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„Anthrazit“ ist die offizielle Farbbezeichnung der neuen Vertriebszentrale von Mercedes-Benz in Friedrichshain.

© Thomas Loy

Straßenumbenennung in Berlin: Daimler-Adresse ehrt NS-Opfer

Eine Straße am Ostbahnhof erhält am heutigen Donnerstag nach langer Diskussion den Namen der ungarischen Zwangsarbeiterin und Künstlerin Edith Kiss.

Die Planstraße D hinter dem Ostbahnhof wird am heutigen Donnerstag um 17 Uhr nach der Bildhauerin Edith Kiss benannt. In der benachbarten neuen bundesweiten Mercedes-Benz-Vertriebszentrale wird anschließend bis 13. März (werktags 9 bis 17 Uhr) ein Zyklus von 30 Gouachen zu sehen sein, den die aus dem KZ Ravensbrück befreite jüdische Künstlerin im Sommer 1945, heimgekehrt nach Budapest, unter dem Titel „Deportation“ geschaffen hatte. 1966 nahm sich Edith Kiss 61-jährig in Paris das Leben.

Über die Benennung der Straße im Gewerbequartier war es 2012 zu Auseinandersetzungen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg mit Daimler gekommen. Der Konzern hätte die erste Autofahrerin der Welt, Bertha Benz, als Patronin seiner Adresse vorgezogen – oder gern auch Mercedes Jellinek, jene Tochter eines Autohändlers, deren Vornamen anno 1900 den berühmten Label-Namen inspirierte. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und ihre Kommissionen waren jedoch der Meinung, angesichts der Kritik am Mediaspree-Projekt, zu dem Daimler gehört, solle der gewählte Namen nicht mit der Kfz-Produktion verbunden sein. Daimler wiederum lehnte den als dritte Option eingebrachten Namen der Mercedes-Testfahrerin Ernes Merck ab, da dieser sich nur schwer erschließe. Die Fabrikantengattin aus Pommern hatte sich 1927 das Leben genommen. Vorschlag Nr. 4 kam schließlich von den Piraten: Edith Kiss, die als Zwangsarbeiterin im Daimler-Benz-Werk Genshagen/Ludwigsfelde von Dezember 1944 bis April 1945 Fliegermotoren montiert hatte.

Dagegen erfolgte dann kein Einwand des Konzerns mehr. In einer Stellungnahme signalisierte Daimler Unterstützung für die Entscheidung und führte auf, was von seiner Seite bereits zur historischen Aufarbeitung der Sklaven-Ausbeutung im „Dritten Reich“ getan worden sei. Man fördere „auch weiterhin Aktivitäten, die nicht nur an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern, sondern auch dazu beitragen, dass wir alle – so auch unser Unternehmen – die richtigen Lehren aus dem damaligen Geschehen ziehen“.

Gegen den BVV-Beschluss zur Straßenbenennung hatten sich 2012 in Friedrichshain-Kreuzberg nur Vertreter der kleinen CDU-Fraktion ausgesprochen. Ihr Argument: Hier werde die angemessene Ehrung von NS-Opfern instrumentalisiert für antikapitalistische Ressentiments.

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