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Die frühere Lungenklinik diente nach ihrer Schließung schon oft als Filmkulisse.

© Thilo Rückeis

Streit um Ausbau zur Flüchtlingsunterkunft: Nutzung der Lungenklinik Heckeshorn weiterhin offen

Der Ausbau der Lungenklinik Heckeshorn als Flüchtlingsunterkunft sorgt weiter für Kontroversen. Das wurde bei einer Diskussionsrunde in Wannsee deutlich.

Was soll aus der ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn werden? CDU, Grüne und FDP sind sich in dieser Frage ungewöhnlich nah. Wohl so nah, wie seit den Ende 2017 geplatzten Jamaika-Verhandlungen nicht mehr. Das wurde bei einer Diskussionsrunde in Wannsee klar. Mit von der Partie war auch Gero Tuttlewski. Der extra aus Hamburg angereiste Jurist hatte in seiner norddeutschen Heimat jüngst von der Wochenzeitung „Die ZEIT“ den Beinamen „Flüchtlingsschreck“ verpasst bekommen, nachdem er dort erfolgreich für die Anwohner gegen große Unterkunftsprojekte geklagt hatte. Und auch in Zehlendorfer Ortsteil Wannsee geht es derzeit um eine Flüchtlingsunterbringung, die so nicht allen Beteiligten in den Kram passt.

Zwar sind schon jetzt in einigen Häusern am Standort rund 100 Flüchtlinge untergebracht, die Pläne des Senats sehen aber vor, weitere 764 Plätze in den alten Klinikgebäuden für eine Mindestdauer von drei bis fünf Jahren einzurichten. Dabei war ursprünglich die Nutzung des Geländes als Notunterkunft ausdrücklich nur als Zwischenlösung vorgesehen, wie aus einer schriftlichen Anfrage der Abgeordneten der Linken im Abgeordnetenhaus vom 10. Dezember 2015 hervorgeht.

Im Bebauungsplan ist das Areal zur Zeit noch als Krankenhausstandort definiert. „Wenn es nach mir ginge, würde ich in Heckeshorn entweder einen Gesundheitsstandort etablieren oder für Wohnbebauung inklusive neuer Grundschule plädieren“, erklärte Cerstin Richter-Kotowski (CDU), Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, den Wannseern am Montagabend in einer Diskussionsrunde in der benachbarten Wannseeschule e.V., zu der die Berliner FDP eingeladen hatte. „2015 war dieses Vorhaben vielleicht sinnvoll, aber angesichts der jetzigen entspannten Situation halte ich es für Unsinn, ein bestehendes Krankenhaus umzuwidmen, das wäre geradezu zerstörerisch“, so Richter-Kotowski.

Bereits seit 2007 stehen die alten Klinikgebäude nun leer, werden mit ihrem 90er-Jahre-Charme gerne als Filmkulisse genutzt. Die meisten von ihnen sind noch voll funktionsfähig. Richter-Kotowski befand sich mit ihrer Position zwar in befremdlicher Einigkeit mit den Anwesenden der anderen Parteien, weniger Verständnis brachte insbesondere aber FDP-Fraktions- und Ortsverbandsvorsitzender Sebastian Czaja dafür auf, dass der Bezirk nicht auch juristisch gegen die Senatsbauverwaltung wehre. Außerdem wünschte sich Czaja ein gemeinsames Vorgehen aller Akteure. „Jeder der in Steglitz-Zehlendorf politische Verantwortung trägt, muss jetzt seine Stimme gegen die Senatspläne erheben. Und da erwarte ich vor allem der Bezirksregierung mehr Initiative“, so Czaja.

„Wir übernehmen auch mal pro-bono-Mandate“, fügte Anwalt Tuttlewski hinzu und erntete damit einzelne Lacher im Publikum. Für die Klage seiner Mandanten sehe er durchaus gute Erfolgsaussichten. Der Senat verstoße mit seinem Vorhaben nämlich nicht nur gegen Erforderlichkeit und Naturschutz. Im Sommer des vergangenen Jahres verhängte das Verwaltungsgericht Berlin einen Baustopp: Der Grundstücksgesellschaft des Landes (Bim) wurden per Beschluss Baumaßnahmen auf dem Gelände der früheren Lungenklinik Heckeshorn vorläufig untersagt (AZ: VG 24 L181.18). Das Gebiet um den ehemaligen Klinikstandort ist 13,5 Hektargroß, 10,5 Hektar davon will die BIM entwickeln. Sie wollte nach dem Baustopp zunächst Fledermäuse und Vögel aufspüren, auflisten und gegebenenfalls umsiedeln – dann einen neuen Bauantragstellen.

Schon das „An sich ziehen“ des Verfahrens von Senatsbaudirektorin Lompscher sei schlichtweg rechtwidrig gewesen, so Tuttlewski weiter. Das dürfe sie nämlich nur bei Angelegenheiten, die im gesamtstädtischen Interesse liegen, was man von Heckeshorn nicht behaupten könne. Schließlich versuche der Senat mit der Auslösung einzelner Teilstücke aus dem Grundstück, die Notwendigkeit einer Flächennutzungsplanänderung und damit der Bürgerbeteiligung zu umgehen. Damit verstoße er außerdem gegen ein „Frustrationsgebot“, das sich zwar nicht rein juristisch, aber sehr wohl aus dem gesunden Menschenverstand ableite: Bauleitplanung müsse immer im Einklang mit der lokalen Bevölkerung passieren.

Frustration war jedenfalls schon jetzt zu spüren im dem mit laut FDP-Angaben über 100 Teilnehmern gut gefüllten Saal, nicht nur ob der fortgeschrittenen Stunde und der Sommertemperaturen. Richter-Kotowski holte wohl auch deshalb schon nach einer guten Stunde den mitgebrachten Handfächer raus, um sich etwas frischen Wind zuzuwedeln. Schließlich erklärte sich Richter-Kotowski noch einmal deutlich dazu bereit, die Planungsverantwortung für Heckeshorn wieder zu übernehmen, wenn es keine Auflagen von Seiten des Senats gebe. Sie und auch Grünen-Kreisvorsitzende Susanne Mertens sowie das Abgeordnetenhaus-Mitglied Stephan Standfuß (CDU) verständigten sich darauf, eine gemeinsame Position zu Heckeshorn in Sachen Verfahrenshoheit, Umfeldverträglichkeit und Nachhaltigkeit, Zeitrahmen, Bürgerbeteiligung und Verfahrenstransparenz zu finden und schnellstmöglich zu formulieren. Die SPD im Bezirk, von der kein Vertreter zugegen war, hatte bereits im Vorfeld Kooperationsbereitschaft signalisiert, die Linke dagegen deutlich gemacht, dass sie auf Seiten ihrer Senatorin stehe.

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