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Das Vattenfall-Heizkraftwerk in der Forckenbeckstraße in Berlin-Wilmersdorf.

© imago/Joko

Streit ums Berliner Stromnetz: Land will vorerst nicht mit Vattenfall sprechen

Vattenfall sendet Friedenssignale im jahrelangen Streit um den Betrieb des Berliner Stromnetzes. Aber die rot-rot-grüne Koalition bleibt stur.

Von Sabine Beikler

Rot-Rot-Grün schließt eine Kooperation mit der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin aus. „Wir wollen eine 100-prozentige Rekommunalisierung“, sagte SPD–Fraktionsvize Jörg Stroedter am Montag dem Tagesspiegel. Die Energiepolitiker Stefan Taschner (Grüne) und Michael Efler (Linke) bekräftigten die Position.

Damit wird es keine Gespräche mit Stromnetz Berlin vor dem Landgerichts-Termin am 17. Oktober zur Entscheidung im Konzessionsverfahren geben. Wie berichtet hat Stromnetz gegen die Konzessionsvergabe für den Netzbetrieb an die landeseigene Gesellschaft Berlin Energie geklagt.

Die Position in den Vergabeverfahren für das Gas- und Stromnetz ist eindeutig: Die Koalition strebt in beiden Fällen eine vollständige Rekommunalisierung der Netze an. So steht es im Koalitionsvertrag. CDU-Wirtschaftspolitiker Christian Gräff forderte die Koalition auf, darzulegen, welche energiepolitischen Vorteile eine Netzübernahme durch das Land habe, zumal die Energienetze in einem hoch regulierten Markt eingebettet seien.

Das eigentliche Konzessionsverfahren ist hochkomplex: Es läuft seit 2011, der Vertrag mit der Stromnetz Berlin ist offiziell Ende 2014 ausgelaufen. Bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung betreibt Stromnetz das Netz weiter. Natürlich kennt Vattenfall den Koalitionsvertrag und die politischen Befindlichkeiten. Der Konzern hat bekanntlich darauf auch reagiert.

Als vor drei Jahren der Zweite Verfahrensbrief im Konzessionsverfahren zurückgesetzt und bestimmte Kriterien neu aufgenommen hatte, hat Stromnetz im Rahmen eines Kooperationsmodells dem Senat eine Beteiligung an der Netzgesellschaft angeboten. Diese soll dem Vernehmen nach 50 Prozent betragen. Das ist laut Verfahrensbrief der Mindestanteil. In dem Verfahrensbrief ist auch festgeschrieben, dass das Land eine Erweiterungsoption anstrebt, um seinen Anteil sukzessive zu erhöhen.

Die landeseigenen Berlin Energie hatte den Zuschlag erhalten

Im März dieses Jahres hatte die 2012 gegründete landeseigene Berlin Energie den Kampf um die Stromnetzkonzession gewonnen gegen Stromnetz Berlin und den dritten Bewerber, die Genossenschaft Bürgerenergie Berlin. Der Altkonzessionär hielt diese Entscheidung für rechtswidrig und reichte Klage im Eilverfahren ein. Die für Kartellrechtsstreitigkeiten zuständige Zivilkammer 16 des Landgerichts wird in gut drei Wochen darüber verhandeln. Sollte Stromnetz Berlin unterliegen, könnte die Vattenfall-Tochter eine Instanz weiter ziehen.

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Mögliche Gespräche zwischen Land und Stromnetz Berlin vor der Gerichtsverhandlung am 17. Oktober wird es wohl nicht geben. „Es wird ausgelotet, ob Gespräche Sinn ergeben. Dieses Ausloten kann noch einige Wochen dauern“, sagte Eva Henkel, Sprecherin der Finanzverwaltung. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) reiste bereits am 14. August nach Stockholm und traf sich mit dem Vorstandsvorsitzenden Magnus Hall. Über den Inhalt des Gesprächs wurde nichts verlautet.

Das gut 35.000 Kilometer Stromnetz ist durchaus profitabel. Der Netzbetreiber erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro, davon flossen 111 Millionen Euro nach Schweden zu Vattenfall. Die Konzessionsabgabe belief sich 2018 auf 146 Millionen Euro.

Im Gaskonzessionsverfahren gab es inzwischen einige Gerichtsverfahren. Die Gasag hat inzwischen eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt, deren Begründungsfrist bis 18. November verlängert wurde. Es könnte sein, dass das gesamte Verfahren vollständig wiederholt oder Vergabekriterien im Zweiten Verfahrensbrief neu verfasst werden müssten.

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