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Die Lüderitzstraße in Wedding soll umbenannt werden.

© Monika Skolimowska/dpa

Straßenumbenennungen in Berlin-Wedding: Eine Maji-Maji-Allee fürs Afrikanische Viertel?

In Wedding sollen drei Straßen umbenannt werden. Die Gutachten mit Namenvorschlägen wurden jetzt vorgestellt. Mitte April kann die Entscheidung fallen.

Von Laura Hofmann

Im langwierigen Prozess der Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel in Berlin-Wedding ist am Donnerstagabend eine Hürde genommen worden. Im Rathaus Tiergarten in Moabit wurden sechs von den FraktionenF in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte in Auftrag gegebene wissenschaftliche Gutachten mit Vorschlägen für neue Namen für die Petersallee, die Lüderitzstraße und den Nachtigalplatz in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt.

Hier sind die Namen

Für die größte Fraktion der Grünen schlägt Marianne Bechhaus-Gerst von der Universität zu Köln die Namen Rudolf Manga Bell (1873-1914), Cornelius Fredericks (gestorben 1907) und Maji-Maji vor. Bell war König der Duala im heutigen Kamerun, der sich nach anfänglicher Kooperation mit deutschen Kolonialautoritäten gegen deren Landenteignungspolitik zur Wehr setzte und wegen seines antikolonialen Widerstands hingerichtet wurde. Auch die stellvertretende Prorektorin der Universität von Namibia, Ellen Ndeshi Namhila, und der Entwicklungssoziologe Reinhart Kößler, Gutachter für die Linksfraktion, nominieren Bell in ihren Vorschlägen.

Bechhaus-Gerst weist darauf hin, dass Bell auch gemeinsam mit seiner Frau Emily geehrt werden könnte, die offenbar ebenfalls eine antikoloniale Aktivistin war und erbittert gegen die Hinrichtung ihres Mannes kämpfte. Ein Vorschlag, den auch der von der SPD beauftragte Geschichtsprofessor Andreas Eckert (Humboldt-Universität) macht.

Warum der Name "Maji-Maji"?

Mit dem Namen "Maji-Maji" soll an den in Deutschland bisher kaum bekannten, größten Befreiungskampf der deutschen Kolonialzeit - den sogenannten Maji-Maji-Krieg (1905-07) in „Deutsch-Ostafrika“ - erinnert werden. Auch Namhila und Kößler sprechen sich für eine Maji-Maji-Allee anstelle der Petersallee aus.

Weitere Vorschläge von Andreas Eckert sind Miriam Makeba, die von Nelson Mandela geehrte Sängerin, die auch "Mama Africa" genannt wurde und als wichtige politische Stimme im Kampf gegen Apartheid und Rassismus gilt, sowie Anna Mungunda (1932-1959).

Sie war Herero und gilt als erste Frau in Namibia, die die Unabhängigkeitsbewegung unterstützte. Besonders Frauen gab sie eine Stimme. Während einer Demonstration gegen die Zwangsumsiedlung der Bevölkerung von Old Location nach Katatura, die zum Ziel hatte, Platz für europäische Siedler zu schaffen, wurde sie am 9. Dezember 1959 von der Polizei erschossen. Der 9. Dezember ist heute der namibische Frauentag. Mungunda taucht auch in der Liste von Namhila und Kößler auf.

AfD und CDU gegen Umbenennung der Straßen

Für die FDP schlägt Regina Römhild, ebenfalls HU-Professorin, neben Miriam Makeba den Herero-Anführer Jakobus Morenga, der maßgeblich am Herero-Aufstand beteiligt war. Außerdem die US-Amerikanerin Audre Lorde, die sich gegen Rassismus und Homophobie engagierte.

Die Piraten brachten über ihre Gutachterin Flower Manase Msuya, Kuratorin im Nationalmuseum in Tansania, ebenfalls Jacob Marengo (abweichende Schreibweise zu Jakobus Morenga) in die Diskussion ein, und Simon "Captain" Kooper (1860-1913), der als Nama-Anführer gegen die Kolonialmächte kämpfte.

Die AfD ist gegen eine Umbenennung der Straßen. Auf 23 Seiten legt der von der Fraktion beauftragte Gutachter, der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming, dar, warum eine Beibehaltung der Namen mit einer Kontextualisierung der richtige Umgang mit dem geschichtlichen Erbe sei.

