zum Hauptinhalt
Das Rathaus Lichtenberg in der Möllendorffstraße wurde mit Farbbeuteln beworfen. 

© Bezirksamt Lichtenberg

Streit um die Rummelsburger Bucht: Rathaus nach Räumung von Berliner Obdachlosenlager mit Farbe beworfen

Eine Woche nach Räumung eines Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht finden erneut Demonstrationen statt – und das Lichtenberger Rathaus wurde beschmiert.

In der Nacht auf den 12. Februar ist auf das Rathaus Lichtenberg ein Farbbeutelanschlag verübt worden. Einer Mitteilung des Bezirksamts zufolge warfen Unbekannte gegen 4 Uhr morgens mehrere Farbbeutel auf die Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes. Dabei ging ein Fenster zu Bruch.

In einem Bekennerschreiben auf Indymedia.org heißt es, der "Kampf um die Rummelsburger Bucht" sei noch nicht vorbei. "Als Denkzettel für den von der Linkspartei geführten Bezirk haben wir ein paar Scheiben am Rathaus eingeworfen und Farbe hinterlassen." 

Der Vorfall wurde durch die Polizei aufgenommen und wird untersucht. Bezirksbürgermeister Michel Grunst (Die Linke) sagte dazu: „Ich verurteile diese Tat aufs Schärfste und hoffe, das die Täter schnell ermittelt werden. Gefährdungen von Menschen und Sachbeschädigungen sind nicht hinnehmbar. Das sind Straftaten, diese dürfen niemals Bestandteil politischer Klärungsprozesse sein.“

Hintergrund ist die Räumung des wohl größten Camps von obdachlosen Menschen mit rund 100 Personen an der Rummelsburger Bucht in Berlin-Lichtenberg in der Nacht zum 6. Februar. Laut Angaben der Senatssozialverwaltung wurden 47 Personen erst in eine Traglufthalle und dann in ein Hostel gebracht. Der Verbleib der restlichen Obdachlosen ist unklar. Niemand darf auf das Gelände zurück und dort nächtigen.

Einen Tag nach der Räumung begannen Bagger und Arbeiter damit, die Zelte und Hütten abzureißen. Teilnehmer einer spontanen Kundgebung am 6. Februar hatten einen Bagger besetzt. Einige Hütten und Behausungen wurden zerstört, Obdachlose beklagen, ihr gesamtes Hab und Gut verloren zu haben. Mittlerweile scheint der Abriss des Lagers gestoppt zu sein. Helferinnen und Helfer haben einen Lageplan aufgestellt, welche Hütten noch stehen. Die Obdachlosen dürfen wohl auch rein und ihre Sachen abholen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Doch einige haben bereits ihre Sachen verloren oder klagen, nicht an diese ranzukommen. Für die Organisation vor Ort agiert ein Architektenbüro vom Kurfürstendamm als Ansprechpartner für die Coral World GmbH, der das Grundstück gehört. Einen Bauantrag gibt es dem Lichtenberger Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) zufolge noch nicht. 

Raed Saleh zur Attacke aufs Rathaus: "Einfach nur feige"

Hönicke ist besonders in der Kritik, da er die Räumung veranlasst hatte. Die Landesvorsitzenden der SPD Berlin reagierten am Freitag auf die Farbbeutelattacke: "Unhaltbare Zustände an der Rummelsburger Bucht sind auch im Sinne einer sicheren Stadt aufgelöst worden. Darauf mit blindem Vandalismus zu reagieren, hat mit politischer Auseinandersetzung, Meinungsfreiheit oder Demokratie nichts zu tun", sagte Franziska Giffey. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Raed Saleh ergänzte: „In dem Camp in der Rummelsburger Bucht bestand eine akute Notlage mit Gefahr für Leib und Leben der Bewohnerinnen und Bewohner. Der Bezirk Lichtenberg hat auf die unhaltbare Situation reagiert und den Menschen bei zweistelligen Minusgraden Obdach gegeben. Auf die Unterbringung in einer sicheren Unterkunft jetzt mit einem Anschlag auf das Lichtenberger Rathaus zu reagieren, ist nicht konstruktiv, sondern einfach nur feige."

[Mehr über die Räumung des Obdachlosencamps und weitere News aus Lichtenberg erfahren Sie auch am Montag im Tagesspiegel-Leute-Newsletter: leute.tagesspiegel.de]

Für den 12. Februar wurde eine weitere Kundgebung gegen die Räumung des Lagers direkt an der Rummelsburger Bucht angekündigt. Bereits am 6. Februar waren rund 300 Demonstrierende von der Rigaer Straße nach Lichtenberg gezogen. Am 10. Februar hatte eine Kundgebung vor der Roten Rathaus stattgefunden. Einige Obdachlose sowie diverse Verbände und Initiativen kritisierten die Räumung scharf, da diese sehr kurzfristig und unangekündigt geschehen war. 

Vor dem Roten Rathaus berichtete ein Sanitäter, manche Bucht-Bewohner hätten erst aus der Presse von der Räumung erfahren und müssten nun schauen, wie sie an ihre Sachen kommen. Einige waren in Notunterkünften oder anderweitig untergekommen - sie seien nicht mal in Berlin. 

Der Sanitäter hatte ehrenamtlich Patientinnen und Patienten an der Rummelsburger Bucht versorgt. Nach der Räumung würde er diese nun nicht mehr wiederfinden, dabei müssten manche von ihnen dringend weiter behandelt werden. Sie seien auch nicht in dem Hostel. 

Das Camp war vom Bezirk jahrelang geduldet worden. Eine erste Räumung des Lagers fand bereits 2019 statt, damals wurden hauptsächlich Menschen aus Bulgarien und Rumänien vertrieben und ihre Hütten zerstört. 2020 war das Lager wieder angewachsen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false