zum Hauptinhalt
Wie geht es weiter mit der Markthalle 9?

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Streit in Kreuzberg: Gericht rät bei Markthalle Neun zu Vergleich

Eine Zweckentfremdung der Wohnungen liege nicht vor, so die Richter. Für den Erhalt des Aldis in der Halle wurden rund 5300 Unterschriften gesammelt.

Wohnungen oder Büros über der Markthalle Neun? Ein Aldi in den 1891 eröffneten Hallen an der Eisenbahnstraße oder keiner? In Kreuzberg tobt der Hallenkampf um den Altbau, den eine Senatsfirma an drei Unternehmer verkaufte, die Bio- und Regionalkost sowie südländischem Schlemmen zugetan sind. Keine zehn Jahre nach der damals revolutionären „Konzept-Vergabe“, und nicht an den meistbietenden Filial-Entrepreneur, geriet das alternative Projekt zuletzt unter Beschuss.

Das Verwaltungsgericht hat nun entschieden und den Ende vergangenen Jahres noch siegessicheren Stadtrat Knut Mildner-Spindler zurückgepfiffen. Eine Zweckentfremdung der im Obergeschoss der Markthalle gelegenen Wohnungen bestehe nicht. Die Richter fordern den Bezirk dazu auf, deshalb angedrohte Bußgelder nicht zu erlassen und sich gütlich mit den Unternehmern zu einigen.

Aus der Schusslinie ist das Trio damit nicht, denn ob der Bezirk den Vergleich annimmt, bleibt abzuwarten. Stadtrat Mildner-Spindler sagte auf Anfrage, das Bezirksamt werde sich am 21. Januar zu dem Vergleichsvorschlag verständigen.

5300 Unterschriften für den Erhalt des Aldis in der Markthalle sollen übergeben werden

Hinzu kommt, dass an diesem Montag Aktivisten rund 5300 Unterschriften für eine Erhaltung des Aldis in der Markthalle an SPD-Fraktionschef Raed Saleh übergeben wollen. Die Betreiber hatten wiederum dem Discounter gekündigt. Sie berufen sich dabei auf vertragliche Absprachen mit dem Senat, wonach „kleinteiliger“ Handel auf den insgesamt 3500 Quadratmetern anzubieten sei – und eben keine großflächigen Märkte wie Aldi. Die geplante Ersetzung der Aldi-Filiale durch den Drogeriemarkt „dm“ käme diesem Ziel aber auch nicht näher. Wegen der Proteste setzten die Hallenbetreiber aber die Aldi-Kündigung aus und beriefen einen öffentlichen Dialog zur Zukunft der Halle ein.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Wenigstens eine Front im Hallenkampf wollen die Unternehmer begradigen und den Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen. Kein Wunder, zu ihren Gunsten fällt das Fazit der Richter aus: „Die pauschale Androhung eines Zwangsgeldes für mehrere Räumlichkeiten dürfte unbestimmt und damit rechtswidrig sein“.

In der Abwägung, ob die vier Wohnungen weiter zum Verwaltungsbetrieb der 25 Firmen – Metzger, Bäcker, Gemüsehändler, Tofu-Erzeuger, Wein-Importeure – und die in der Halle etwa 460 indirekt Beschäftigten genutzt werden dürfen – oder als dringend benötigten Wohnraum für die Berliner, schauten sich die Richter den Fall ganz genau an. Handelt es sich wirklich um schützenswerte Wohnungen, und wer lebte eigentlich dort?

Gut 125 Jahre ist die Markthalle alt, als sie eröffnete zog der Betreiber des Restaurants in die darüber gelegene Wohnung – sie war also zweckgebunden für den „Restaurateur“. Ähnliches gilt für die zweite Wohnung, wohin sich der „Inspektor“ der Markthalle in seinen wenigen Mußestunden zurückzog. Die dritte der vier Wohnungen wird ohnehin zu Wohnzwecken genutzt. Die vierte wurde vom Mieter aufgegeben – auch wegen vieler Beschwerden wegen Lärm und Gerüche.

Erträglich ist das Wohnen in der Halle wohl nur für harte City-Fans

Erträglich ist das Wohnen in der Halle wohl allenfalls für hartgesottene City-Fans, auch damit begründeten die Richter ihre Einschätzung. Vor allem gebe es aber ein „öffentliches Interesse“ an Betrieb und Erhaltung der „kleinteiligen Verkaufsflächen der Markthalle“, zumal daran Arbeitsplätze hingen und das Schicksal von Auszubildenden. „Ohne Büros müssen wir die Markthalle schließen“, sagt Betreiber Nikolas Driessen. Metzger und Bäcker müssten schon wegen der gesetzlichen Hygienevorschriften ein Büro getrennt, aber in unmittelbarer Nähe ihrer Produktionsstätte haben. Ohnedies sei der Markt für Gewerbeflächen leer gefegt – und im Quartier schon gar keine bezahlbaren Büros zu finden.

Zugunsten der Markthallen-Betreiber dürfte die Feststellung der landeseigenen Immobilienfirma BIM gesprochen haben, wonach die im Kaufvertrag mit der Stadt verankerte Nutzungsbindung zur kleinteiligen Nutzung der Halle voll erfüllt wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false