Die CDU hat sich am Prozess nicht beteiligt und spricht sich gegen eine Umbenennung aus. Die umstrittenen Namen sollen lediglich umgewidmet werden, ein Vorschlag, den die Fraktion 2016 von der Initiative Pro Afrikanisches Viertel übernommen hat. Die Veranstaltung von Donnerstag bezeichnete der Bezirksverordnete Olaf Lemke als eine Farce. Die Fraktion kritisiert das Verfahren als undurchsichtig, das Ergebnis als zu vorhersehbar.

Die im NGO-Bündnis „Decolonize Berlin“ engagierten Verbände und Vereine begrüßen die Vorschläge der Fraktionen der Grünen, der SPD und der Linke. Das Bündnis spricht sich für die Umbenennung der Petersallee in Maji-Maji-Allee, der Lüderitzstraße in Anna-Mungunda-Straße, und für eine Änderung des Nachtigalplatzes in Manga-Bell-Platz aus.

„Mit dieser Auswahl wird Deutschlands größtes Kolonialviertel nun endlich ein kritischer Lern- und Erinnerungsort zum deutschen Kolonialismus: Dafür haben wir über ein Jahrzehnt gestritten", sagt der tansanische Aktivist und Stadtführer Mnyaka Sururu Mboro von "Decolonize Berlin". "Wir fordern die BVV-Fraktionen nun auf, sich möglichst geschlossen hinter diese drei Vorschläge zu stellen und sich für eine symbolische Wiedergutmachung gegenüber Tansania, Namibia und Kamerun zu engagieren. Mit diesen Umbenennungen kann Berlin-Mitte ein Zeichen setzen, das weit über Deutschland hinaus Beachtung finden wird.“

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Vertreter des Afrika-Rats werfen Bezirksamt institutionellen Rassismus vor

Zu einem Eklat kam es am Ende der Veranstaltung am Donnerstagabend, als Akinola Famson vom Afrika-Rat, ein Dachverband afrikanischer Vereine und Initiative in Berlin und Brandenburg, die Stimme erhob und den für das Verfahren verantwortlichen Politikern, insbesondere der Stadträtin Sabine Weißler (Grüne), institutionellen Rassismus vorwarf. Er gehörte der mehrheitlich Schwarzen Jury an, die zuvor alternative Namen erarbeitet hatte.

Weil sie eine angolanische Herrscherin vorgeschlagen hatten, die im 17. Jahrhundert mit Sklaven gehandelt hatte, war die Jury scharf kritisiert worden. Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss danach, das Verfahren wissenschaftlich neu aufzurollen. Grundlage für die nun vorgestellten Gutachten war eine Namensliste mit Vorschlägen aus der Bevölkerung, die im Dezember 2016 und im Februar 2017 gesammelt wurden.

Vera Morgenstern (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Kultur, sagte am Donnerstagabend, der Prozess sei auf einem guten Weg. Die Veranstaltung habe ihr nochmals gezeigt, wie "reich und wertvoll das ist, was wir hier machen". Die Jury sei entgegen der öffentlichen Wahrnehmung nicht aufgelöst worden, sondern hätte ihre Arbeit beendet. Die Ergebnisse seien auch den Gutachtenden zugeführt worden. Sie sieht nun einen "öffentlichen Erkenntnisprozess", der politische Bildung im öffentlichen Raum voranbringe.

Noch heißt der Nachtigalplatz nach dem Afrikaforscher Gustav Nachtigal (1834-1885), Reichskommissar für Deutsch-Westafrika. Die Lüderitzstraße ehrt Adolf Lüderitz (1834-1886), der auf betrügerische Weise große Teile des heutigen Namibia erwarb und damit die Grundlage für die Kolonie Deutsch-Südwestafrika schuf. Die Petersallee war von den Nazis nach Carl Peters (1856-1918) benannt worden, dem Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika, der wegen seiner Brutalität („Hänge-Peters“) vom Posten eines Reichskommissars abberufen worden war.

Lange war unklar, ob die Petersallee überhaupt umbenannt werden kann, weil sie seit 1986 nicht mehr an Carl Peters, sondern an den Nazi-Widerstandskämpfer und Mitautor der Berliner Verfassung, Hans Peters (1896-1966) erinnert. Diese Veränderung war allerdings nie rechtskräftig geworden, was ein Gutachten des Senats nun zeigt.

Der Kulturausschuss in Mitte wird sich nun auf drei Namen einigen, am 19. April könnte die Bezirksverordnetenversammlung dann einen Beschluss fassen.

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