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© Mike Wolff

Streit um Umbenennung: Braucht Kreuzberg ein May-Ayim-Ufer?

Das Gröbenufer verlor seinen Namen, weil es an einen Kolonialisten erinnerte. Unser Kolumnist Bernd Matthies sieht darin eine Duftmarke der Kreuzberger Grünen, die den Bezirk politisch korrekt aufrüsten wollen. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

Von Anna Sauerbrey

Elvira Pichler schreibt, wenn nötig, auch vierseitige Briefe an erboste Anwohner. Das Projekt „Umbenennung Gröbenufer“ begleitet die grüne Kulturausschussvorsitzende von Kreuzberg nun schon seit Jahren und sie weiß, dass Straßenumbenennungen in der Nachbarschaft immer ein heikles Thema sind. Dabei ist die Idee der Grünen zunächst einfach: Ein Straßenschild am Spreeufer in der Nähe der Oberbaumbrücke wird abgeschraubt und damit ein brandenburgisch-preußischer Kolonialpionier im Metallmüll entsorgt. Die Ehre des Straßenschildes soll in Zukunft einer deutsch-afrikanischen Antirassismusaktivistin zukommen. Beschlossen hat die BVV die Umbenennung bereits im Mai, in diesem Herbst sollten die Schilder ausgetauscht werden. Weil die Bauarbeiten an der Kaianlage, die gleichzeitig eingeweiht werden soll, sich aber hinziehen, wird es nun wohl doch erst zum Jahreswechsel klappen. Zeit, um in Informationsveranstaltungen und Gesprächen noch weiter um das Verständnis der Bewohner zu werben, die, wie sollte es anders sein, nicht alle einverstanden sind mit der Idee. Ist die Umbenennung ein sinnvolles erinnerungspolitisches Unterfangen? Oder, wie zum Beispiel Anwohner Uwe Detlof meint, eine unnötige Verschleuderung von Steuergeldern?

Das kurze Stück Uferstraße war bislang benannt nach Otto Friedrich von der Gröben. Von der Gröben, geboren 1657, segelte seinerzeit als Leiter einer frühen Kolonialexpedition im Dienste des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich I. nach Afrika. An der Küste des heutigen Ghana hisste der Expeditionsleiter feierlich die brandenburgische Flagge und ließ ein Fort namens Großfriedrichsburg bauen. Nach seiner Rückkehr diente Gröben in verschiedenen europäischen Armeen und starb 1728 im Rang eines Generalleutnants auf seinem Anwesen bei Marienwerder. Ersetzt werden soll der Militär auf dem Straßenschild nach dem von der BVV beschlossenen Antrag der Grünen durch May Ayim, eine deutsch-afrikanische Antirassismusaktivistin, die 1996 gestorben ist. „Wir wollen, dass im neuen Namen der koloniale Bezug erhalten bleibt“, erklärt Elvira Pichler.

Ursprünglich stammt die Initiative zur Straßenumbenennung von Ber (Berliner entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen), dem Dachverband der Berliner entwicklungspolitischen Vereine, in denen auch viele Afrikaner und Deutsch-Afrikaner aktiv sind. Mit der Umbenennung der Straße vom Kolonialexpeditionsleiter zur Antirassismusaktivistin wird ein weiter historischer Bogen gespannt. Die Grünen berufen sich dabei auf die Schlusserklärung der Nicht-Regierungsorganisationen bei der UN-Weltkonferenz in Durban 2001. In dieser Erklärung hatten sich die NROs darauf geeinigt, Kolonialismus, Sklaverei und Sklavenhandel als wesentliche Ursachen des modernen Rassismus anzuerkennen. Das Dokument gilt Antirassismus-Aktivisten als Meilenstein.

Was das mit Gröben zu tun hat? Aus Sicht der Grünen hängen die Gründung der Festung Großfriedrichsburg und der später über diesen afrikanischen Küstenstützpunkt abgewickelte Sklavenhandel Brandenburg-Preußens eng zusammen. „Gröbens Pionierleistung war Grundlage für den lukrativen Sklavenhandel der Brandenburger“, sagt Pichler, „und wurde in der wilhelminischen Zeit mit der Straßenbenennung gewürdigt.“

Diese Sichtweise wird nicht universell geteilt. Gumbert Salonek, Fraktionssprecher der FDP in Kreuzberg, hat ebenso wie die Abgeordneten der CDU gegen die Straßenumbenennung gestimmt. Gröben sei lediglich ein „Forschungsreisender“ gewesen, die Grünen hätten sich „das Böse zusammenkonstruiert“, schimpft Salonek.

Einer, der die Sichtweise der Grünen ebenfalls nicht nachvollziehen kann, ist Ulrich van der Heyden. Der habilitierte Historiker, der eine ellenlange Publikationsliste zum Kolonialismus vorweisen kann, bezweifelt, dass sich Gröben für den von den Grünen intendierten symbolischen Akt eignet. Schließlich sei Gröben kein Profiteur des Sklavenhandels gewesen. Er befürworte selbst, die vielen Straßennamen in Berlin, die noch an die koloniale Euphorie der brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deutschen Kaiser erinnern, endlich auszutauschen. Gröben aber findet er nicht geeignet, um ein Exempel zu statuieren.

Seine Bedenken veröffentliche van der Heyden in einem Artikel für die Zeitung „Neues Deutschland“. Als Referent in der BVV, die über die Gröbenuferumbenennung entschied, wurde er nicht hinzugezogen. 2004 aber war der Historiker Gutachter im Bezirk Mitte, als ein Ausschuss der BVV über die Umbenennung der Mohrenstraße beriet. Van der Heyden hatte damals keine rassistische Konnotation des Begriffs „Mohr“ erkennen können. Die Straße, von manchen politisch überkorrekt sogar nur „M-Straße“ genannt, erhielt ihren Namen im 17. Jahrhundert, als eine Gruppe von Afrikanern aus der von Gröben begründeten Kolonie dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm ihre Aufwartung machte und dort residierte. In Folge seines Referats in der BVV war van der Heyden in mehreren E-Mails als Rassist diffamiert worden, wogegen er vor Gericht vorging.

Nach dem Willen der Grünen soll am May-Ayim-Ufer eine Gedenktafel entstehen und ein Ort der Erinnerung an den Kolonialismus geschaffen werden. Diskussionsbedarf über diese fast vergessene Episode deutscher Geschichte besteht offensichtlich. Die erste Berliner May-Ayim-Straße ist es übrigens nicht, wenn auch die erste offizielle.

In der Szene ist die jung verstorbene Lyrikerin und Publizistin durchaus bekannt – 2003 hatten Aktivisten in einer Nacht- und Nebelaktion die Schilder der Mohrenstraße in Mitte mit dem Namen der Deutsch-Afrikanerin überklebt. Auch eine Methode der Geschichtspolitik. Anna Sauerbrey

Das Gröbenufer verlor seinen Namen, weil es an einen Kolonialisten erinnerte. Unser Kolumnist Bernd Matthies sieht darin eine Duftmarke der Kreuzberger Grünen, die den Bezirk politisch korrekt aufrüsten wollen. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

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