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Keine zahlenden Gäste. So sieht es zurzeit in vielen U-Bahnen aus.

© imago images/Frank Sorge

Streit über Monatskarten in Coronakrise: Verbraucherzentrale fordert Kulanz vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg

Sehr viele Menschen bleiben wegen Corona zu Hause. Ihre Monatskarte müssen sie trotzdem zahlen. Darüber gibt es Streit.

Hamburg ist kulant, das Ruhrgebiet ist kulant. Die Deutsche Bahn ist es auch. In Berlin-Brandenburg müssen Kunden im öffentlichen Nahverkehr dagegen trotz Corona weiterzahlen. Es gibt kein Angebot, das Abo auszusetzen. Dabei nutzen viele Pendler in der Region ihre Monatskarten seit Wochen wegen der Corona-Pandemie kaum noch oder gar nicht. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) lehnte, wie berichtet, Mitte April jede Kulanzregel ab. 

In einem Schreiben des VBB an den Fahrgastverband Pro Bahn hieß es, dass „die gültigen Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen weiterhin anzuwenden sind“. Nachdem der Tagesspiegel darüber berichtet hatte, schaltete sich die Verbraucherzentrale ein. Der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg, Christian Rumpke, forderte in einem Schreiben an die Verkehrsstaatssekretäre beider Länder mehr Entgegenkommen bei Stammkunden. 

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In dieser Woche telefonierte Rumpke zudem mit Ingmar Streese (Berlin) und Rainer Genilke (Brandenburg), beide gehören dem Aufsichtsrat des VBB an. Dem Vernehmen nach machten die beiden Politiker aber keine Zusagen – sondern verwiesen auf die angespannte finanzielle Situation. Bekanntlich sind bei allen Verkehrsbetrieben bundesweit die Einnahmen eingebrochen. Der BVG gehen nach eigenen Angaben derzeit etwa 30 Prozent der Einnahmen verloren, weil kaum noch Tickets an Automaten oder Schaltern verkauft werden. 

Die BVG verliere 500.000 Euro pro Tag

Pro Tag verliere die BVG 500.000 Euro. Genau zwei Drittel der Fahrgeldeinnahmen kommen von den Stammkunden, allein die BVG hat über 500.000. Allen Stammkunden nun auch noch finanziell entgegenzukommen, sei schwierig, teilten die Staatssekretäre der Verbraucherzentrale mit.

Der HVV in Hamburg denkt anders: „Wir verlieren Sie nur ungern als Kunden, können aber gleichzeitig gut verstehen, dass Sie in diesen besonderen Zeiten den HVV nicht mehr so nutzen wie bisher“, teilt das Unternehmen mit – und bietet an: „Legen Sie mit Ihrem HVV-Abo eine Pause ein, statt zu kündigen.“ Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr schuf für Abonnenten „ein neues und nur in der aktuellen Phase geltendes Sonderkündigungsrecht, ohne finanzielle Nachteile  für Kunden“.
„Diese Verkehrsverbünde machen es vor“, lobte Christian Rumpke von der Verbraucherzentrale. Ihm geht es nicht darum,  den VBB abzumahnen „wie ein schwarzes Schaf“. Ziel müsse es sein, dass möglichst wenig Kunden vom ÖPNV abwandern. „Stammkunden halten ist aufwändig“, sagte Rumpke dem Tagesspiegel, „nicht nur finanziell“.

Abonnenten könnten einfach kündigen

Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow von der Berliner Kanzlei Fürstenow verwies darauf, dass es überhaupt keiner Kulanz bedürfe – weil  Abonnenten einfach kündigen können. In den Bedingungen heißt es: „Der Abonnementvertrag kann durch den Kunden auch vor Ablauf der 12–Monats–Laufzeit jeweils zum Ende eines Monats vorzeitig gekündigt werden“, es müssten nur die Wertabschnitte zurückgegeben werden. Dies wird allerdings nicht aktiv vom VBB kommuniziert. 

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Anwalt Fürstenow kommentierte dies so: „Der VBB scheint wohl seine eigenen Verträge nicht zu kennen oder kennen zu wollen.“ Er selbst habe sein Abo gekündigt und diese Kündigung auch bestätigt bekommen. BVG-Sprecherin Petra Nelken bestätigte, dass eine solche Kündigung möglich ist. Die Verbraucherzentrale betonte in dem Schreiben an die Staatssekretäre, dass sie gerade nicht zu „massenhaften Kündigungen aufrufen“ wolle, „wegen der unstrittigen Umwelt- und Verkehrsvorteile des ÖPNV“. 

Zudem sei eine Kündigung für Abonnenten unattraktiv, da sich für die schon genutzten Monate nachträglich der Preis erhöhe, hieß es.

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