandort, die ganze Stadt lässt sich von dort kaum abdecken. Kommen Notrufe in der Zentrale an, bei denen von einem Schlaganfall ausgegangen wird, startet das Stemo von Wilmersdorf aus. Ein Drittel der Stadt, vorrangig der Westen, wird meist innerhalb von 16 Minuten erreicht. Für weiter entfernte Bezirke wird abgewogen, ob der Transport mit einem Standard-Rettungswagen in eine Klinik schneller wäre.

Bei der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft plädiert man für eine Projekt-Verlängerung, schließlich habe man die Zeit bis zur Thrombolyse, also der Auflösung des Gerinnsels, verkürzen können. Für einen Regeleinsatz als übliches Rettungsfahrzeug fehlten aber noch Daten. Die Hersteller des Fahrzeugs dürften sich jetzt schon freuen: Inzwischen haben Vertreter von Städten in den USA nach dem Stemo gefragt.

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