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Hat er noch das Vertrauen der anderen AfD-Abgeordneten? Fraktionschef Georg Pazderski im Berliner Abgeordnetenhaus.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Streit um Geld und Macht: Der Berliner AfD-Fraktion droht die Spaltung

Neun von 22 Abgeordneten sehen keine Grundlage für die weitere Zusammenarbeit mit Fraktionschef Pazderski. Der wehrt sich und sucht die Schuld bei anderen.

Rund 14 Monate vor der Abgeordnetenhauswahl droht der Streit innerhalb der Berliner AfD-Fraktion zu eskalieren. Nachdem zuletzt die faktische Entmachtung des parlamentarischen Geschäftsführers Frank-Christian Hansel intern für Ärger gesorgt hatte, attackieren nun gleich mehrere Mitglieder der Fraktion dessen Vertrauten Georg Pazderski. Dem seit 2016 amtierenden Fraktionsvorsitzenden wird ein Führungsstil nach Gutsherrenart vorgeworfen.

Von einem „Klima des Misstrauens und der Destruktivität“ ist in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben die Rede und davon, dass die „Grundlage einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit“ aktuell nicht mehr gegeben sei. Selbst von einer möglichen Spaltung der Fraktion ist hinter vorgehaltener Hand die Rede. Allerdings sei diese so kurz vor der Wahl wohl kaum zu verantworten, hieß es weiter.

Das Ende Juni angefertigte und als „Appell“ bezeichnete Schreiben haben neun der aktuell noch 22 Fraktionsmitglieder unterzeichnet. Drei Abgeordnete waren während der laufenden Legislatur ausgeschlossen worden.

Unter den Kritikern ist mit Kristin Brinker eine der vier Stellvertreter Pazderskis im Fraktionsvorstand. Brinker gilt als Kontrahentin des zuletzt aus Bundes- und Landesvorstand der AfD ausgeschiedenen Pazderski und wollte diesem im Oktober bis kurz vor der Wahl auch den Posten des Fraktionschefs streitig machen. Ihre geplante Kandidatur zog Brinker jedoch kurzfristig zurück.

Unter Pazderskis Gegnern: Angehörige des offiziell aufgelösten Flügels

Ebenfalls unterzeichnet haben das Schreiben die stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Jeannette Auricht sowie die Abgeordneten Hugh Bronson, Harald Laatsch, Gunnar Lindemann, Frank Scholtysek, Tommy Tabor, Carsten Ubbelohde sowie Thorsten Weiß.

Zumindest bei Weiß und Auricht dürften auch andere Motive eine Rolle spielen: Beide gelten als Vertreter des zuletzt aufgelösten Flügels innerhalb der AfD. Pazderski wiederum hatte sich nach außen immer wieder als Gegner der Gruppe positioniert, genau wie sein langjähriger Vertrauter Frank-Christian Hansel.

Angeblich regelmäßige Beleidigung von Abgeordneten

Glaubt man dem Schreiben seiner Fraktionskollegen, ist der Führungsstil Pazderskis aber alles andere als liberal. Durch das erwähnte „Klima des Misstrauens und der Destruktivität“ werde „jede sachliche Arbeit behindert und unsere Zusammenarbeit nachhaltig beschädigt“.

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Selbst von regelmäßigen Beleidigungen gegenüber Fraktionsmitgliedern durch die Sitzungsleitung ist die Rede. Unter den Beschäftigten der Fraktion herrsche „ein Klima der Verunsicherung und Frustration“, von verantwortungsvoller Personalführung könne keine Rede sein.

Finanzberater geholt - und wieder entlassen

Anlass des Schreibens ist eine von der Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommene Personalie innerhalb der Fraktion. Zu Jahresbeginn hatte diese mit dem Finanzberater Thomas Schapals einen neuen Leiter der Finanzen eingestellt. Er sollte gemeinsam mit Fraktionsgeschäftsführer Andreas Einfinger die Geldflüsse der Abgeordnetenhausfraktion überprüfen und – so die Darstellung einzelner Abgeordneter – neu ordnen.

