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Thilo Cablitz hat dass Gefühl, das Attacken von Demonstranten auf Journalisten zunehmen. Für die Corona-Großdemo Ende August will er seine Beamten nochmal schulen.

© Imago/Olaf Wagner

Streit um Umgang mit Presse bei „Syndikat“-Räumung: „Schlimmstenfalls fliegen Steine und Journalisten werden getroffen“

Polizeisprecher Thilo Cablitz spricht im Interview über Vorwürfe, die Berliner Polizei würde die Pressefreiheit bei Demonstrationen nicht ausreichend schützen.

Herr Cablitz, nach der Räumung der Kneipe „Syndikat“ am vergangenen Freitag in Berlin-Neukölln kritisierten Medienvertreter und die Journalistengewerkschaft dju, dass Polizisten die Pressefreiheit behindert hätten.
Was zutrifft, ist, dass es bei den Kontrollpunkten Probleme gab. Das wurde mir so geschildert. Ich habe noch keine Rückmeldung von den Einsatzkräften. Soweit ich weiß, hatten allerdings letzten Endes alle die Möglichkeit, ihrer Berichterstattung entsprechend nachzukommen.

Die Journalisten mussten die Räumung von einer „Pressesammelstelle“, hinter einem Gitter auf dem Gehweg der gegenüberliegenden Straßenseite, aus beobachten. Ist das eine übliche Maßnahme?
Grundsätzlich dürfen Journalisten auch näher an das Ereignis heran, das müssen wir dann allerdings individuell klären vor Ort. Generell gelten Absperrmaßnahmen auch für die Presse, es sei denn, es gibt Ausnahmen. Dass Journalisten vor das Objekt durften, war bereits eine Ausnahme. Wenn Pressevertreter noch näher heran wollen, muss man schauen, ob das im Einklang mit dem Einsatz ist. Schlimmstenfalls fliegen da Glasflaschen, Steine, und Journalisten werden getroffen. Sie dürfen den Einsatz auch nicht behindern. Das ist eine Gratwanderung, bei der wir uns fragen müssen: Wie viel Gefährdung nehmen wir in Kauf? Das ist auch eine Erkenntnis der 1.-Mai-Demonstrationen, bei denen es immer wieder zu Situationen kam, die durchaus gefährlich waren.

Wie werden Polizisten im Umgang mit Pressevertretern geschult?
Wir haben eine interne Broschüre für Einsatzkräfte. Was kann man als Einsatzkraft sagen, wer ist Pressevertreter? Wobei das schon eine schwere Frage ist. Aber wer ist durchzulassen? Wie verhalten wir uns Journalisten gegenüber?

Polizeibeamte stehen in der Weisestraße. Dort wurde mit Unterstützung der Polizei die Kiezkneipe "Syndikat" geräumt.
Polizeibeamte stehen in der Weisestraße. Dort wurde mit Unterstützung der Polizei die Kiezkneipe "Syndikat" geräumt.

© Paul Zinken/dpa

Laut Angaben der dju nutzen aktuell vermehrt rechte Aktivisten selbstgemachte Presseausweise, um sich Zutritt zu beschaffen. Wie geht die Polizei damit um?
Es gibt den bundeseinheitlichen Presseausweis, der von sechs Verbänden ausgestellt wird. Das ist für uns der Idealfall, dann wissen wir, dahinter steckt jemand, der sich am Pressekodex orientiert. Es gibt aber auch andere, ich sage mal, „Unternehmen“, die Presseausweise ausstellen. Der ähnelt dann dem bundeseinheitlichen Presseausweis sehr. Und das auseinanderzuhalten, ist im Einsatz nicht jeder Einsatzkraft möglich. Zumal es ja auch eine Rechtsauffassung gibt, die besagt, dass ein Presseausweis nicht ausschlaggebend dafür sein kann, dass man als Pressevertreter anerkannt wird.

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Im Umfeld rechtsextremer und Corona-Demonstrationen wurden wiederholt Journalisten attackiert. Zum Teil sollen Polizisten sie nicht ausreichend geschützt oder gar tatenlos daneben gestanden haben. Wie wollen Sie ähnliche Situationen, etwa mit Blick auf die angekündigte Corona-Großdemonstration am 29. August, vermeiden?
Was wir definitiv noch einmal machen werden, ist, die Einsatzkräfte zu sensibilisieren. Dass Polizisten daneben stehen, während es eine Konfrontation zwischen Personen – auch unabhängig von Pressevertretern – gibt, das darf nicht passieren. Darauf werden wir ein erhöhtes Augenmerk legen. Was wir allerdings nicht leisten können und wozu wir auch nicht verpflichtet sind, ist Personenschutz für einzelne Personen abzustellen.

Haben Sie den Eindruck, dass Angriffe auf Journalisten in den vergangenen Monaten zugenommen haben?
Aus meiner Wahrnehmung hat das zugenommen, ja. Mein Problem ist: Wichtig wäre, dass solche Vorfälle angezeigt werden. Sonst können wir nicht dagegen vorgehen und auch nicht belastbar sagen, ob die Fälle wirklich zugenommen haben.

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