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Dirk Behrendt, Senator für Justiz, besucht den offenen Vollzug der JVA Plötzensee.

© Florian Boillot/DAVIDS

Streit um offenen Vollzug für Sicherungsverwahrte: CDU wirft Berlins Justizsenator Desinteresse an Bürgern vor

Berlin hat in Tegel den deutschlandweit ersten offenen Vollzug für Sicherungsverwahrte eröffnet. Hat Justizsenator Behrendt die Anwohner dabei ignoriert?

Vor wenigen Tagen wurde Deutschlands erster offener Vollzug für Sicherungsverwahrte eröffnet. Zwei Männer wohnen seitdem in einem Haus direkt an der Außenmauer der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel. Jetzt kritisiert die Berliner CDU das Vorgehen von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) in dieser Sache scharf: Behrendt habe die Sorgen der Anwohner nicht ernstgenommen, missachtet.

Die Christdemokraten kritisieren, dass die Justizverwaltung trotz einer laufenden Petition von Anwohnern den offenen Vollzug eröffnet habe. Die Petition stecke seit Dezember 2019 im Abgeordnetenhaus fest, sagte die Reinickendorfer CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner dem Tagesspiegel. Grüne und Linke hätten durch das ständige Verschieben des Themas im Parlament verhindert, dass die Petenten rechtzeitig eine Antwort erhalten.

In der Petition hatten Anwohner und Unterstützer darum gebeten, einen anderen Standort für den offenen Vollzug zu finden. Acht Männer, Schwerstverbrecher und Sexualstraftäter, sollen in dem Haus einmal untergebracht werden. Die Anwohner hatten argumentiert, dass das Gebiet besonders dicht besiedelt sei, eine Grundschule in der Nähe.

„Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wie Grünen-Senator Behrendt hier die Sorgen der Anwohner und Petenten ignoriert und gegen ihren Willen vollendete Tatsachen geschaffen hat. Sein skandalöser Umgang schädigt das Vertrauen in das Parlament und fördert Politikverdrossenheit“, schreiben Demirbüken-Wegner und ihr Reinickendorfer Parteifreund Stephan Schmidt.

Beide kritisieren den Standort des offenen Vollzugs. Auch weil im Bezirk insgesamt schon "überproportional viele Vollzugseinrichtungen" angesiedelt seien. Die JVA beherberge fast 1000 Menschen, es gebe bereits eine Sexualstraftäterambulanz, den offenen Vollzug in Heiligensee, das Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Wittenau und den offenen Vollzug für Frauen ebenfalls in Wittenau. Insgesamt fast 2000 Plätze.

Gesetzliche Vorgabe stammt noch von der SPD-CDU-Koalition

Sven Rissmann, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, erklärt: „Die Meinung der Bürgerinnen und Bürger, auch die Meinung der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf, die sich gegen das Vorhaben ausgesprochen hat, interessiert Herrn Behrendt offenbar nicht.“

Für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus: Rechtspolitiker Sven Rissmann.
Für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus: Rechtspolitiker Sven Rissmann.

© promo

Mit dem offenen Vollzug wird in Berlin eine gesetzliche Vorgabe erfüllt, die bereits im Jahr 2013, unter der damaligen SPD-CDU-Koalition, geschaffen worden war. Die wiederum geht auf eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zurück.

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Rissmann: „Gewiss haben auch Sicherungsverwahrte ein Recht auf Resozialisierung. Aber warum gerade Reinickendorf die Risiken tragen muss, die mit einem offenen Vollzug verbunden sind, konnte nicht rechtzeitig im Abgeordnetenhaus diskutiert werden.“ Justizsenator Behrendt untergrabe so das „verfassungsmäßig verbürgte Petitionsrecht“.

Justizverwaltung hält Tegel für den besten Standort

In der Justizverwaltung sieht man die Vorwürfe gelassen. Sebastian Brux, Sprecher des Justizsenators, sagte dem Tagesspiegel: „Eine Petition hat keine aufschiebende Wirkung.“ Man wisse um die Sorgen der Anwohner, deshalb habe es mehrere Veranstaltungen gegeben, auf denen über das Projekt informiert wurde.

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Brux weist die Kritik zurück, dass die Justizverwaltung nicht nach alternativen Standorten gesucht habe. „Es wurden Alternativstandorte abgewogen, aber das ist im Interesse der Sicherheit der beste Standort, weil Psychologen und Sozialarbeiter die Männer eng betreuen können.“ Dies sei nur möglich, weil der offene Vollzug direkt am Gefängnis liege. Am anderen Ende der Stadt könnte eine so enge Betreuung gar nicht möglich sein, sagte Brux.

Neben den Informationsveranstaltungen habe die Justizverwaltung auch eine umfangreiche Sammlung der wichtigsten Fragen und Antworten zur Sicherungsverwahrung und dem offenen Vollzug online veröffentlicht. „Uns ist wichtig, dass wir für eine Akzeptanz werben“, sagte Brux.

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