Hansel wiederum war vorgeworfen worden, sich zu stark in die Belange Einfingers eingemischt und dabei nicht immer alle Regeln eingehalten zu haben. Wohl aus Sorge vor einer Überprüfung durch den Landesrechnungshof wurde Hansel Ende Mai quasi entmachtet – wogegen sich dieser wehrte und am Ende auch den Schatzmeisterposten im Bezirk Tempelhof-Schöneberg verlor. Hansel ist weiter Schatzmeister der Berliner AfD.

Frank-Christian Hansel (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin.
Frank-Christian Hansel (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin.

© Monika Skolimowska/dpa

Schapals wiederum wurde während der jüngsten Fraktionssitzung aus seinem Amt entlassen – während der Probezeit. Im „Appell“ heißt es dazu, das als „desaströs“ bezeichnete Vorgehen „ist einem angemessenen Umgang mit den uns anvertrauten Mitarbeitern absolut unwürdig und zutiefst beschämend“.

Mit der Entlassung Schapals liege die Neustrukturierung der Finanzverwaltung innerhalb der Fraktion – anders als im Mai beschlossen – auf Eis, erklärte ein Abgeordneter. Laut den Unterzeichnern des „Appells“ ist die Lage geeignet, „einer weiteren Zusammenarbeit in der Fraktion jede Grundlage zu entziehen und damit die Zukunft unserer Fraktion aufs Spiel zu setzen“.

Pazderski: "Läuft so, wie ich mir das vorstelle"

Pazderski, für den der Streit am Tag nach Bekanntgabe seiner Bewerbung für die Spitzenkandidatur 2021 zur Unzeit kommt, erklärte dazu im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Ich weiß, dass sich die Fraktion nicht spalten wird.“ Seinen Angaben zufolge hatte die „weit überwiegende Mehrheit der Fraktion“ die Kündigung Schapals unterstützt. Tatsächlich fiel die Entscheidung mit 12:8 oder 11:9 Stimmen pro Entlassung – je nach Darstellung. Aus dem Lager der Kritiker Pazderskis war sogar von versprochenen Listenplätzen die Rede.

Die gegen seine Person erhobenen Vorwürfe wiederum bezeichnete Pazderski als „absoluten Irrsinn“ und behauptete seinerseits, längst nicht alle Unterzeichner des „Appells“ seien mit dessen Inhalt glücklich. „Dort wurden unter falscher Vorgabe Unterschriften eingeholt“, erklärte Pazderski - und erntete dafür Widerspruch aus den Reihen der Unterzeichner. Dennoch fügte der unter anderem für fehlenden Ausgleich und Moderation kritisierte Fraktionschef hinzu: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diesen Streit beilegen und dann alles wieder so läuft, wie ich mir das vorstelle.“

Wie groß der Druck auf Pazderski ist, zeigt eine am Mittwoch nachgereichte Erklärung des Fraktionsvorstandes, die Tagesspiegel-Informationen zufolge allerdings nicht mit allen Mitgliedern des Gremiums abgesprochen war. Darin ist von einem "Fake-Szenario" die Rede, das verbreitet wurde, "um Unruhe zu stiften". Weiter heißt es, die "angegebenen Aussagen und Zahlen" seien "unzutreffend", es gebe keine Spaltungsgefahr und es habe auch nie eine bestanden. Welche Angaben genau nicht der Wahrheit entsprechen würden, blieb offen.

Weiter wird in der Erklärung versucht, die Auseinandersetzung als Streit zwischen Anhängern des ehemaligen Flügels der Partei sowie dem vermeintlich bürgerlich-konservativen Lager innerhalb der Berliner AfD darzustellen. Dagegen spricht, dass sieben der neun Unterzeichner des "Appells" bislang keine Verbindungen zum Flügel aufwiesen und dieser im Vergleich zu anderen ostdeutschen Landesverbänden der AfD in Berlin keine große Rolle spielt.

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