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Wer als Tourist in die deutsche Hauptstadt kommt, wohnt oft gern authentisch wie ein Berliner.

© dpa

Streit um Ferienwohnungen in Berlin: Mieterverein befürchtet mehr Zweitwohnungen für Touristen

Der Senat zählt 16.826 Wohnungen, deren Eigentümer anderswo gemeldet sind. Ein Gerichtsurteil deutet auf eine Lücke im Zweckentfremdungsverbot hin: Sie könnten alle an Touristen vermietet werden.

Von Fatina Keilani

Da ist das Rentnerpaar, das in Berlin eine Zweitwohnung hat, vier Mal im Jahr hier die Enkel besucht und in der Zwischenzeit auch mal Freunde in der Wohnung wohnen lässt. Da ist der junge Mann, dessen Schwester in Australien wohnt, die er einmal im Jahr für vier Wochen besucht; die Reise finanziert er sich, indem er für die Zeit seine Wohnung vermietet. Dürfen die das?

„Nein“, sagt Mittes zuständiger Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne). „Doch!“, sagt seit Dienstag das Verwaltungsgericht. Argument: Würde man es verbieten, dann kämen die beiden Wohnungen trotzdem nicht dem Wohnungsmarkt zugute, sondern würden zeitweise leer stehen. Hier überwiege das private Interesse gegenüber dem öffentlichen. Sinn des Zweckentfremdungsverbotes ist ja gerade, den zweckentfremdeten Wohnraum den Berlinern zurückzugeben.

Nach dem Urteil von Dienstag könnte die Zahl der Zweitwohnungen in Berlin in Zukunft kräftig steigen, und mit ihr die Zahl der Verfahren beim Verwaltungsgericht mit dem Ziel, eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb von Ferienwohnungen zu bekommen. Diese Schlussfolgerung bietet sich an; auch beim Mieterverein rechnet man damit. „Die Befürchtung liegt auf der Hand, dass künftig Zweitwohnungen angemeldet werden mit dem Ziel, sie als Ferienwohnungen zu vermieten“, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin Wibke Werner. Die Stadtentwicklungsverwaltung hat diese Gefahr erkannt und prüft eine Berufung.

Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung

Das Gericht hatte am Dienstag zugunsten dreier Wohnungseigentümer aus Rostock, Dänemark und Italien entschieden, die in Berlin Zweitwohnsitze haben und ihre Wohnungen in der Zeit ihrer Abwesenheit an Gäste vermieten wollen. Sie haben laut Gericht Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.

Das Zweckentfremdungsverbot gilt seit Mai. Wohnungen dürfen seither nicht mehr an Touristen vermietet werden. Wer es doch tun will, braucht eine Genehmigung. Die Thematik wird das Gericht beschäftigt halten: Rund 100 Klagen wurden schon entschieden, 120 offene Zweckentfremdungsfälle sind anhängig, und jeden Tag kommen neue dazu, wie ein Gerichtssprecher bestätigte.

Mit dem jüngsten Urteil wurde nun ein neues Spielfeld eröffnet. Wer eine Zweitwohnung in Berlin hat, muss dafür Steuern zahlen. Das haben manche bisher dadurch vermieden, dass sie die Wohnung nicht als Zweitwohnung gemeldet haben. Wenn es nun aber so ist, dass für die Vermietung einer Zweitwohnung als Ferienwohnung Anspruch auf eine Genehmigung besteht, könnte sich das schnell ändern, denn die Vermietung bringt wesentlich mehr Geld, als die Steuer kostet.

Weitere Fragen werden das Gericht beschäftigen

Vielleicht betreten jetzt sogar weitere Teilnehmer den Markt: Laut Finanzverwaltung sind 16 826 Wohnungen in Berlin derzeit als Zweitwohnungen gemeldet. Voraussetzung ist laut Sprecher Jens Metzger zwar, dass im Inland ein Erstwohnsitz vorhanden ist. Das ist aber nur melderechtlich so. Für das Zweckentfremdungsverbot scheint es keine Rolle zu spielen, denn zwei der drei Kläger vom Dienstag haben ihre Erstwohnsitze im Ausland. Potentiell könnten alle diese Zweitwohnungsbesitzer Ausnahmegenehmigungen beantragen, sofern die Wohnung ihr Eigentum ist.

Weitere Fragen werden das Gericht beschäftigen. Ein wichtiger Fall: Gewerbe. Wenn jemand gewerblich Ferienwohnungen vermietet, das also sein Beruf ist, er womöglich eigens Kredite aufgenommen hat, und das Verbot nun seine Existenz bedroht: Wie ist es dann? Oder wenn eine Behörde anordnet, dass eine leer stehende Wohnung sofort dem Markt zurückzugeben ist, wie ist es dann? Auch die Frage der Flüchtlingsunterbringung kommt. Werden Flüchtlinge – lukrativ für den Vermieter – auf der Basis von Tagessätzen untergebracht, so kann auch das eine Zweckentfremdung sein.

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